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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Jessen, Peter: Das Stickmusterbuch des Andreas Bretschneider
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0112

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DAS STIOKMÜSTERBUCH DES ANDREAS BRETSCHNEIDER.

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heißt vermutlich Kammtaschen, wie sie aas jener Zeit
sich mehrfach erhalten haben. Daneben setzt er
Streifen, Zwickel, kleine Füllungen und Zierstücke
für verschiedene Zwecke und gewinnt so eine große
Reihe mannigfach umrissener Felder, um seine Phan-
tasie darin walten zu lassen.

Seine Motive aber vor allem stehen in den Muster-
büchern ganz vereinzelt da und werden auch den
Kenner des deutschen Ornaments jener Zeit über-
raschen. Die kleine Auswahl unserer Abbildungen
lässt den wesentlichen Charakter erkennen. Die
Grundzüge sind frei geschwungene Kurven, welche
nur in ihrer allgemeinsten Führung an das Roll- und
Schweifwerk der deutschen Hochrenaissance er-
innern; an diesem Gerüst als Ausläufer, Begleiter,
oft als alleinige Träger Blumenwerk mannigfachster
Art, Ranken, Blüten, Blätter und Früchte, meist in
freiem Schwünge der Natur nachgeahmt, hie und
da als Rosetten leicht stilisirt; darunter vor allem
die beliebtesten Zierblumen der Heimat, die Rose,
die Lilie, die Nelke; zwischen diesen Ranken und
Blüten allerlei Getier aus Wald und Hof, Singvögel,
Papageien, der Pfau, die Schnecke, das Eichhörn-
chen; am liebsten die Tiere der heimischen Jagd,
Hirsche, Hasen und Füchse, oft von Hunden und
Jägern verfolgt; als Symbole aus der Tierwelt der
Pelikan, der Reichsadler und wappenhaltende Löwen;
sorgfältig gewählt auch die übrigen sinnbildlichen
Zuthaten, das Jagdgerät neben dem Jäger, eine
Waffentrophäe neben dem Bombardier, an hervor-
ragender Stelle mehrfach das Herz, in Flammen
glühend oder von schmerzlichen Pfeilen durchbohrt.
Das alles ist mit Laune und mit glücklichem Raum-
gefühl gemischt und steigert sich bisweilen zu höchst
anmutigen Bildungen. Die sichere Hand, welche
aus den sauberen Radirungen spricht, erhöht überdies
den Reiz der Erfindungen.

Diese Kunst der Darstellung und des Entwurfes
findet sich unter den deutschen Ornamentblättern
jener Zeit nur bei den Goldschmieden, vornehmlich
den Punzenstechern, wieder. An Paul Flindt und
seine meist namenlosen Genossen erinnert die Ge-
samtwirkung und gelegentlich die Linienführung der
Blätter; eine ähnliche Vorliebe für die heimische
Blumenwelt spricht aus Sibmachers Gefäßzeichnungen
und aus den Friesen der Goldschmiede Bang wieder.
Allein der landläufige Ornamentenschatz jener Zeit,
das Rollwerk und die Kartusche oder die grotesken
Halbfiguren, fehlen auf den radirten Blättern fast
ganz; nur unter den Holzschnitten treten sie ge-
legentlich auf: mehrfache Voluten, ein Wappen-

schild, der Delphin, die Sirene u. a. lassen vermuten,
dass diese Gruppe die ältere sei. Auch findet sich
nur auf den geschnittenen Tafeln vereinzelt die
schwächliche Andeutung einer geklöppelten oder ge-
nähten Spitze als Umrandung.

Über den Maler Andreas Bretschneider hat
G. W. Geyser in seiner Geschichte der Malerei in

Aus dem Stickmusterbuch des Andreas Bretsclmeider.

Leipzig (Naumanns Archiv III, S. 96) eine Reihe
schätzbarer Nachrichten zusammengestellt. Bereits
sein Vater Daniel hatte am Dresdener Hofe als-
Maler gearbeitet und sich als nicht ungeschickter
Radirer bewährt durch die Illustrationen zu einem
Werke über das Ringrennen im Jahre 1584, welches
auch die Ornamentstichsammlung zu Berlin besitzt
Der Sohn war gegen 1611 nach Leipzig übergesiedelt

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