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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Sammlungen — Vereine

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Dresden. Die Galerie Ernst Arnold zeigt eine Aus-
stellung von Gemälden Professor Max Wislicenus'
und neue dekorative Handwebereien von demselben. Frau
Professor Wislicenus ist mit kostbaren Seidenstickereien
vertreten. Die Künstlerin erhielt auf der Dresdener Großen
Kunstgewerbeausstellung bereits die silberne Medaille und
hat sich inzwischen technisch und künstlerisch außerordent-
lich entwickelt.

SAMMLUNGEN

Der vor kurzem in London verstorbene Baron Henry
Schröder hat seine bekannte Gemäldegalerie der Ham-
burger Kunsthalle vermacht. Die Sammlung enthält u. a.
Werke von Corot, Meissonnier, Rosa Bonheur und Alma
Tadema.

Das Museum in Hannover hat in Brakls moderner
Kunsthandlung in München folgende sechs Gemälde zeit-
genössischer Meister erworben: Hugo von Habermann
»Mädchen im Freien«, Fritz von Vhde »Drei Engel«, Angelo
Jank »Die Reiterin«, Walter Püttner »Drei Musiker«, Albert
Weisgerber »Vor dem Spiegel«, Walter Georgi»Der Bürger-
meister«.

Das Vermächtnis des verstorbenen Berliner Kom-
merzienrats Kahlbaum für das Germanische National-
museuni in Nürnberg wird augenblicklich den Samm-
lungen eingereiht. Der hervorragendste Teil der Stiftung,
die Münzensammlung, — mittelalterliche und neuzeit-
liche Gold- und Silbermünzen der europäischen Völker, —
etwa 4000 Stück, sind in einem geschnitzten Schrank und
in einer Truhe untergebracht. Die Sammlung wird, äußer-
lich mit dem Namen ihres Schöpfers gekennzeichnet, im
Museum gesondert aufgestellt bleiben. Eine weitere Be-
reicherung ist Kahlbaums Antiquitätensammlung. Sie
enthält Bauteile, Gewebe, kirchliche- und Hausgeräte, Zunft-
altertümer und Waffen, und ist vor allem reich an alten
Zinnarbeiten, unter denen besonders der wertvolle Zinn-
schatz der Wismarer Zünfte hervorgehoben sei.

+ München. Eintrittsgelder in die Münchener
Sammlungen. Wie die Tageszeitungen melden, hat der
Finanzausschuß der bayrischen Abgeordnetenkammer in
der Sitzung vom 13. Mai beschlossen, an vier Tagen der
Woche für den Besuch der beiden Pinakotheken, der
Glyptothek und des Nationalmuseums einen Eintrittspreis
von einer Mark zu erheben. Es ist das ein Entschluß,
der auf das Entschiedenste verurteilt werden muß. Da an
einem Tage der Woche die Museen zwecks Reinigung
geschlossen sind, so bleiben also nur zwei Tage mit freiem
Eintritt, von denen einer der Sonntag ist. Kunstsammlungen
sind aber eines der hervorragendsten Volksbildungsmittel,
ihr Besuch muß eher erleichtert statt erschwert werden,
vor allem aber darf eine Sammlung wie die Alte Pina-
kothek nicht derart dem Volke verschlossen werden. Man
erwartet von diesen Eintrittsgeldern eine Jahreseinnahme
von 20000 Mark. Hiervon sollen 14000 Mark für den
Ankauf von Kunstwerken, 6000 Mark für den Regiebedarf
zur Verwendung kommen. Bei den heutigen Preisen des
Kunsthandels ist eine Summe von 14000 Mark, die sich als
Ankaufszuschuß auf vier Museen verteilt, eine Lächerlich-
keit. Auf den Zuwachs an Kunstwerken, den wir diesem
Zuschuß verdanken, wollen wir gern verzichten, wenn uns
dafür die Sammlungen offen stehen. Es ist zu hoffen, daß
sich das Plenum der Abgeordnetenkammer energisch gegen
diesen schmählichen Beschluß wenden und wenigstens
zwei von den vier Tagen streichen wird.

-f München. Der bekannte amerikanische Sammler
und Veranstalter der letzthin in Berlin und München ge-

sehenen amerikanischen Ausstellung Hugo Reisinger hat
der hiesigen graphischen Sammlung eine Anzahl Radierun-
gen des Amerikaners Pennel zum Geschenk gemacht.

VEREINE

In der Maisitzung der Berliner kunstgeschicht-
lichen Gesellschaft sprach Herr Daun über ein der
Madonna del baldacchino verwandtes Madonnenbild
Raffaels. Das Bild stammt aus der berühmten Samm-
lung Solly, und zwar gehörte es der zweiten Sammlung
an, die Solly nach dem Übergang der ersten in den Be-
sitz der Berliner Museen in London anlegte. Da Waagen
es 1835 bei seinem Besuche noch nicht erwähnt, kann das Bild
erst nach dieser Zeit erworben sein. 1847 erscheint es
zuerst bei der Nachlaßversteigerung. Es wurde aber da-
mals nicht veräußert, sondern verblieb in der Familie, in
deren Besitz es sich noch heut, und zwar in der Nähe von
Berlin, befindet. Das Bild entspricht dem Mittelstück mit
Mutter und Kind aus der Madonna del baldacchino, die
der Vortragende für eine Schülerarbeit erklärte ganz im
Gegensatz zu dem Sollybilde, das in jeder Hinsicht vor-
züglich sei und den Vergleich mit keiner der späteren Flo-
rentiner Madonnen, in deren Reihe es gehöre, wie die
Madonna mit dem Lamm, die Madonna mit dem bartlosen
Josef, die Madonna Tempi, zu scheuen brauche. Passa-
vant erwähnt ein Madonnenbild, das dem Mittelstück der
Madonna del baldacchino entspreche, und das nach Rumohr
von Raffael selbst gemalt sei. Leider läßt es sich nicht
feststellen, ob dieses mit dem Sollybilde identisch ist.
Jedenfalls sei das Sollybild ein vorzügliches Werk, das
nicht als Kopie nach der Madonna del baldacchino, son-
dern als eigenhändiges Werk Raffaels anzusprechen sei.

Sodann sprach Herr Wulff über die Ursprungsfrage
des Genter Altars. Er nahm die farbige Behandlung, die
bisher in der kritischen Forschung allzu wenig berücksich-
tigt ward, zum Ausgangspunkt. Für Jan van Eyck sei ein
starker Kolorismus, eine Vorliebe für Kontrastkombinationen
und volle, ungebrochene Farben charakteristisch. Dem
entsprechen am Genter Altar die zwei Tafeln mit den
musizierenden Engeln. Es finden sich hier zwei Grund-
typen in den Gesichtern, ein Typus mit breiter Stirn,
spitzem Kinn und schläfrigen Augen, der dem der Ma-
donna des Kanzlers Rollin gleicht, und ein zweiterTypus mit
langem Oval und stark geschwungenen Brauen, entsprechend
der Palamadonna und der hl. Barbara. Die beiden Engel-
tafeln sind ganz aus einem Guß und stehen zudem neben
den ganz allgemein dem Jan zugeteilten Tafeln mit Adam
und Eva; sie rühren also sicher von Jan her.

Von Huberts Kunst haben wir erst in letzter Zeit eine
greifbare Vorstellung erhalten. Drei Bilder kommen haupt-
sächlich in Betracht, die Kirchenmadonna in Berlin, das
Diptychon mit Kreuzigung und Jüngstem Gericht in Peters-
burg und die Frauen am Grabe bei Cook. Gemeinsam
ist diesen Bildern eine gedämpfte Farbigkeit, die Vorliebe
für die Wiedergabe von Lichtphänomenen, ein starkes
Raumgefühl bei noch sehr altertümlicher Perspektive, das
Fehlen des Mittelgrundes. Die kniende Magdalena des
Cookbildes stimmt nun überein mit der erythräischen Si-
bylle über der Verkündigung des Genter Altars. Der
ganze obere Teil der Außenseite des Altars stellt aber eine
einheitliche künstlerische Rechnung dar. Der Verzicht
auf Farbigkeit, der zwar in der Aufgabe gegeben war,
aber doch in besonders genialer Weise ausgenutzt ist, das
zerstreute Licht mit dem Blick in schattige Nebenräume
stimmen sehr gut zu unserer Vorstellung von Huberts
Kunst. Die Typen weichen von denen der musizierenden
Engel durchaus ab. Diese Verkündigung ist also dem
Hubert zuzuschreiben. Schwieriger ist die Entscheidung
 
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