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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0318

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6ig

Sammlungen

620

etwas über 200000 Fr. angegeben; damit ist dieses exqui-
site Werk, das aus mehreren Stücken vorzüglich sich hat
zusammensetzen lassen, wahrlich nicht zu hoch bezahlt.

M.

Neuerwerbungen der Gemäldegalerie des Ryks-
museums. Unter den letzten Neuerwerbungen älterer
Kunst in der Galerie des Ryksmuseums sind wohl die
wertvollsten zwei Porträts von Oerafä ter Borch, der nun
in dieser Sammlung besonders gut vertreten ist; man be-
saß schon von ihm fünf Einzelporträts, ein Genrebild, die
berühmte väterliche Ermahnung, ein großes Familienbild
aus der Leihgabe Hoogendyk und zwei Kopien, eine nach
dem Londoner Bilde des Münsterschen Friedenskongresses
und eine nach dem Münchener Knaben, der seinen Hund
flöht. Die neuen Porträts sind Kniestücke [38,5X31];
das Ehepaar de Vicq ist dargestellt in sehr jungen Jahren;
de Vicq bekleidete das sehr wichtige Amt des Haupt-
schulzen (Hoofdschout) in Amsterdam; die Figuren stehen vor
grau-grünem Grund von besonderer Feinheit des Tons;
das einzige Möbel auf beiden Bildern ist ein Tisch mit
der gleichen violett schillernden Decke; in der Stoffbehand-
lung dieser Decke und dann besonders des schwarzen
Spitzenbesatzes auf der Hemdbrust des Mannes zeigt der
Künstler wieder seine große Meisterschaft; das Kostüm
der beiden Figuren ist schwarz; weiß und zwar blendend-
weiß ist nur der Teil des Hemdes, der, aus den kurzen
Ärmeln hervortretend, den Arm des Mannes in bauschigen
Puffen umschließt, während er bei der Frau nur bis zum
Ellenbogen reicht, den rundlichen Unterarm nackt lassend;
weiß ist auch die mit Stickereien besetzte Unterrobe aus
Atlas bei der Frau, die dieselbe gleichsam zur Schau stellt,
mit den Händen den schwarzen Oberrock etwas in die
Höhe haltend. Haltung und Ausdruck verraten den vor-
nehmen Stand der Dargestellten; sie stehen beide unge-
zwungen, und doch drückt die Haltung Würde aus; die
Frau, die durch ihr besonders regelmäßiges, fein geschnitte-
nes Gesicht mit schmalem Mund auffällt, blickt kühl und
stolz, fast unnahbar, dem Fremden gegenüber den Abstand
wahrend, der Mann blickt mit seinen ruhigen blauen Augen
weniger streng; er hält in der einen Hand einen Rohr-
stock mit elfenbeinernem Knopf; die Porträts sind beide
1670 datiert, das männliche auch mit dem Monogramm be-
zeichnet. Die Ausführung der beiden Werkchen ist von
der höchsten Delikatesse, die Zeichnung ist von der größten
Sorgfalt und die Farbengebung von einer fast porzellan-
artigen Glätte, ohne jedoch zu fader Gelecktheit zu werden.
Das an derselben Wand befindliche Porträt des Geistlichen
van der Schalcke von demselben Künstler, das 1641, also
fast dreißig Jahre früher entstanden ist, wirkt daneben zwar
kräftiger und frischer, was zum Teil auch an dem Darge-
stellten liegt; distingierter in der Auffassung und der Be-
handlung sind jedoch unstreitig die zwei Neuerwerbungen.

Von Interesse ist vielleicht, daß die beiden dargestell-
ten Figuren auch in dem Album der Gesina ter Borch,
der Schwester des Künstlers, das sich auf dem hiesigen
Kupferstichkabinett befindet, vorkommen; nur mit dem
Unterschied, daß die männliche Figur in dem Album ein
anderes Gesicht erhalten hat, sonst ist die aquarellierte
Zeichnung in dem Album bis in die Einzelheiten des Ko-
stüms eine genaue Kopie; das schmale vornehme Gesicht
de Vicqs ist ersetzt durch das runde, rotbäckige, blond-
lockige Gesicht des Bruders Moses ter Borch, der in dem
Album verschiedentlich dargestellt ist; die in dem Album
diesem Porträt unmittelbar vorhergehenden Blätter beziehen
sich alle auf den Tod dieses jungen Mannes, der 1667 als
Freiwilliger an der Expedition gegen England teilnahm
und am 12. Juli desselben Jahres vor Harwich fiel. Wes-
halb Gesina nun ihren Bruder in dem Kostüm de Vicqs

darstellte, ist nicht ganz klar, jedenfalls wollte sie ihm
in ihrem Album ein möglichst würdiges Denkmal setzen;
ob sie dafür die etwas stutzerhaften und auffallenden
Kostüme, in denen ihr Bruder auf den anderen Blättern
vorkommt, für den Verstorbenen nicht für passend hielt,
und sie ihn daher lieber in der ernsten vornehmen Ge-
wandung verewigen wollte, wie sie eben de Vicq
trägt, oder ob sie sich der Mängel und Grenzen ihres
Talentes bewußt war, daß sie nämlich viel besser nach
einem vorhandenen Bilde als nach der Natur zeichnen
konnte, und ob sie also, um ein technisch vollkommeneres
und in den Einzelheiten des Kostüms richtigeres Porträt
zu erhalten, sich dieses Kunstgriffes bediente, wir wissen
es nicht. Auch nicht, ob zwischen ihrem Bruder und de
Vicq oder seiner Frau irgendwelche freundschaftliche Be-
ziehungen bestanden, die eine solche Maskerade nahe leg-
ten; von einer Ähnlichkeit der Gesichtszüge kann keine
Rede sein, höchstens vielleicht von einer Ähnlichkeit der
Gestalt, und außerdem hatten die beiden jungen Leute das
gleiche Alter. — Das Bild der Frau in dem Album ist in
jeder Hinsicht eine vollständige Kopie des Porträts im
Museum. — Da diese zwei Bildnisse in dem Album künst-
lerisch viel wertvoller sind, als die meisten übrigen Zeich-
nungen, so dürfte wohl der Rückschluß erlaubt sein, daß
auch die paar anderen Zeichnungen, die die Durchschnitts-
arbeiten um ein Beträchtliches überragen, Kopien sind, so
daß wir in den Porträts, die stilistisch den zwei ge-
nannten sehr nahe stehen, ebenfalls Kopien nach Werken
ihres Vaters hätten.

Die Gemälde stammen aus dem Besitze der Familie
Rendorp, die sie mit anderen schon 1903 dem Museum
vermachte, doch gelangten sie erst in diesem Jahre in
die Sammlung. Einem Schüler ter Borchs, Pieter van
Anraadt, wird ein von derselben Familie überwiesenes
großes Porträt der Familie des Jeremias van Collen [107
Xi55] zugeschrieben; auf der fliesenbedeckten Terrasse
eines Gartens sehen wir einen stehenden vornehmen Herrn
und eine sitzende Dame, umgeben von ihren zwölf Kindern;
weiter zurück in dem Garten steht das Landhaus; die Ge-
sichter sind wohl etwas geschmeichelt, besonders die der
Kinder scheinen zu fein; doch sind die Figuren gut ge-
zeichnet, Stellung und Haltung ist richtig wiedergegeben,
und in der Kleidung herrscht eine angenehme Mannig-
faltigkeit der Farben; von einem schönen Braun ist der
mit silbernen Litzen besetzte lange, bis zu den Knieen
reichende Rock des stattlichen Familienvaters, von einem
schönen Blau das Kostüm der Frau; Kleider von anderen
lichten reinen Farben tragen die Kinder. Gerade in der
Stoffbehandlung und in der Vorliebe für Farbigkeit des
Kostüms, auch in der etwas verfeinerten Gesichtsbildung
der Figuren und der diskreten, losen Behandlung hat diese
Neuerwerbung viel gemein mit einem anderen hier befind-
lichen großen Werke desselben Künstlers, das den Ab-
schied eines hohen Offiziers von seiner Familie vorstellt.
Jedenfalls steht der Künstler in diesen beiden Werken
seinem Lehrer ter Borch viel näher als in drei anderen,
voll bezeichneten Werken des Museums, dem großen Re-
gentenbild und den beiden Porträts, wo er die Menschen
in natürlicher Größe gibt, während sie auf den beiden erst-
genannten Bildern Kleinfiguren sind, wie auch meistens
bei ter Borch. Haben die Werke von ter Borch und An-
raadt ein aristokratisches Cachet, so gilt von einer anderen
Neuerwerbung, einem kleinen Werk von David Vincke-
boons »Der Leiermann« [34X62,5] das gerade Gegenteil,
benehmen sich die Menschen bei ter Borch stets ruhig und
zurückhaltend, wie sich das in der guten Gesellschaft ge-
hört, so führt uns Vinckeboons derbe Bauern vor, in denen
die ursprüngliche Natur durch Erziehung und Bildung noch
 
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