KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR
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einer Art Tribuna vereinigt zu sehen. Frau Geheimrat Arn-
hold lieli köstliche Perlen ihrer Sammlung, und aus privatem
und öffentlichem Besitz sind hervorragende Beispiele bester
Malerei beigesteuert worden: im Ganzen und im Einzelnen
eine überzeugende Vorführung wertvollster Tradition und
nicht wieder erreichter Malkultur. Courbet, Daumier, Manet,
Renoir, Toulouse-Lautrec, Degas und Cezanne repräsentieren
die Franzosen, dazu ein schöner Goya; Franz Krüger, Leibi,
Marees, Menzel, Rayski, Thoma, Trübner zeigen die deutsche
Kunst in Spitzenleistungen und bringen einige wenig be-
kannte Werke. Wenn auch mit dieser kleinen Retrospektiven
nicht gerade beabsichtigt worden ist, einen Vergleich mit der
Kunst der heute Lebenden herauszufordern, so kann der
vorurteilslose Betrachter doch nicht umhin, sich angesichts
des Aufgebotes der Lebenden Gedanken zu machen über
den chaotischen Zustand gegenwärtiger Kunstübung, in der
die Vertreter der Tradition wie Fremde inmitten der hem-
mungslos Subjektiven und vorlauten Farbenfanatiker er-
scheinen. Aus dem schier unerschöpflichen Werke Corinths
ein paar Bilder, von Liebermann und Slevogt Bildnisse letz-
ter Ausgabe, von Vogel Venezianisches, von Stuck Antikisches
und Religiöses, von Dettmann, Kampf, von Hofmann, Herr-
mann, den beiden Hübner, Mosson, Orlik, Rhein, Lepsius,
Schuster-Woldau, Weiß allerhand Beachtenswertes — daneben
mehr oder wenig Verheißungsvolles von den Jungen wie Jüng-
sten. Der Staat hat aus beiden Lagern Ankäufe gemacht:
von Ulrich Hübner, Langhammer, Jacob und von Burmann,
Partikel, Röhricht. Degner, Dressel, Hasler, Heckendorf,
Hofer, Jäckel, Mesek, Neumann, Nowak, Pechstein, Plontke,
Rössner bringen Neues bald in dekorativer Wirkung, bald
im Streben nach der „neuen Sachlichkeit“, hinter der sich
ein Wiederanknüpfen an alte Traditionen verbirgt. Unter den
Plastikern erscheint Fritz Klimsch mit einer Kollektivausstel-
lung und zeigt in der Haarflechterin sein jüngstes Werk. G.
BERLIN. In der Galerie Flechtheim ist im Juni das
„plastische Werk von von Edgar Degas“ ausgestellt. Wenn
sich auch Degas nicht für einen Plastiker hielt, so sind doch
die Wachsbosseten, die er immer gern modelliert hat aus
reiner Freude am Gestalten seiner Formbeobachtungen des
bewegten weiblichen Körpers, von größtem künstlerischen
Reiz und Wert. Einmal hat er auch eine Tänzerin im Tüll-
kleid in Bronzeguß ausgestellt. Aber was später aus seinen
geschickten und so gefühlvollen Händen an Wachsgebilden
hervorging, Tänzerinnen in verwegenen Stellungen, bewegte
Pferde sind Impressionen von verblüffender Naivität und
packender Charakteristik. Nichts ist im Hinblick auf eine
endgültige Fixierung in Bronze ausgeführt oder ausgeglichen,
alles zeigt die mit dem Ausdruck ringende Hand, ist rauh
und unruhig, alles ist lebensvolle Bewegung. Mehr als sieb-
zig solcher Formerlebnisse hat Degas in Wachs modelliert,
ohne an ihre „Befestigung“ in dauernder Bronze zu denken.
Nun hat A. A. Hebrard Abgüsse gemacht und im ganzen nur
22 Exemplare in den Handel gebracht. Der illustrierte Ka-
talog der Ausstellung enthält Beiträge in Curt Glaser und
Wilhelm Hausenstein. G.
HANNOVER. Kestnergesellschaft. Die letzte Aus-
stellung vor dem Beginn der Sommerferien bringt Bilder eines
jungen Hannoveraners. Ernst Thoms kommt von der ab-
strakten Plakatmalerei her. In seinen Landschaften beson-
ders ist diese Schulung zu spüren. Sie wirken in ihrer flächigen
Aufteilung öfters erzwungen und gewollt. Bei anderen Bil-
dern haben Dix und Groß Pate gestanden. Es gibt da veristi-
sche Sujets („Schmiere“, „Variete“), die in der glatten festen
Art der Technik besonders an Dix erinnern. Unter allen Ein-
flüssen anderer Persönlichkeiten, mit denen sich schließlich
jeder auseinanderzusetzen hat, regt sich hier eine durchaus
eigene Persönlichkeit. Das zeigen besonders die Porträts,
die wohl überhaupt das Wesentlichste von Thoms Schaffen
sind. Hier erreicht er eine Höhe und Reife wie in keinem
der anderen Werke. Mit erbarmungsloser Offenheit charak-
terisiert er, völlig objektiv, den Dargestellten. Er erfaßt jede
Persönlichkeit in ihrer intimsten Eigenart und erhebt sie
dennoch, abstrahierend, zum Typ. Das Porträt der Mutter
des Künstlers ist dafür besonders bezeichnend. Herb und
sparsam, kann es Erinnerungen an frühe Renaissancebildnisse
wachrufen. Immer ist der Hintergrund aufs engste mit dem
Dargestellten verbunden, kompositorisch sowohl als inhalt-
lich. Er ist gleichsam eine zweite Objektivierung der Per-
sönlichkeit. Man hätte gewünscht, statt der in den anderen
Räumen ausgestellten Bilder und Holzschnitte von Walter
Klemm, Weimar, noch mehr Thomsscher Werke zu sehen,
denn die Bilder dieses Fünfundzwanzigjährigen interessieren
stark durch die darin enthaltenen Versprechungen einer
weiteren Entwicklung. E. F.
LEIDEN. Anläßlich des 300jährigen Geburtstages von
Jan Steen wird diesen Sommer in seiner Vaterstadt Leiden
eine Gedächtnisausstellung veranstaltet, auf der eine große
Anzahl seiner Bilder gezeigt werden wird. Die Ausstellung soll
vom 16. Juni bis 31. August dauern. Die Einsendungen
stammen größtenteils aus Privatbesitz, wozu dann noch einige
in- und ausländische Museen kommen. Die Ausstellung
findet in der Lakenhai statt und wird etwa siebzig Bilder
umfassen, doppelt so viele als 1909 auf der Steenausstellung
in London. Die Kommission besteht aus Dr. J. C. Overvoorde,
Direktor des städtischen Museums, Leiden; Prof. Dr. W.
Martin, Haag; A. Coert und Dr. J. J. de Gelder in Leiden;
Dr. H. Schneider im Haag.
MAILAND. In dem großen Palazzo della Perma-
nente wird in diesem Frühjahr ein Querschnitt durch die
ganze zeitgenössische italienische Kunst gezeigt. Es
soll eine Umschau sein über alle Möglichkeiten, die das Land
in seiner neuen Größe gewährt. Deshalb versäumte die
Leitung auch nicht, den Bozener Egger-Linz oder gar Flecht-
heims Stern de Fiori einzuladen. Eine ganze Reihe in Paris
lebender Künstler, wie Bucci, Campigli, Cappiello, Licini,
Paresce und Tozzi vervollständigen das Bild der neuen
„italienischen“ Kunst des 20. Jahrhunderts.
Wenn man die nahezu 300 Bilder und Plastiken über-
schaut, kristallisieren sich Kräfte heraus, die tief in dem Ge-
danken des neuen faszistischen Italien verwurzelt sind. Es
ist kein Wunder, daß Mussolini an erster Stelle im Ehren-
komitee genannt wird; denn wirklich beginnt die Kunst in
Italien, erfüllt von der faszistischen Idee, sich auf ihr Eigenes
und Typisches zu besinnen. Damit sei nicht gesagt, daß
eine Kulturpropagande und Tendenzkunst im Sinne von
Georg Grosz geschaffen wird; wir finden natürlich alle nur
möglichen Einflüsse bei den verschiedenen Gruppen und
Künstlern, doch der Hauptakzent liegt in dem Bewußtwer-
den der alten Tradition und in der Erkenntnis der italie-
nischen Kunst seit der Hochrenaissance. „Rückkehr zur
großen Komposition und Harmonie der Farben“, dies ist
das Leitmotiv des staatlichen Geschmacks. Alle Erwer-
bungen für die großen Galerien - es sind ihrer nicht
wenig - zeigen diesen neuen Stil. Wenn man ein Schlag-
wort prägen soll, so ist es eine neue Renaissance, die diese
Kunst erfüllt, eine Rückkehr zu der Größe alter Meister,
vielleicht auch eine „neue Sachlichkeit“. Doch diese „Sach-
lichkeit“ kann dem italienischen Temperament entsprechend
nie Selbstzweck sein. Sie ist nur der Gegenstoß gegen die
Futuristen, die in Italien zuerst ihr Werk begannen und die
heute, in dem kleinsten Kabinett der Ausstellung zusammen-
gedrängt, einem rühmlosen Ende entgegensehen. Die neue
Sachlichkeit der Italiener bleibt nie eine nackte Darstellung;
immer tritt die Eleganz des Südländers als das Erbe antiken
Lebensgefühles in Farbe und Komposition in Erscheinung.
Das geistige und künstlerische Zentrum Italiens liegt heute
in Mailand. Rom war nur in Zeiten katholischer Vorherr-
schaft der Sammelpunkt der künstlerischen Kräfte. Mailand
bedingt schon durch seine Lage und seine Geschichte eine
starke Wechselbeziehung zur französischen Kultur. Auch
heute noch sind Corot und Cezanne die geistigen Paten der
Mailänder Künstler. Rosso zeigt in seinen Plastiken aus
Stuck und Wachs Eindrücke Pariser Boulevards aus dem
Anfang unseres Jahrhunderts. Agazzi, Funi undSironi
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einer Art Tribuna vereinigt zu sehen. Frau Geheimrat Arn-
hold lieli köstliche Perlen ihrer Sammlung, und aus privatem
und öffentlichem Besitz sind hervorragende Beispiele bester
Malerei beigesteuert worden: im Ganzen und im Einzelnen
eine überzeugende Vorführung wertvollster Tradition und
nicht wieder erreichter Malkultur. Courbet, Daumier, Manet,
Renoir, Toulouse-Lautrec, Degas und Cezanne repräsentieren
die Franzosen, dazu ein schöner Goya; Franz Krüger, Leibi,
Marees, Menzel, Rayski, Thoma, Trübner zeigen die deutsche
Kunst in Spitzenleistungen und bringen einige wenig be-
kannte Werke. Wenn auch mit dieser kleinen Retrospektiven
nicht gerade beabsichtigt worden ist, einen Vergleich mit der
Kunst der heute Lebenden herauszufordern, so kann der
vorurteilslose Betrachter doch nicht umhin, sich angesichts
des Aufgebotes der Lebenden Gedanken zu machen über
den chaotischen Zustand gegenwärtiger Kunstübung, in der
die Vertreter der Tradition wie Fremde inmitten der hem-
mungslos Subjektiven und vorlauten Farbenfanatiker er-
scheinen. Aus dem schier unerschöpflichen Werke Corinths
ein paar Bilder, von Liebermann und Slevogt Bildnisse letz-
ter Ausgabe, von Vogel Venezianisches, von Stuck Antikisches
und Religiöses, von Dettmann, Kampf, von Hofmann, Herr-
mann, den beiden Hübner, Mosson, Orlik, Rhein, Lepsius,
Schuster-Woldau, Weiß allerhand Beachtenswertes — daneben
mehr oder wenig Verheißungsvolles von den Jungen wie Jüng-
sten. Der Staat hat aus beiden Lagern Ankäufe gemacht:
von Ulrich Hübner, Langhammer, Jacob und von Burmann,
Partikel, Röhricht. Degner, Dressel, Hasler, Heckendorf,
Hofer, Jäckel, Mesek, Neumann, Nowak, Pechstein, Plontke,
Rössner bringen Neues bald in dekorativer Wirkung, bald
im Streben nach der „neuen Sachlichkeit“, hinter der sich
ein Wiederanknüpfen an alte Traditionen verbirgt. Unter den
Plastikern erscheint Fritz Klimsch mit einer Kollektivausstel-
lung und zeigt in der Haarflechterin sein jüngstes Werk. G.
BERLIN. In der Galerie Flechtheim ist im Juni das
„plastische Werk von von Edgar Degas“ ausgestellt. Wenn
sich auch Degas nicht für einen Plastiker hielt, so sind doch
die Wachsbosseten, die er immer gern modelliert hat aus
reiner Freude am Gestalten seiner Formbeobachtungen des
bewegten weiblichen Körpers, von größtem künstlerischen
Reiz und Wert. Einmal hat er auch eine Tänzerin im Tüll-
kleid in Bronzeguß ausgestellt. Aber was später aus seinen
geschickten und so gefühlvollen Händen an Wachsgebilden
hervorging, Tänzerinnen in verwegenen Stellungen, bewegte
Pferde sind Impressionen von verblüffender Naivität und
packender Charakteristik. Nichts ist im Hinblick auf eine
endgültige Fixierung in Bronze ausgeführt oder ausgeglichen,
alles zeigt die mit dem Ausdruck ringende Hand, ist rauh
und unruhig, alles ist lebensvolle Bewegung. Mehr als sieb-
zig solcher Formerlebnisse hat Degas in Wachs modelliert,
ohne an ihre „Befestigung“ in dauernder Bronze zu denken.
Nun hat A. A. Hebrard Abgüsse gemacht und im ganzen nur
22 Exemplare in den Handel gebracht. Der illustrierte Ka-
talog der Ausstellung enthält Beiträge in Curt Glaser und
Wilhelm Hausenstein. G.
HANNOVER. Kestnergesellschaft. Die letzte Aus-
stellung vor dem Beginn der Sommerferien bringt Bilder eines
jungen Hannoveraners. Ernst Thoms kommt von der ab-
strakten Plakatmalerei her. In seinen Landschaften beson-
ders ist diese Schulung zu spüren. Sie wirken in ihrer flächigen
Aufteilung öfters erzwungen und gewollt. Bei anderen Bil-
dern haben Dix und Groß Pate gestanden. Es gibt da veristi-
sche Sujets („Schmiere“, „Variete“), die in der glatten festen
Art der Technik besonders an Dix erinnern. Unter allen Ein-
flüssen anderer Persönlichkeiten, mit denen sich schließlich
jeder auseinanderzusetzen hat, regt sich hier eine durchaus
eigene Persönlichkeit. Das zeigen besonders die Porträts,
die wohl überhaupt das Wesentlichste von Thoms Schaffen
sind. Hier erreicht er eine Höhe und Reife wie in keinem
der anderen Werke. Mit erbarmungsloser Offenheit charak-
terisiert er, völlig objektiv, den Dargestellten. Er erfaßt jede
Persönlichkeit in ihrer intimsten Eigenart und erhebt sie
dennoch, abstrahierend, zum Typ. Das Porträt der Mutter
des Künstlers ist dafür besonders bezeichnend. Herb und
sparsam, kann es Erinnerungen an frühe Renaissancebildnisse
wachrufen. Immer ist der Hintergrund aufs engste mit dem
Dargestellten verbunden, kompositorisch sowohl als inhalt-
lich. Er ist gleichsam eine zweite Objektivierung der Per-
sönlichkeit. Man hätte gewünscht, statt der in den anderen
Räumen ausgestellten Bilder und Holzschnitte von Walter
Klemm, Weimar, noch mehr Thomsscher Werke zu sehen,
denn die Bilder dieses Fünfundzwanzigjährigen interessieren
stark durch die darin enthaltenen Versprechungen einer
weiteren Entwicklung. E. F.
LEIDEN. Anläßlich des 300jährigen Geburtstages von
Jan Steen wird diesen Sommer in seiner Vaterstadt Leiden
eine Gedächtnisausstellung veranstaltet, auf der eine große
Anzahl seiner Bilder gezeigt werden wird. Die Ausstellung soll
vom 16. Juni bis 31. August dauern. Die Einsendungen
stammen größtenteils aus Privatbesitz, wozu dann noch einige
in- und ausländische Museen kommen. Die Ausstellung
findet in der Lakenhai statt und wird etwa siebzig Bilder
umfassen, doppelt so viele als 1909 auf der Steenausstellung
in London. Die Kommission besteht aus Dr. J. C. Overvoorde,
Direktor des städtischen Museums, Leiden; Prof. Dr. W.
Martin, Haag; A. Coert und Dr. J. J. de Gelder in Leiden;
Dr. H. Schneider im Haag.
MAILAND. In dem großen Palazzo della Perma-
nente wird in diesem Frühjahr ein Querschnitt durch die
ganze zeitgenössische italienische Kunst gezeigt. Es
soll eine Umschau sein über alle Möglichkeiten, die das Land
in seiner neuen Größe gewährt. Deshalb versäumte die
Leitung auch nicht, den Bozener Egger-Linz oder gar Flecht-
heims Stern de Fiori einzuladen. Eine ganze Reihe in Paris
lebender Künstler, wie Bucci, Campigli, Cappiello, Licini,
Paresce und Tozzi vervollständigen das Bild der neuen
„italienischen“ Kunst des 20. Jahrhunderts.
Wenn man die nahezu 300 Bilder und Plastiken über-
schaut, kristallisieren sich Kräfte heraus, die tief in dem Ge-
danken des neuen faszistischen Italien verwurzelt sind. Es
ist kein Wunder, daß Mussolini an erster Stelle im Ehren-
komitee genannt wird; denn wirklich beginnt die Kunst in
Italien, erfüllt von der faszistischen Idee, sich auf ihr Eigenes
und Typisches zu besinnen. Damit sei nicht gesagt, daß
eine Kulturpropagande und Tendenzkunst im Sinne von
Georg Grosz geschaffen wird; wir finden natürlich alle nur
möglichen Einflüsse bei den verschiedenen Gruppen und
Künstlern, doch der Hauptakzent liegt in dem Bewußtwer-
den der alten Tradition und in der Erkenntnis der italie-
nischen Kunst seit der Hochrenaissance. „Rückkehr zur
großen Komposition und Harmonie der Farben“, dies ist
das Leitmotiv des staatlichen Geschmacks. Alle Erwer-
bungen für die großen Galerien - es sind ihrer nicht
wenig - zeigen diesen neuen Stil. Wenn man ein Schlag-
wort prägen soll, so ist es eine neue Renaissance, die diese
Kunst erfüllt, eine Rückkehr zu der Größe alter Meister,
vielleicht auch eine „neue Sachlichkeit“. Doch diese „Sach-
lichkeit“ kann dem italienischen Temperament entsprechend
nie Selbstzweck sein. Sie ist nur der Gegenstoß gegen die
Futuristen, die in Italien zuerst ihr Werk begannen und die
heute, in dem kleinsten Kabinett der Ausstellung zusammen-
gedrängt, einem rühmlosen Ende entgegensehen. Die neue
Sachlichkeit der Italiener bleibt nie eine nackte Darstellung;
immer tritt die Eleganz des Südländers als das Erbe antiken
Lebensgefühles in Farbe und Komposition in Erscheinung.
Das geistige und künstlerische Zentrum Italiens liegt heute
in Mailand. Rom war nur in Zeiten katholischer Vorherr-
schaft der Sammelpunkt der künstlerischen Kräfte. Mailand
bedingt schon durch seine Lage und seine Geschichte eine
starke Wechselbeziehung zur französischen Kultur. Auch
heute noch sind Corot und Cezanne die geistigen Paten der
Mailänder Künstler. Rosso zeigt in seinen Plastiken aus
Stuck und Wachs Eindrücke Pariser Boulevards aus dem
Anfang unseres Jahrhunderts. Agazzi, Funi undSironi