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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 9
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Mielke, Robert: Noch ein Wort zur Stilfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0152
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Hoch ein IDort zur ^tilfrage.')

Don Robert Rcielkc.

Es ist schon viel über dieses Thema ge-
schrieben und gesprochen worden, ohne daß je-
doch diese theoretischen Erörterungen irgend
welchen Erfolg aufzuweisen hätten, es sei denn
den negativen, daß wir, resp. auch die Znknnft
anf die Schöpfnng eines eigenen Stiles zu ver-
zichten hütten. Erst in neuerer Zeit scheint die
Erkenntnis durchzubrechen, daß man dem schaffcn-
den Knnstler selbst die Jnitiative zu überlasscn
hätte, der dann schon den richtigen Weg bei
unserer solchen Bestrebnngen entgegenkommen-
den Zeit finden würdc. Dann werden auch alle
auf Hebung des Kunstgewerbes gerichteten Maß-
regeln den Zug der Zeit berücksichtigen, vor-
zugsweise aber die Schulen sich mit ihm be-
freunden müssen. Je eher dies geschieht, um
so besser für das Kunstgewerbe, und erfreulich
ist es, zu bemerken, daß sich die Stimmen
mehren, welche Abänderung der bisher geübten
Methode zur Aneignung von Stil- und Formen-
sinn dringen.

Es soll uicht der Zweck dieser Zeilen sein,
die Materie hier eingehend zu behandeln; dazu
fehlt es hier au Raum, und ich verweise auf
eine demnächst erscheinende Schrift,^) die die-
selbe ausführlicher untersucht. Vielmehr wollen

1) Der Aufsatz auf S. 74 des Kunstgewerbeblatts
hat uns eine Anzahl Artikel zugeführt, denen wir
mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Frage allmählich
Raum geben, um verschiedene Auschauungen zu Worte
kommen zu lasseu. Die Red.

2) R. Mielke: Die Münchener Kunstgewerbe-
Ausstellung iu Bezug auf Sttl- und Zeichenunter-
richt. Berlin 1880. Claesen L Co.

wir aus der Fülle der Erscheinungen auf knnst-
gewerblichem Gebict cinigc heraussondern, welche
uns einerseits den Beweis liefern, daß die Gegen-
wart sich durchans nicht bloß anf das Nachahmen
beschränkt, andrerseits aber Anhaltspnnktc für dic
künftige Gestaltnng dcs Unterrichts geben.

Unser Knnsthandwerker ist Eklektiker, er
kennt alle Stile nnd weiß sie zn verwenden:
aber in diesem zncrst planlosen Dnrcheinander
vollziehen sich bestimmt Gruppirungen um einen
Mittelpunkt, der durch die Blütc eiues Ge-
werkes repräsentirt wird. So gehen der Tape-
zierer und der Dckorateur, die Porzellan- und
Rahmenfabrikativn mit Vorliebe anf ihre höchste
Blüte, d. h. anf das Nokoko zurück, währcnd
der Tischler dic Rcnaissance, die Textilknnst
den Orient bevorzugt. Wir könneu »och wciter
gehen und behaupten, daß selbst der einzelne
Gegenstand im allgemeinen den Vvrbildern
seiner Blütezeit folgt. So der Fächer, der
Schmuck denen des Rokoko, dcr Krug denen
der Nenaissance, der Theetisch den japanischen
u. s. w. Umgckehrt fiudeu wir, daß Gcgeu-
stände, welche unsere bedürfnisreiche Zcit erst
hat entstehen lasscn, sich allen Stilgesctzen (im
engeren Siuue) zu entziehen bestreben und auf
das ursprünglichste Vorbild, die Natur zurück-
gehen, z. B. elektrische Kronleuchter als leuch-
tende Blumen, Früchte, Sterne n. s. f.

Betrachten wir hingegen die Ansführnng
solcher Stücke, gleichviel in welchem Stile sie
auch beabsichtigt war, so ergebeu sich hier Ab-
weichungen von den ursprüuglichen Vorbildern,
die nicht nur dnrch das Material und den verän-
 
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