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DslbmonNtUcbe Ikundsckau.

'Anter Mttwlrkung des Wegründers zferdtnnnd Nvennrtus berausgegebcn von

pnul Lckumnnn.

l. /IbNi-Dett 1693. Dritter Aklbrgring.

Lrscheint Anfang und
Mitte jeden Monats.

Westellgeld: t lD. 60 pk. vierteljübrl.

Anzeigen:

40 pf. f. d. -tgesp. petitzeile.

Nundscbau

* Isruitstgexverblicbe Lcbul- nnd Vrwut-
Ateliers.

Rann und soll die vorzüglichste Ausstattung der
Runstgewerbeschulen mit Ateliers genügen, um die
Ausbildung der reiferen Schüler in Privat-Ateliers zu
ersetzen? Sachverständige antworten mit Nein und
zwar aus folgenden triftigen Gründeri: t) Ls geht
nicht an, für jeden Runst-Industriezweig die besten
Zeichner als Lehrer zu ernennen. 2) Die Beamten-
thätigkeit erlaubt nicht die volle Freiheit, die oft im
verkehr mit den Fabrikanten notwendig ist sz. B.
Ronferenzen in entlegenen Fabriken). 3) viele gut
situirte Zeichner arbeiten lieber frei und ungebunden,
als daß sie sich Regulativen unterwerfen. Selbst
die besten Zeichner können ermatten, oder durch eine
andere Nichtung überholt werden. —

!Vir wollen gern zugeben, daß es einige Ateliers
an Runstgewerbeschulen giebt, die in jeder Hinsicht
zu loben sind, aber es sind „Ausnahmen". N)ir
beobachten ferner, daß solche Ausnahmen verhältnis-
mäßig mehr in Rleinstaaten zu sinden sind, da die
Rücksichtnahme auf künstlerische Zndividualitäten in
Großstaaten seltener ist. Zn letzteren herrscht der
paragraxh oder die Diktatur Solcher, die keine Fach-
leute sind. — Fassen wir die Gegensätze ins Auge,
die wir in freien und in Schul-Ateliers vorfinden. In
freien Ateliers ist die Romposition brauchbarer
d. h. verkäuflicher Zeichnungen das Alpha und Gmega.
Nebenzwecke, daß der Lehrling zugleich eine all-
gemeine Ausbildung erhält, giebt es nicht. Dafür
ist die Schule da, für welche zwei halbe Tage in der
kvoche u»d ferner die Sonntage und Abendstunden
ausgenutzt werden können. Nach der Fähigkeit erhält
der Lehrling die einfacheren und später die schwierigeren
Aufgaben. So rückt er technisch und artistisch Stufe
für Stufe aufwärts, bis er Gehülfe und im besten
Falle selbst Nteister wird. Letzterer Lasus ist freilich
der seltenere, und das ist auch kein Übel, denn ein
richtiges Atelier besteht aus einem Meister und zahl<
reichen Gehülfen. Der Verkehr mit den Fabrikanten,

das Suchen neuer Nlotive, das verfolgen der neuen
Richtungen der Ronkurrenz usw. verlangt eine ähn-
liche Arbeitsteilung, wie sie z. B. ein Nechtsanwalt
in seinem Bureau hat. kvie eng mnßte er seine
Sphäre einschränken, müßte er seine Akten selbst
schreiben und extra an einer Schule täglich Unterricht
geben. Noch weniger würde es behagen, wenn ein
vorgesetzter sein Bureau zeitweilig inspizirte und
jährlich die Resultate veröffentlicht würden. Zugegeben,
daß das Beispiel etwas hinkt und daß wohlwollende
vorgesetzte fede Unannehmlichkeit dem Rünstler ver-
meiden und sein wirken ehren und unterstützen, so
sind doch auch Fälle nicht nur denkbar, sondern
konstatirt, in denen Unverstand und Unduldsamkeit die
Zügel führen. Ze höher ein Rünstler sich und sein
wirken achtet, um so mehr wird er in solchen Fällen
den amtlichen Brodkorb verschmähen, um ein freier
Utann zu bleiben. Die Lrfahrung lehrt uns, daß die
Bureaukratie nur dann die fachlichen Autoritäten
respektirt, wenn sie sich durch Angriffe schädigen
würde. So sind es also nur die Ulänner der kvissen-
schaft an Universitäten und berühmte Uialer an
Akademien, welche frei schaffen dürfen und doch zu-
gleich Beamte sind. Daß im Runstgewerbe dieses
Zdeal überall verwirklicht wird, glaubt dsr größte
Gptimist nicht, denn es ist lediglich ein glücklicher Zu-
fall, wenn der höchste vorgesetzte fachliches Verständnis
mit kollegialischer Gesinnung vereinigt.

Line Schattenseite der Atelier-Ausbildung soll die
Einseitigkeit sein, denn sie erreicht nicht die Universalität
einer großen Runstgewerbeschule. Bei dieser Be-
leuchtung ist zu betonen, daß Atelier und Atelier sehr
verschieden sein können. Das eine Atelier beschränkt
sich auf wenige kleine technische Artikel, das andere
umfaßt große artistische Hauptgebiete. Nach seiner
Begabung hat der Schüler freie kvahl. Zmmerhin
ist es besser für ihn, das Atelierzeichnen praktisch
durchgemacht zu haben, als nur vielerlei halb und
halb zu verstehen. — Zu denken giebt, daß das, was
wir in Uiuseen als mustergültig ausstellen, aus Ateliers

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