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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Kisa, Anton Carel: Der Schatz im Schlosse zu Detmold
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0055

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DER SCHATZ IM SCHLOSSE ZU DETMOLD.

bedeckte Vorderseite trägt auf vergoldeten, von
Amoretten gehaltenen Teppichgründen drei Ziffer-
blätter. Über dem mittleren Zifferblatt setzt an
einer Gruppe, Apollo mit Hygieia, der in einer
Kartusche mit Engelsköpfchen endigende Pendel an.
Ringsum ist reicher Figurenschmuck,Musen darstellend,
aufgesetzt. Den oberen und unteren Teil der Vor-
derseite schmückt eine figurenreiche Reliefdarstellung
mit teilweise ganz frei gegossenen und auf den flacher
getriebenen Grund aufgesetzten Figuren. Das Ganze,
von einer Merkurfigur bekrönt, ist in "Weißsilber
gehalten. Komposition und Technik von großer
Virtuosität. Den reichgegliederten, mit Schildpatt
fournirten Sockel schmücken aufgelegte silberne
Kartuschen und Bandornamente barocken Stiles in
durchbrochener Arbeit. Sie umrahmen drei weib-
liche Medaillonbildnisse in Intarsia von Elfenbein,
Ebenholz und Perlmutter. Schönes durchbrochenes
Messingornament bewahrt das Gehäuse. Hier hat
sich auch der Verfertiger verewigt, Markus Böhm
in Augsburg, doch ohne Jahreszahl. Ob wir uns
darunter den Mechaniker oder den Künstler oder
beide in einer Person vorzustellen haben, bin ich
leider nicht in der Lage zu entscheiden.

Erwähnt sei hier noch eine emaillirte Taschen-
uhr, aus derselben Zeit stammend, mit biblischen
Scenen und Landschaften, als Werk der Maler
Freres Hiiaut bezeichnet, umgeben von einem Schutz-
mantel aus Krystallgläsem in vergoldeter Silber-
fassung, von vortrefflicher Komposition und Cise-
lirung.

Das Speise- und Tafelgerät der lippischen Schatz-
kammer stammt fast durchweg aus der Rokokozeit.
Bis auf wenige Stücke war auch da Augsburg die
übliche Bezugsquelle. Die zahlreich vorhandenen
Kaffee- und Theekannen, Becher etc., Service zeigen
zumeist die übliche Rokokoform mit spiral aufstei-
genden flachen Wülsten. Hervorzuheben ist in dieser
Gruppe nur weniges.

Ein Löffel von vergoldetem Silber wreist durch
die Muschelform des Mundstückes und die Gravirung
des Handgriffes noch auf die Mitte des 17. Jahr-
hunderts zurück. Auf der Vorderseite befindet sich
in medaillonartiger Umrahmung ein gegen die Sonne
fliegender Adler, das altpreußische Wappen, auf der
Rückseite eine Sonne und eine Sonnenblume; den
übrigen Teil des Griffes füllen Rankenschläge aus.
Das Beschauzeichen ist die Augsburger Pinie, das
Meisterzeichen enthält die Buchstaben C. S. E.
(Bei Rosenberg nicht reproduzirt.)

Ein Zuckerkorb aus stärk vergoldetem Silber-
flechtwerk, imitirend, mit angesetzten Rokokoschnör-
keln trägt die Beschau- und Staatskontrollzeichen
aus dem Haag vom 17. Jahrhundert. Daneben findet
sich jedoch das Beschauzeichen von Paris für die
Jahre 1735/36 und die unbekannte Meistermarke
C. B. — Das Stück scheint in Holland entstanden
und in Paris zur Zeit Thomas Germains teilweise
umgearbeitet, modernisirt worden zu sein. Analogien
für solche Umwandlungen sind ja in der Rokokozeit
nicht selten.

Die reichste Entwicklung des Rocaillestiles zeigt
eine große Toilette, mit dem Spiegel aus massivem
Silber, dem dazu gehörigen Tafel- und Schreibtisch-
gerät aus über 100 Stücken bestehend, alles stark
vergoldet und mit Ausnahme der plastischen Ver-
zierungen glänzend polirt. Reiches Schnecken- und
Kartuschenwerk, Zweige, Blumen und Vögel bilden
die Hauptmotive der teils getriebenen, teils gravirten
Dekoration. Die Formen der Gefäße sind zierlich,
die gegossenen Teile meist sorgfältig ciselirt. Manche
Stücke sind im Schmucke etwas spärlicher bedacht,
die Ausführung nicht gleichartig und von verschie-
denen Händen herrührend. Bis auf ein Stück tragen
sämtliche Teile dieser Toilette die Augsburger Be-
schauzeichen von den Jahren 1759 bis 1767. In den
Meisterzeichen wiederholen sich die Initialen I B,

— ICD, — IMS, — IWD. Auf den besten
Stücken findet sich das Zeichen C. D. Das zweite
der angeführten Zeichen gehört Johann Christian
Dventwctt, das letztgenannte seinem jüngeren Ver-
wandten (Sohne?) Christian an. Die Drentwetts
waren eine altberühmte Augsburger Goldschmiede-
familie. Die Anschaffung großer silberner Toiletten
wurde in der Rokokozeit an den Fürstenhöfen
Modesache. Der bei solchen Bestellungen am meisten
bevorzugte Künstler war Thomas Germain. In unserem
Falle ist wahrscheinlich Joh. Christian Drentwett
von dem damals regierenden Grafen zur Lippe,
Simon August, mit der Anfertigung einer Toilette
nach der Mode mit Zugehör betraut worden. Dieser
teilte die Arbeit, die er allein nicht zu bewältigen
vermochte, mit seinem Verwandten und behielt mit
der Verantwortung die Oberleitung über das Ganze,
bis er nach seinem, Tode von Christian darin abge-
löst wurde. Ein selbständiger Entwurf ist für diese
Arbeiten nicht anzunehmen, vielmehr "scheint man
sich ziemlich genau an eines der damals so häufigen,
allgemein zugänglichen Musterbücher für Gold-
schmiede — mit Entwürfen in der Art Habermanns

— gehalten zu haben. So ist es wohl zu erklären,
 
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