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Das Pettenkofenwerk des österreichischen Unterrichtsministeriums
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von Stichen und Schnitten es täte. Es ist, als würde dieser
Wettbewerb der Techniken nicht entfaltet, um Pettenkofens
Kunst in klares Licht zu stellen, sondern als wolle jede
an seinen Bildern ihre hohe Leistungsfähigkeit recht zur
Geltung bringen. Weniger wäre hier mehr gewesen;
größere Gleichförmigkeit hätte vielleicht den eigentlichen
Zweck der Illustration, auf das Werk des in öffentlichen
Sammlungen meist ungenügend und uncharakteristisch ver-
tretenen Künstlers aufmerksam zu machen, reiner erreicht.
Bild und Wort einer wissenschaftlichen Monographie dürfen
nicht Selbstzweck werden wollen, sondern müssen im
Dienst der gestellten Aufgabe restlos aufgehen.
Der Text Weixlgärtners ist das Monument eines un-
verdrossenen, in vielen Jahren der Arbeit nie erlahmenden
Fleißes und einer gründlichen Gewissenhaftigkeit, die auch
dem nebensächlichsten Detail die breiteste Genauigkeit
widmet; wir verdanken diesen Tugenden des Autors den
den zweiten Band füllenden Katalog der Werke Petten-
kofens, der die zahlreichen, im Thema vielfach ähnlichen,
die Besitzer rasch wechselnden, in den Katalogen oft nur
flüchtig bezeichneten Arbeiten in ein kritisches Verzeichnis
einzufangen unternimmt, und auch die mustergültige Zu-
sammentragung alles Materials im ersten, dem eigentlichen
Textband, der auch die Fragen der kunsigeschichtlichen Zu-
sammenhänge zumeist definitiv erledigt. Ist es aber bei jenem
unzweifelhaft, daß er jeder weiteren Beschäftigung mit dem
Künstler— sowohl der des Forschers als der des Sammlers —
als festes Fundament dienen wird, so könnte beim darstellen-
den Text ein von Weixlgärtner zitierter Ausspruch Petten-
kofens nachdenklich stimmen: »Der Fleiß ist beim Malen
die Hauptsache, aber es muß dabei ein Moment kommen,
in dem der Künstler den Fleiß totschlägt.« Auch der
Kunsthistoriker kann sonst in die Gefahr geraten, daß sein
Fleiß den Künstler totschlägt, über den er arbeitet; und diese
Gefahr war im vorliegenden Falle um so größer, als diese
Monographie gewissermaßen im Kampf gegen ihren eigenen
Helden entstanden ist; dessen gelegentlich ausgesprochener
Meinung, »daß sich über seine küntlerische Laufbahn nichts
sagen lasse, was auch nur von einigem Interesse sein
könnte«, setzt Weixlgärtner das Recht des Kunsthistorikers
entgegen, den Künstler bis in die letzte Falte seines Werdens
und Wesens zu verfolgen. Und unerbittlich hat er von
diesem Recht Gebrauch gemacht; wo er von dem Liebes-
leben des Meisters spricht (S. 256) — unmittelbar im An-
schluß an dessen Verdauung (S. 255) — und mit strafend
erhobenem Zeigefinger, dem eine gewisse hinweisende
Wirkung nicht fehlt, nicht genügend belegte Lücken im
Ausgabenregister des Künstlers rügt, betont er ausdrücklich
das Recht des Historikers, gewisse erotische Äußerungen,
selbst wenn sie gegen den Willen des Urhebers auf die Nach-
welt gekommen sind, nicht mit Stillschweigen zu übergehen.
Verallgemeinert ist diese Frage des Taktes eine Prin-
zipienfrage der Forschung. Jeder, der dem Mysterium
individueller Künstlerschaft nachzuspüren trachtet, hat sich
mit dem rätselhaften Ineinander der empirisch-menschlichen
und der künstlerischen Existenz gequält — ich zitiere hier
Worte, in denen Carl Neumann, um meine vermeintliche
Ansicht zu widerlegen, genau meine Meinung ausgesprochen
hat — genau so wie er, eine rein persönliche Entwicklung
zu erklären, auf die Triebkraft allgemeiner kultureller Vor-
gänge hindeuten muß. Aber welcher Irrtum zu meinen,
daß die individuelle Menschlichkeit oder das kulturelle
Geschehen die Immanenz der künstlerischen Entwicklung
stören könne, die doch nur und ausschließlich an freien
Einzelmenschen, an kulturell tausendfach gebundenen
Wesen in Erscheinung treten kann! Eine entwicklungs-
geschichtliche Auffassung der Kunst, die ihre zwei wesent-
lichsten Erkenntnisquellen ausschlösse, wäre eine ideolo-
gische Konstruktion, ein unfruchtbares Spiel, daran habe
ich nie gezweifelt; aber ebenso sicher scheint mir, daß
wir nur so lange Kunstgeschichte treiben, als die
direkte Beziehung auf die künstlerischen Fragen die
Erforschung des Menschen, die Erforschung der ihn tragen-
den Kulturwelle beherrscht. Das uneingeschränkte Wuchern
dieser führt hier zur Geschichte, dort zur psychographischen
oder auch physiographischen Analyse des Menschen, also
zur Naturgeschichte; in beiden Beziehungen scheint mir
Weixlgärtners Buch die schwierige Mitte nicht immer
glücklich getroffen zu haben.
Vielleicht kam er dadurch, daß er einem Künstler vom
Schlage Pettenkofens eine so umfängliche Darstellung
widmen wollte oder mußte, dazu, neben dem Wichtigen so
viel Ballast mitzuschleppen; was hat er nicht alles mit
Bienenfleiß zutage gefördert: das Itinerar Pettenkofens,
sein Körpergewicht zu allen Zeiten, eine Liste der Künst-
ler, mit denen zusammen er für ein und dieselbe Publi-
kation gearbeitet hat, der Bücher, die sich in seiner Bi-
bliothek zusammengefunden haben, die öffentlichen Bauten,
die während seines Lebens in Wien und Paris entstanden.
Was ist uns mit alledem gedient? Was nützt uns zumal
nach Bismarcks unvergleichlicher Schilderung des Szolnok
Pettenkofens die langatmige Beschreibung des Szolnok
Weixlgärtners, da die Erweiterung des künstlerischen Stoff-
gebietes, die die Entdeckung Ungarns und der Zigeuner
darstellt, in keiner Weise innerlich gedeutet wird; was
fördert uns die wohl dokumentierte Darlegung seiner großen
Liebe, deren Phasen ohne Ausnahme darzustellen, ja zum
Privilegium des Historikers gehören soll, da der Autor
selbst (S. 173) sichtlich in Verlegenheit ist, das Fazit des
merkwürdigen Liebesbundes zu ziehen; was gewinnen wir
endlich für die Erkenntnis von Pettenkofens Kunst, daß
der Name jener Frau wohl nicht genannt, aber die Lauf-
bahn und Orden ihres Gatten mit solch historischer Akribie
gekennzeichnet werden, daß jeder, der die Geschichte
Österreichs in den letzten Jahrzehnten kennt, sie erkennt, o
schöne Mitte zwischen Verschweigen und Erratenlassen!
Nicht minder taubes Gestein ist vielfach das kulturhistorische
Material; die Aufzählung der Ereignisse im öffentlichen
Leben Neuösterreichs nennt lauter Dinge, die Pettenkofen
wahrscheinlich im hohen Grade gleichgültig oder wider-
wärtig waren, und besser als durch die Nennung der
Bauten, die in dem Jahrzehnt 1870/80, in dem Pettenkofen
so gut wie nicht in Wien war, dort entstanden — das
Kunstgewerbemuseum, die Börse, die Votivkirche, dazu
die Donauregulierung und Hochquellenwasserleitung, >die
beide für die Stadt Wien Ereignisse von der größten Trag-
weite sind und Pettenkofen, der einerseits sehr viel auf
gesundes Trinkwasser hielt und anderseits selbst eine
Donauüberschwemmung gemalt hatte, gewiß nicht unbe-
rührt gelassen haben werden« (S. 204) — wäre seine per-
sönliche und künstlerische Entwicklung vielleicht durch die
Schilderung der alten Wiener Häuser oder Glacis und der
Donauauen aufgeklärt geworden, die jenem stürmischen
Fortschritt der Gründerjahre zum Opfer fielen.
Denn Pettenkofen wurzelt als Mensch und Künstler
in dem Alt-Wien, in dem — örtlich und zeitlich — er ge-
boren ist und hat sich nie an das Neu-Wien gewöhnt, in
das seine Lebensjahre ihn tief hineinführen; er besitzt die
aristokratische Anmut und die sichere Vornehmheit der
aussterbenden Generalion und fühlt sich in der Welt, die
ihn umgibt, fremd und unwohl; er hängt mit leidenschaft-
licher Liebe an Wien und meidet es angstvoll. Seine
unstete Existenz ist nicht kosmopolitischer Trieb wie bei
manchen Zeitgenossen, sondern Angst vor dem Lärm, den
eine hochgekommene neue Gesellschaft in der Heimat macht.
Dieses Heimweh, das in die Fremde treibt, prägt nicht
Das Pettenkofenwerk des österreichischen Unterrichtsministeriums
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von Stichen und Schnitten es täte. Es ist, als würde dieser
Wettbewerb der Techniken nicht entfaltet, um Pettenkofens
Kunst in klares Licht zu stellen, sondern als wolle jede
an seinen Bildern ihre hohe Leistungsfähigkeit recht zur
Geltung bringen. Weniger wäre hier mehr gewesen;
größere Gleichförmigkeit hätte vielleicht den eigentlichen
Zweck der Illustration, auf das Werk des in öffentlichen
Sammlungen meist ungenügend und uncharakteristisch ver-
tretenen Künstlers aufmerksam zu machen, reiner erreicht.
Bild und Wort einer wissenschaftlichen Monographie dürfen
nicht Selbstzweck werden wollen, sondern müssen im
Dienst der gestellten Aufgabe restlos aufgehen.
Der Text Weixlgärtners ist das Monument eines un-
verdrossenen, in vielen Jahren der Arbeit nie erlahmenden
Fleißes und einer gründlichen Gewissenhaftigkeit, die auch
dem nebensächlichsten Detail die breiteste Genauigkeit
widmet; wir verdanken diesen Tugenden des Autors den
den zweiten Band füllenden Katalog der Werke Petten-
kofens, der die zahlreichen, im Thema vielfach ähnlichen,
die Besitzer rasch wechselnden, in den Katalogen oft nur
flüchtig bezeichneten Arbeiten in ein kritisches Verzeichnis
einzufangen unternimmt, und auch die mustergültige Zu-
sammentragung alles Materials im ersten, dem eigentlichen
Textband, der auch die Fragen der kunsigeschichtlichen Zu-
sammenhänge zumeist definitiv erledigt. Ist es aber bei jenem
unzweifelhaft, daß er jeder weiteren Beschäftigung mit dem
Künstler— sowohl der des Forschers als der des Sammlers —
als festes Fundament dienen wird, so könnte beim darstellen-
den Text ein von Weixlgärtner zitierter Ausspruch Petten-
kofens nachdenklich stimmen: »Der Fleiß ist beim Malen
die Hauptsache, aber es muß dabei ein Moment kommen,
in dem der Künstler den Fleiß totschlägt.« Auch der
Kunsthistoriker kann sonst in die Gefahr geraten, daß sein
Fleiß den Künstler totschlägt, über den er arbeitet; und diese
Gefahr war im vorliegenden Falle um so größer, als diese
Monographie gewissermaßen im Kampf gegen ihren eigenen
Helden entstanden ist; dessen gelegentlich ausgesprochener
Meinung, »daß sich über seine küntlerische Laufbahn nichts
sagen lasse, was auch nur von einigem Interesse sein
könnte«, setzt Weixlgärtner das Recht des Kunsthistorikers
entgegen, den Künstler bis in die letzte Falte seines Werdens
und Wesens zu verfolgen. Und unerbittlich hat er von
diesem Recht Gebrauch gemacht; wo er von dem Liebes-
leben des Meisters spricht (S. 256) — unmittelbar im An-
schluß an dessen Verdauung (S. 255) — und mit strafend
erhobenem Zeigefinger, dem eine gewisse hinweisende
Wirkung nicht fehlt, nicht genügend belegte Lücken im
Ausgabenregister des Künstlers rügt, betont er ausdrücklich
das Recht des Historikers, gewisse erotische Äußerungen,
selbst wenn sie gegen den Willen des Urhebers auf die Nach-
welt gekommen sind, nicht mit Stillschweigen zu übergehen.
Verallgemeinert ist diese Frage des Taktes eine Prin-
zipienfrage der Forschung. Jeder, der dem Mysterium
individueller Künstlerschaft nachzuspüren trachtet, hat sich
mit dem rätselhaften Ineinander der empirisch-menschlichen
und der künstlerischen Existenz gequält — ich zitiere hier
Worte, in denen Carl Neumann, um meine vermeintliche
Ansicht zu widerlegen, genau meine Meinung ausgesprochen
hat — genau so wie er, eine rein persönliche Entwicklung
zu erklären, auf die Triebkraft allgemeiner kultureller Vor-
gänge hindeuten muß. Aber welcher Irrtum zu meinen,
daß die individuelle Menschlichkeit oder das kulturelle
Geschehen die Immanenz der künstlerischen Entwicklung
stören könne, die doch nur und ausschließlich an freien
Einzelmenschen, an kulturell tausendfach gebundenen
Wesen in Erscheinung treten kann! Eine entwicklungs-
geschichtliche Auffassung der Kunst, die ihre zwei wesent-
lichsten Erkenntnisquellen ausschlösse, wäre eine ideolo-
gische Konstruktion, ein unfruchtbares Spiel, daran habe
ich nie gezweifelt; aber ebenso sicher scheint mir, daß
wir nur so lange Kunstgeschichte treiben, als die
direkte Beziehung auf die künstlerischen Fragen die
Erforschung des Menschen, die Erforschung der ihn tragen-
den Kulturwelle beherrscht. Das uneingeschränkte Wuchern
dieser führt hier zur Geschichte, dort zur psychographischen
oder auch physiographischen Analyse des Menschen, also
zur Naturgeschichte; in beiden Beziehungen scheint mir
Weixlgärtners Buch die schwierige Mitte nicht immer
glücklich getroffen zu haben.
Vielleicht kam er dadurch, daß er einem Künstler vom
Schlage Pettenkofens eine so umfängliche Darstellung
widmen wollte oder mußte, dazu, neben dem Wichtigen so
viel Ballast mitzuschleppen; was hat er nicht alles mit
Bienenfleiß zutage gefördert: das Itinerar Pettenkofens,
sein Körpergewicht zu allen Zeiten, eine Liste der Künst-
ler, mit denen zusammen er für ein und dieselbe Publi-
kation gearbeitet hat, der Bücher, die sich in seiner Bi-
bliothek zusammengefunden haben, die öffentlichen Bauten,
die während seines Lebens in Wien und Paris entstanden.
Was ist uns mit alledem gedient? Was nützt uns zumal
nach Bismarcks unvergleichlicher Schilderung des Szolnok
Pettenkofens die langatmige Beschreibung des Szolnok
Weixlgärtners, da die Erweiterung des künstlerischen Stoff-
gebietes, die die Entdeckung Ungarns und der Zigeuner
darstellt, in keiner Weise innerlich gedeutet wird; was
fördert uns die wohl dokumentierte Darlegung seiner großen
Liebe, deren Phasen ohne Ausnahme darzustellen, ja zum
Privilegium des Historikers gehören soll, da der Autor
selbst (S. 173) sichtlich in Verlegenheit ist, das Fazit des
merkwürdigen Liebesbundes zu ziehen; was gewinnen wir
endlich für die Erkenntnis von Pettenkofens Kunst, daß
der Name jener Frau wohl nicht genannt, aber die Lauf-
bahn und Orden ihres Gatten mit solch historischer Akribie
gekennzeichnet werden, daß jeder, der die Geschichte
Österreichs in den letzten Jahrzehnten kennt, sie erkennt, o
schöne Mitte zwischen Verschweigen und Erratenlassen!
Nicht minder taubes Gestein ist vielfach das kulturhistorische
Material; die Aufzählung der Ereignisse im öffentlichen
Leben Neuösterreichs nennt lauter Dinge, die Pettenkofen
wahrscheinlich im hohen Grade gleichgültig oder wider-
wärtig waren, und besser als durch die Nennung der
Bauten, die in dem Jahrzehnt 1870/80, in dem Pettenkofen
so gut wie nicht in Wien war, dort entstanden — das
Kunstgewerbemuseum, die Börse, die Votivkirche, dazu
die Donauregulierung und Hochquellenwasserleitung, >die
beide für die Stadt Wien Ereignisse von der größten Trag-
weite sind und Pettenkofen, der einerseits sehr viel auf
gesundes Trinkwasser hielt und anderseits selbst eine
Donauüberschwemmung gemalt hatte, gewiß nicht unbe-
rührt gelassen haben werden« (S. 204) — wäre seine per-
sönliche und künstlerische Entwicklung vielleicht durch die
Schilderung der alten Wiener Häuser oder Glacis und der
Donauauen aufgeklärt geworden, die jenem stürmischen
Fortschritt der Gründerjahre zum Opfer fielen.
Denn Pettenkofen wurzelt als Mensch und Künstler
in dem Alt-Wien, in dem — örtlich und zeitlich — er ge-
boren ist und hat sich nie an das Neu-Wien gewöhnt, in
das seine Lebensjahre ihn tief hineinführen; er besitzt die
aristokratische Anmut und die sichere Vornehmheit der
aussterbenden Generalion und fühlt sich in der Welt, die
ihn umgibt, fremd und unwohl; er hängt mit leidenschaft-
licher Liebe an Wien und meidet es angstvoll. Seine
unstete Existenz ist nicht kosmopolitischer Trieb wie bei
manchen Zeitgenossen, sondern Angst vor dem Lärm, den
eine hochgekommene neue Gesellschaft in der Heimat macht.
Dieses Heimweh, das in die Fremde treibt, prägt nicht