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Lrscheint

monatlich zweimal.

Restellgeld: 1 M. 60 Vk. vterteljädrl.

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-^0 j)s. f. d. Hgesp. Petitzeile.

Nundscbau

* I" dcr Sitzung des Dresdner IkuilStge-
werbeveretns vom s. Zanuar sprach Freiherr v.
Mansberg über die Llächenornamentik des
Grients, Iran und seine Teppicherzeugung.
Der Saal war mit prachtvollen großen und kleinen
orientalischen Teppichen, gegen 40 an der Zahl, die
aus privatbesitz wie aus dem Dresdner Runstgewerbe-
museum stanmiten, geschmückt. Der Redner schildertc
zunächst eingehend das Land Zran (Ariana), d. h. das l
Land der Aricr, nach seiner Bodcnbeschaffenheit und
Geschichte, wobei cr besonders der Dynastie der
Sassaniden (scit 226 n. Thr.) gcdachte, deren werk-
tätigem Sinne ftir Ge'werbe, Runst und wissenschaft
es persien zu danken hat, daß es noch heute als das
geistige Liaupt im Grient dasteht, vou dem die vor-
derasiatischen Länder künstlerisch abhängig sind. Die
bereits zur Zeit der Diadochen im Abendlande hoch-
geschätzte Textilkunst des Grients nahm durch die
Sassanideu iu Zran einen ganz neuen Aufschwung.
Sie suchten durch große königliche Manufakturen gute
Nuster zu liefern, veranlaßten auch gricchische weber
aus Tvrus und Berytus, nach Iran auszuwandern.
Tine ganz neue Guelle des wohlstandes ward durch
die Tinführung des Seidenbaucs geschaffen, besonders
im Norden Zrans, wo er noch heute in Blüte steht.
Zrans Kunstleistunge» gewannen die weittragendste
wirkung auf die Araber, als diese im 7. Zahrhundert
die Lserrschaft der Sassaiüden stürzten. Die Araber, >
die in ihren wüsten gewiß keine monumentale Aunst
besaßen, haben mit merkwürdiger Schnelligkcit eine
ganz charakteristische Runst aus dem von anderen
völkern Lntlehnten gebildet. 2lus der Runst der Bc- l
siegten, die beeinflußt wurde durch den mächtigen Geist
des Zslams, entstand die sogenannte sarazenische l
Aunst, welche in Nordafrika, Spanien, Sicilien, in
vorderasien, Tentralasien und Nordindien eine gewisse
gemeinsame Sprache redet. Zn Zran begann diese
neue Runst; hier verschmolzen um die wende des 8.
und y. Zahrhunderts arische und semitische Anschau-
ungen. Zur üppigsten Blüte aber kani in allen den

neuen islamitischen Ländern gemäß dem Tharakter
und der Religion der Lroberer die ornamentale
Kunst. Dic ganze orientalische Kunstweise ist durch-
weg oniamental, auf den Lindruck, auf die Stimmung
berechnet, es fesselt uns in ihr die ganze Lsarmonie;
das einzelne, so wunderbar geschickt es oft gemacht
ist, nur sowcit es für die Gesamtwirkung berechnet ist;
es soll unsere Teilnahme nur insoweit fesseln, als das
Auge mit wohlgefallen darauf ruhen kann, ohne ge-
bunden zu sein. So stand denn zu allen Zeiten das
Abendland mit seinem Bedürfnis nach individueller
Gestaltung schroff gegenüber dem Ntorgenland mit
seiner phantasie, die sich vorzugsweise in harmonischer
Flächenornamentik zu ergehen beliebt. Znsbesondere
dem Araber verdanken wir jene zauberhaft ver-
schlungenc, glühendc Vrnamentik, die mit dem dürren
Namen geomctrisches Band- und Flechtwerk bezeichnet
wird. Des Arabers hohes verständnis für die mathe-
matischen wissenschaften mag immerhin damit im Zu-
sammenhangc stehen, allein man ist eher versucht, wie
bei seiner Architektur, an die Trinnerungen aus dem
Nomadcnleben zu denken. Die gespannten Seile des
Zeltes, das Schnur- und Bandwerk der Kleider und
waffen, die wirkungen von Turban und Schal, die
gegen Znsekten gezogenen Netze, selbst das Spiel mit
dem Nosenkranz mag auf die Lntstehung dieser Grna-
mentik eingewirkt haben, aber nicht minder auch der
von dem Propheten selbst in den letzten beiden Ssuren
des Korans sanktionirte altorientalische Glaube an
übernatürliche mit dem Nestelknüpfen und Rnoten-
schürzen verbundene Kräfte.

Bei einem für alles Nnbegreifliche äußerst empfäng-
lichen volke mochten solchem Aberglauben allcrdings
die netzartig verschlungenen verzierungen, die Rnoten-
und Flechtwerke entsprechen, welche als magische Rreise,
als kabbalische Figuren Geltung haben konnten, wie
denn der Araber es liebt, geheimnißvoll und versteckt,
mit einem oft unheimlichen Naffinement seinen Ge°
fühlen Ausdruck zu verleihen.

Nur aus dein ganzen Sinn und wesen der Kinder

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