Ruffifche Ausftattung
519
fidi alle Geilter ihrer Kunft ausleben kön®
nen, Maler mit feltener Harmonie der In®
ftinkte erfanden für Stimmung, Rhythmen,
Tanz diefe Dekorationen und Koftüme, nicht
als Rahmen, Hintergrund, Beiwerk — fie
waren fo voll von ihrer Aufgabe, wie Tän®
zer und Mufiker von der ihren: und fo ge®
nießen Auge, Ohr, innerer Rhythmus die
gleichen Erregungen und werden heimifch
in allen Spannungen und Launen eines
Elements, das uns noch feiten fo unge®
trübt erfchienen ift: echtes Theater!
Das Niveau der Tänzer ift an lieh
hoch, ohne daß lieh gerade einer befonders
beglückend heraushöbe. Boris Romanoff
hat diefe Pantomimen erfonnen und hat
die offenbare Fähigkeit, mit feinen tan®
zenden und bildenden Talenten die aus®
drucks vollften, wirkfamften, förderndften
Kniffe zu finden. Die Kurve, auf der
Dianens Jagd im Hintergrund vor der
Ornamentik des Himmels hinfaulf, jedes®
mal durch die gefenkte Ebene in Schwung
gebracht und verfiärkt, ift lolch kleines
Bühnenwunder, das nur den Sonntags®
kindern in diefern Reich einfällt/ dies ruf®
fifche Theater fcheint deren mehr an fich ge®
felfelt zu haben, als wir bei uns im ganzen
wirkfam fehen. Hier hat lieh der alte Spiel®
trieb, dem die Bühne mehr Leben und wahre
Wirkung als aller großen Kunlt verdankt,
erhalten und wird vom jungen Infiinkt in
wundervoller Ergänzung neu belebt. So
iirömen hier alle Kräfte zu orcheltraler
Einheit ineinander und ein ficherer Griff
trifft gerade, was in aller angewandten
Kunlt das feltenffe geworden ift: das
Paffende.
Es mag fich um Maske und Geftalt
eines Satyrs, um die getanzte Ouvertüre
zur Kraftprobe zweier Frauenherzen, um
die Lavaglut einer fpanifchen Szene oder
um das graufig kultifch geftimmte aflyrifche
Tempelopfer handeln: mit einem Akkord
von Farben in Kuliflen, Kleid, Gruppe ilt
die Stimmung getroffen, im Schnitt der Ko®
ftüme bis in Volants und Futter die Hand«
lung, ihr befonderer Rhythmus bedacht,
in der lafierenden Beleuchtung find Ton®
art, Tempo, Stimmung zufammengehalten
und fo verfiärkt. Hier ift der Scheinwerfer
und das Rampenlicht noch nicht der Detek®
tiv für alle Gebrechen der Spieler, fondern
mitverfchworen im Bund, Illulion zu wecken.
Bei uns haben die Theatertechniker längft
Kreislers Appell beherzigt, »die unwahr®
haftigen Machenfchaften von Dichtern,
Mufikern und Malern, die darauf abzielen,
uns in eine andere Welt zu entrücken,
ad absurdum zu führen.«
Diefe Kunlt hat noch die Fähigkeit der
Andeutung, des Spiels, und davon unzer®
trennlich den Sinn für Farbe: Ein Prolog
oder die Ouvertüre zur »Tänzerin und
Räuberin«: Der Vorhang in wilder Teilung,
grau und cumberlandrot. Zwei Damen
im Directoirekoftüm maskiert, fchwarzer
Caraco zu rofa®weiß geftreiftem Rode, die
andere im Caraco von trübem rot zum
grauen Kleid. So ftehen fie jede gegen
ihre Ergänzungsfarbe, die rote vor grau,
die milde vor rot, mit dem Fleurett zum
Duell,- fie grüßen zu Mozarts Menuett,
fie kreuzen die Klingen und bei Aus®
fall und Parade enthüllt fich ein graues
Futter im Rampenlicht zu fchmeichelnder
Vieltönigkeit, die Seide bricht und glänzt
und wie fo mit wahrer NoblelTe in diefen
anfpruchsvollen Koftümen ihr Vor und
Zurück her und hin wogt, fo fragen wir
uns,-wie weit es zurückliegen mag, daß
man ein langes Kleid mit folchem Anlfand
auf der Bühne tragen fah.
Dann das ergötzliche Spiel von »Räu®
berin und Tänzerin«. Ein wildes Revo®
lutionskoftüm von Leo Zack mit unglaub®
lieber Sicherheit im Technifchen aufs Ballett®
kleid projiziert: fchwarzer Samtfchoßrock
mit enger Taille, kurze wehende Chiffon®
röckchen in Grau und gebrochenen Färb®
tönen wechfelnd und halbhohe Stulpenftiefel
am fchlanken Bein. Und dies alles klingt
zufammen mit dem echten Ballettkoftüm der
unter die Räuber verfchneiten Tänzerin in
eine unmöglich luftige biaufilberne Mond®
nacht hineingeweht zu den köfilichften
Akkorden.
Mit dem Stil der alten Kunlt zu fpielen
wußten die Ruffen fchon immer, ohne
klaffiziltifch langweilig zu werden, weil fie
ihr Wefen poetifch faßten. Dies alTyrifche
Tempelopfer, vonT fchelifchtfcheff entworfen,
war von Romanoff wahrhaft: gebildet in
feiner fchweren rhythmifchen Gebundenheit
bewegt,- märchenhaft diefe im Zickzack
anffeigende, von ftarren Prieftern und
519
fidi alle Geilter ihrer Kunft ausleben kön®
nen, Maler mit feltener Harmonie der In®
ftinkte erfanden für Stimmung, Rhythmen,
Tanz diefe Dekorationen und Koftüme, nicht
als Rahmen, Hintergrund, Beiwerk — fie
waren fo voll von ihrer Aufgabe, wie Tän®
zer und Mufiker von der ihren: und fo ge®
nießen Auge, Ohr, innerer Rhythmus die
gleichen Erregungen und werden heimifch
in allen Spannungen und Launen eines
Elements, das uns noch feiten fo unge®
trübt erfchienen ift: echtes Theater!
Das Niveau der Tänzer ift an lieh
hoch, ohne daß lieh gerade einer befonders
beglückend heraushöbe. Boris Romanoff
hat diefe Pantomimen erfonnen und hat
die offenbare Fähigkeit, mit feinen tan®
zenden und bildenden Talenten die aus®
drucks vollften, wirkfamften, förderndften
Kniffe zu finden. Die Kurve, auf der
Dianens Jagd im Hintergrund vor der
Ornamentik des Himmels hinfaulf, jedes®
mal durch die gefenkte Ebene in Schwung
gebracht und verfiärkt, ift lolch kleines
Bühnenwunder, das nur den Sonntags®
kindern in diefern Reich einfällt/ dies ruf®
fifche Theater fcheint deren mehr an fich ge®
felfelt zu haben, als wir bei uns im ganzen
wirkfam fehen. Hier hat lieh der alte Spiel®
trieb, dem die Bühne mehr Leben und wahre
Wirkung als aller großen Kunlt verdankt,
erhalten und wird vom jungen Infiinkt in
wundervoller Ergänzung neu belebt. So
iirömen hier alle Kräfte zu orcheltraler
Einheit ineinander und ein ficherer Griff
trifft gerade, was in aller angewandten
Kunlt das feltenffe geworden ift: das
Paffende.
Es mag fich um Maske und Geftalt
eines Satyrs, um die getanzte Ouvertüre
zur Kraftprobe zweier Frauenherzen, um
die Lavaglut einer fpanifchen Szene oder
um das graufig kultifch geftimmte aflyrifche
Tempelopfer handeln: mit einem Akkord
von Farben in Kuliflen, Kleid, Gruppe ilt
die Stimmung getroffen, im Schnitt der Ko®
ftüme bis in Volants und Futter die Hand«
lung, ihr befonderer Rhythmus bedacht,
in der lafierenden Beleuchtung find Ton®
art, Tempo, Stimmung zufammengehalten
und fo verfiärkt. Hier ift der Scheinwerfer
und das Rampenlicht noch nicht der Detek®
tiv für alle Gebrechen der Spieler, fondern
mitverfchworen im Bund, Illulion zu wecken.
Bei uns haben die Theatertechniker längft
Kreislers Appell beherzigt, »die unwahr®
haftigen Machenfchaften von Dichtern,
Mufikern und Malern, die darauf abzielen,
uns in eine andere Welt zu entrücken,
ad absurdum zu führen.«
Diefe Kunlt hat noch die Fähigkeit der
Andeutung, des Spiels, und davon unzer®
trennlich den Sinn für Farbe: Ein Prolog
oder die Ouvertüre zur »Tänzerin und
Räuberin«: Der Vorhang in wilder Teilung,
grau und cumberlandrot. Zwei Damen
im Directoirekoftüm maskiert, fchwarzer
Caraco zu rofa®weiß geftreiftem Rode, die
andere im Caraco von trübem rot zum
grauen Kleid. So ftehen fie jede gegen
ihre Ergänzungsfarbe, die rote vor grau,
die milde vor rot, mit dem Fleurett zum
Duell,- fie grüßen zu Mozarts Menuett,
fie kreuzen die Klingen und bei Aus®
fall und Parade enthüllt fich ein graues
Futter im Rampenlicht zu fchmeichelnder
Vieltönigkeit, die Seide bricht und glänzt
und wie fo mit wahrer NoblelTe in diefen
anfpruchsvollen Koftümen ihr Vor und
Zurück her und hin wogt, fo fragen wir
uns,-wie weit es zurückliegen mag, daß
man ein langes Kleid mit folchem Anlfand
auf der Bühne tragen fah.
Dann das ergötzliche Spiel von »Räu®
berin und Tänzerin«. Ein wildes Revo®
lutionskoftüm von Leo Zack mit unglaub®
lieber Sicherheit im Technifchen aufs Ballett®
kleid projiziert: fchwarzer Samtfchoßrock
mit enger Taille, kurze wehende Chiffon®
röckchen in Grau und gebrochenen Färb®
tönen wechfelnd und halbhohe Stulpenftiefel
am fchlanken Bein. Und dies alles klingt
zufammen mit dem echten Ballettkoftüm der
unter die Räuber verfchneiten Tänzerin in
eine unmöglich luftige biaufilberne Mond®
nacht hineingeweht zu den köfilichften
Akkorden.
Mit dem Stil der alten Kunlt zu fpielen
wußten die Ruffen fchon immer, ohne
klaffiziltifch langweilig zu werden, weil fie
ihr Wefen poetifch faßten. Dies alTyrifche
Tempelopfer, vonT fchelifchtfcheff entworfen,
war von Romanoff wahrhaft: gebildet in
feiner fchweren rhythmifchen Gebundenheit
bewegt,- märchenhaft diefe im Zickzack
anffeigende, von ftarren Prieftern und