DAlbmonstltcke Ikundscbau.
'Anter /iditwtrkung des Wegründers Ferdtnand Nvenrrrius berausgegeben von
paul Scbumunn.
t. Zunt-Detl 1893. Drttter Aabrgang.
Lrscheint Anfang und
Mitte jeden Nonats.
Westellgeld: t !D. 60 Dk. vierteljübrl.
Änzeigen:
-40 Pf. f. d. -t gesx. Petitzeile.
Nundsckau.
* Dte Stellung der Nbusterzelcbner in
DeutscblkNtd.
Alitte Iuli findet in Dredsen die erste Ausstellung
der 2lrbeiten der deutscheu Musterzeichner statt.
Zum ersten Nlale wird Gelegenheit geboten, das
Schaffen derjenigen Grnamcntisten kenneu zu leruen,
die für Druck- und Textil - Zndustrien thätig sind.
Seitdenr viele dieser Zeichner sich in Leipzig zu
Gstcru t892 versammelten und einen lhauptverein
mit Zweigvereinen bildeten, erstarkte der plan einer
Zlusstellung. löcrr professor L. Rumsch in Dresden
ermutigte uuter der Ägidc des Lserrn Lsofrats professor
Graff und übernahm die geschäftliche Lührung des
Ilnternehmens. IVas vielseitig in der gut redigirten
vereinszeitung „Der Alusterzeichner" (herausgegeben
von Theodor Alartin in Leipzig) beleuchtet ist, kommt
zu wenig in den großen Rreis der Runstfreunde, und
es ist somit wohl zeitgemäß, einige Lragen von großer
allgemeiner Bedeutung auch au dieser Stelle zu be-
leuchten.
Das lVort „Muster" gehört zu den dehnbarsten,
denn was ist nicht Alles im Lrnst wie im Scherz, im
Großen wie im Rleinen „mustergültig" ? Lin Aluster-
zeichner kann also auch sehr verschieden taxirt werden.
Zn der Schweizer Alaschinen-Zndustrie werden mehr
als eine halbe Alillion „Alüsterle" alljährlich für die
neue Alode gestickt, und somit werden noch mehr Aluster
dort gezeichnet, da nur das Ausgewählte ausgeführt
wird. von den tausend dort beschäftigten Zeichnern
verdienen nur wenige den Namen „Rünstler".
Lin anderes Beisxiel: Alljährlich wirft die Tuch-
industrie neue Rlcidermuster aut den Alarkt. Linige
Streifen, punkte und Schattirungen siud in Bezug auf
Lorm und Larbe maßgebend. Die künstlerischs Zuthat
ist fast Null, jedoch das Techuische schwieriger als man
glaubt. Auch diese Lrfindcr heißen Musterzeichner.
wir werden das Richtige bezeichnen, wenn
wir diejenigen, die nüt künstlerischer potenz die auf
lviederholung berechneten Zeichnungen für die Textil-
und Druck-Zndustrien schaffen, die cigentlichcn Aluster-
zeichner nennen. Lo verwandt die konkurrirenden
Gruppen sind, so ergiebt sich doch bald der Unter-
schied. Der Architekt entwirft ebenfalls Grnamente
zur Ausschmückung der Außenseite der Gebäude und
der Znnenräume, aber er beschränkt sich in der Negel
auf das Bleibende, Nkonumentale. Nur wenn ein
sehr reicher, hochgestellter Bauherr Alles aparter,
harmonischer, künstlerischer und gediegener als die
Alarktware verlangt, sucht sich der Architekt durch
strengere Auswahl oder, wenn's glückt, mit cigenen
Lntwürfen zu helfen. Leitdem gut geschulte Archi-
tekten und Dekorateure in den letzten Zahrzehnten zu
Diensteu stehen, konnnen Lehlversuche seltener vor.
Aus meinen lviener Lrinnerungen weiß ich noch, wie
Gberbaurat von bsansen offen gestand, daß er zu ein-
seitig als Architekt das griechische-plastische Grnament
verwerte und die so reizenden geometrischen Lpielereien
der orientalischen Ltickerei nur bewundern aber nicht
erreichen könne. Gberbaurat Lr. Lchmidt verlangte
meine Mitwirkung, da die in seinem Atelier entworfenen
Tapeten so steinern ausgefallen waren, als sollten sie
gemeißelt statt gedruckt werden. Gewiß ist es auch
für Architekten ein angenehmes Gefühl, recht gang-
bare Aluster entworfen zu haben, aber in der Negel
werden ihre Lntwürfe nur deshalb von den Labrikanten
angenommen, weil die Architekten große lohnende Auf-
träge geben, oder weil man erwartet, etwas ganz
Apartes zu erhalten. Die Lnttäuschung bleibt selten
aus, denn der Architekt arbeitet nüt zu geringer Renntnis
der Technik, des Nlateriales und des schon Lrprobten.
Zst er auch einigcrmaßen an Grnamente gewohnt, die
durch die lviederholung wirken, so macht er doch in
der Negel denselben Lehler wie der Alaler, nämlich
Nlotive zu wählen, die durch die IViederholung ver-
lieren. Also einerseits das, was nicht gehauen noch
gestochen ist, was zu schwerfällig an Zirkel und Lineal
erinnert, und andererseits der Nlangel an Übung, der
Dilettantismus auf unbekanntem Gebiete, charakterisirt
die Nlusterzeichnerei der Architekten. Danüt soll aber
nicht gesagt sein, daß die Nlitwirkung derselben über>
— I4S
'Anter /iditwtrkung des Wegründers Ferdtnand Nvenrrrius berausgegeben von
paul Scbumunn.
t. Zunt-Detl 1893. Drttter Aabrgang.
Lrscheint Anfang und
Mitte jeden Nonats.
Westellgeld: t !D. 60 Dk. vierteljübrl.
Änzeigen:
-40 Pf. f. d. -t gesx. Petitzeile.
Nundsckau.
* Dte Stellung der Nbusterzelcbner in
DeutscblkNtd.
Alitte Iuli findet in Dredsen die erste Ausstellung
der 2lrbeiten der deutscheu Musterzeichner statt.
Zum ersten Nlale wird Gelegenheit geboten, das
Schaffen derjenigen Grnamcntisten kenneu zu leruen,
die für Druck- und Textil - Zndustrien thätig sind.
Seitdenr viele dieser Zeichner sich in Leipzig zu
Gstcru t892 versammelten und einen lhauptverein
mit Zweigvereinen bildeten, erstarkte der plan einer
Zlusstellung. löcrr professor L. Rumsch in Dresden
ermutigte uuter der Ägidc des Lserrn Lsofrats professor
Graff und übernahm die geschäftliche Lührung des
Ilnternehmens. IVas vielseitig in der gut redigirten
vereinszeitung „Der Alusterzeichner" (herausgegeben
von Theodor Alartin in Leipzig) beleuchtet ist, kommt
zu wenig in den großen Rreis der Runstfreunde, und
es ist somit wohl zeitgemäß, einige Lragen von großer
allgemeiner Bedeutung auch au dieser Stelle zu be-
leuchten.
Das lVort „Muster" gehört zu den dehnbarsten,
denn was ist nicht Alles im Lrnst wie im Scherz, im
Großen wie im Rleinen „mustergültig" ? Lin Aluster-
zeichner kann also auch sehr verschieden taxirt werden.
Zn der Schweizer Alaschinen-Zndustrie werden mehr
als eine halbe Alillion „Alüsterle" alljährlich für die
neue Alode gestickt, und somit werden noch mehr Aluster
dort gezeichnet, da nur das Ausgewählte ausgeführt
wird. von den tausend dort beschäftigten Zeichnern
verdienen nur wenige den Namen „Rünstler".
Lin anderes Beisxiel: Alljährlich wirft die Tuch-
industrie neue Rlcidermuster aut den Alarkt. Linige
Streifen, punkte und Schattirungen siud in Bezug auf
Lorm und Larbe maßgebend. Die künstlerischs Zuthat
ist fast Null, jedoch das Techuische schwieriger als man
glaubt. Auch diese Lrfindcr heißen Musterzeichner.
wir werden das Richtige bezeichnen, wenn
wir diejenigen, die nüt künstlerischer potenz die auf
lviederholung berechneten Zeichnungen für die Textil-
und Druck-Zndustrien schaffen, die cigentlichcn Aluster-
zeichner nennen. Lo verwandt die konkurrirenden
Gruppen sind, so ergiebt sich doch bald der Unter-
schied. Der Architekt entwirft ebenfalls Grnamente
zur Ausschmückung der Außenseite der Gebäude und
der Znnenräume, aber er beschränkt sich in der Negel
auf das Bleibende, Nkonumentale. Nur wenn ein
sehr reicher, hochgestellter Bauherr Alles aparter,
harmonischer, künstlerischer und gediegener als die
Alarktware verlangt, sucht sich der Architekt durch
strengere Auswahl oder, wenn's glückt, mit cigenen
Lntwürfen zu helfen. Leitdem gut geschulte Archi-
tekten und Dekorateure in den letzten Zahrzehnten zu
Diensteu stehen, konnnen Lehlversuche seltener vor.
Aus meinen lviener Lrinnerungen weiß ich noch, wie
Gberbaurat von bsansen offen gestand, daß er zu ein-
seitig als Architekt das griechische-plastische Grnament
verwerte und die so reizenden geometrischen Lpielereien
der orientalischen Ltickerei nur bewundern aber nicht
erreichen könne. Gberbaurat Lr. Lchmidt verlangte
meine Mitwirkung, da die in seinem Atelier entworfenen
Tapeten so steinern ausgefallen waren, als sollten sie
gemeißelt statt gedruckt werden. Gewiß ist es auch
für Architekten ein angenehmes Gefühl, recht gang-
bare Aluster entworfen zu haben, aber in der Negel
werden ihre Lntwürfe nur deshalb von den Labrikanten
angenommen, weil die Architekten große lohnende Auf-
träge geben, oder weil man erwartet, etwas ganz
Apartes zu erhalten. Die Lnttäuschung bleibt selten
aus, denn der Architekt arbeitet nüt zu geringer Renntnis
der Technik, des Nlateriales und des schon Lrprobten.
Zst er auch einigcrmaßen an Grnamente gewohnt, die
durch die lviederholung wirken, so macht er doch in
der Negel denselben Lehler wie der Alaler, nämlich
Nlotive zu wählen, die durch die IViederholung ver-
lieren. Also einerseits das, was nicht gehauen noch
gestochen ist, was zu schwerfällig an Zirkel und Lineal
erinnert, und andererseits der Nlangel an Übung, der
Dilettantismus auf unbekanntem Gebiete, charakterisirt
die Nlusterzeichnerei der Architekten. Danüt soll aber
nicht gesagt sein, daß die Nlitwirkung derselben über>
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