Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

DOI Artikel:
Schricker, August: Strassburger Fayence und Porzellan und die Familie Hannong: 1710-1780
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0139

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
STRASSBURGER FAYENCE UND PORZELLAN.

123

ferner aus der Anmeldung mehrerer neuer Porzellan-
maler bei der „Zunft zur Stelz" und aus der Er-
neuerung der Porzellanmühle am Ziegelwasser.1) Nun
kam nach 1766 eine neue, wenn auch geringe Ver-
minderung der Privilegien von Sevres, indem nun
die Porzellanfabrikation im ganzen Königreich frei-
gegeben wurde, wie es heißt: „in weiß sowohl als
in weiß und Blau, als auch in Camayeu von einer
Farbe", unter der Beifügung der Bestimmung, dass
jedes Stück die Marke des Fabrikanten tragen müsse.
Josef Hannong machte, nach einem uns erhaltenen
Memorandum, ungemeine Anstrengungen, seine Fa-
brikation innerhalb der gezogenen Schranken auf
die Höhe der Vollkommenheit zu bringen. „Als er
eben daran war" — um mit jenem Memorandum zu
reden — „die Früchte seiner Arbeit zu genießen
und sich für die ungeheuren Kosten zu entschädigen,
die er aufgewendet hatte, um seine Fabrikation zu
vervollkommnen" — da trifft ihn ein neuer Schlag,
der endgültig die Straßburger Fayence- und Porzellan-
industrie vernichtete.

Der Eingangszoll an der Grenze Frankreichs
wurde von den fünf großen Fennen, welche die
Zölle und indirekten Steuern gepachtet hatten, er-
hoben. Es war dies eine große Aktiengesellschaft,
deren Hauptmitglieder aus den einfiussreichsten Per-
sonen des Staates bestanden. Die „Fenne" war all-
mächtig, unter der Bedingung, dass sie nach oben-
hin diejenigen Gefälligkeiten erwies, welche man zu
verlangen für gut fand.

Nach einer Verfügung des Staatsrates vom
26. Januar 1723 betrug der Eingangszoll auf Fayencen
aus den „Provinzen, welche in gewisser Hinsicht wie
fremde behandelt wurden, ohne es aber wirklich zu
sein", (provinces reputees etrangeres) 3 livres auf
100 Pfund des Bruttogewichtes. Es war dies eine
Ermäßigung gegen die Zollsätze von 1664, und man
wollte durch diese Ermäßigung bekunden, dass diese
Provinzen — Elsass, Lothringen und das Gebiet der
drei Bistümer, Metz, Toul, Verdun — anders behan-
delt werden müssten, als das eigentliche Zollausland,
da sie die Staatslasten mittrügen und im Fall eines
Krieges am meisten exponirt wären. Plötzlich —
vom Sommer 1774 ab — behandelte die Ferme die
llumiongschen Waren bei ihrer Einfuhr nach Frank-
reich, einem Hauptabsatzgebiet, nach dem Tarif von
1664, nach welchem die 100 Pfund Brutto Fayence
28 livres, die 100 Pfund Brutto Porzellan 140 livres
Eingangsgebühren kosteten. Darnach mussten z. B.

1) Die Marke ist I. II.

für 12 Teller mittlerer Ware, die in Straßburg 4 livres
kosteten, an der Grenze 5 livres 6 sols Eingangs-
gebühren entrichtet werden, also 1 livres 6 sols mehr
als der Einkaufspreis. Von ordinären Porzellantellern
zahlten 100 Pfund Brutto 100 francs Zoll samt
einer Zusatzgebühr von 40 liv., also 140 liv. Fünf
Dutzend Teller, welche 100 livres kosteten, wogen
mit der Kiste 100 Pfund. Für diese 100 Pfund
mussten 140 livres Eingangsgebühren bezahlt wer-
den, es konnten also dieselben fünf Dutzend, die
im Elsass 100 livres kosteten, in Frankreich nur
zu 100 + 140 liv., also 240 liv., abgesehen von
Fracht, Transport, Risiko und Gebühren für den
Zwischenhändler, verkauft werden. — Für die Ferme
konnte dabei irgend ein Vorteil nicht erwachsen,
denn diese Sätze kamen in der That einer vollstän-
digen Ausschließung gleich. Man ging selbst soweit,
dem elsässischen Fabrikanten die Durchfahrtsscheine
durch Frankreich zu verweigern, als er seine Waren
über die Häfen von Marseille, Dieppe, La Rochelle
ins Ausland bringen wollte. Er war genötigt, sie
über Holland und die Schweiz gehen zu lassen, was
wiederum Unkosten verursachte. Es war eben dies-
mal darauf abgesehen, die Konkurrenz der Straß-
burger Ware gegenüber der französischen auf einen
Schlag unmöglich zu machen. ■ Es war dies um so
ungerechter und unnötiger, als man inzwischen seit
1768 auch in Frankreich die echte Porzellanerde in
großen Massen bei St. Yrieux-la-Perche gefunden
hatte. Umsonst dass sich Hannong darauf berief,
dass er französischer Bürger sei, dass, — wie er
nicht ohne Humor bemerkt — der chinesische Im-
porteur King-Tschung in Frankreich besser behan-
delt werde, als der Bürger des Elsass, denn jener
zahle 12 livres wo dieser 140 zu zahlen habe und
dass ein solches System, das man anwende, um die
Manufakturen im Centrum von Frankreich zu schützen,
billigerweise nur dem Auslande gegenüber in Kraft
gesetzt werden dürfe. Mit gerechtem Stolz und
nicht ohne Bitterkeit ruft er aus: „Wenn man schon
einem Einzelnen einen Vorzug zuwenden wollte, so
müssten dies die alten Fabriken sein, welche — man
darf es aussprechen — als Modelle, als Führer, als
Pflanzschulen für die von Frankreich gedient haben
denjenigen, welche mehr in der Lage sind, schöne
Arbeiten zu unternehmen, als die, welche nichts
anderes konnten, als immer wieder von vorne
anfangen." Dieser Hieb geht unverkennbar auf
Vincennes und Sevres, welche thatsächlich von 1740
bis 1769 über das Stadium der Versuche, das echte
Porzellan zu machen, nicht hinausgekommen waren.

16*
 
Annotationen