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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 2.1891

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Luthmer, Ferdinand: Elektrische Beleuchtungskörper
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https://doi.org/10.11588/diglit.5004#0153

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ELEKTRISCHE BELEUCHTUNGSKÖRPER.

Musterbücher unserer besten Gaskronengeschäfte
durchsehen, als Mittelmotiv nicht allerwegen? Ja,
so wenig hat sich der Gaslüster von der atavistischen
Form des Kerzenlüsters frei zu machen gewusst, dass
wir mit Vorliebe durchbohrte Kerzen aus Milchglas
oder Alabaster aufstecken, auf deren Spitze wir die
Gasflamme brennen lassen. Wenn wir bedenken,
dass das Kohlenwasserstoffgas jetzt seit etwa fünfzig
Jahren unsere Häuser und Strassen beleuchtet, ohne
es zu einer durchschlagend eigenen, prägnanten
Form seiner Leuchtkörper gebracht zu haben, so
werden wir seinem jugendlichen Nachfolger, dem
elektrischen Strom nicht das Unrecht anthun, schon
jetzt, im ersten, noch viel umstrittenen Beginn
seiner Herrschaft schon fertige Formenbildungen
von ihm zu verlangen. Und der kritische Gang,
welchen wir durch die elektrotechnische Ausstellung
zu Frankfurt thun, wird sich darauf beschränken,
nach Keimen, nach ersten Ansätzen zu suchen, von
deren Ausbildung wir später einmal Erfindungen
von durchschlagender Neuheit erwarten dürfen.

Zwei Gesichtspunkte sind es, von denen aus-
gehend wir uns die Erklärung für die meisten dieser
unbefriedigenden, weil unfreien Versuche zurecht-
legen müssen. Einmal ist es der Erfinder, der mit der
Freiheit, welche ihm der elektrische Funke gewährt,
noch nichts anzufangen weiß. Auch an die Freiheit
muss man sich gewöhnen. Wer sein Lebenlang mit
dreiviertelzölligen Gasrohren, mit den schwerfälligen
Verbindungsstellen, mit der Rücksicht auf die
rußende, feuergefährliche Gasflamme gearbeitet hat,
muss sich erst darein finden, dass diese beengenden
Rücksichten in Fortfall kommen, muss erst die
Vorteile benutzen lernen, die ihm der fast körper-
lose Zuleitungsdraht, die kaum erwärmte, nach oben,
nach unten, horizontal, schräg aufwärts und abwärts
anzubringende Birne des Glühlichts gewährt. Hier
sei die Bemerkung eingeschaltet, dass auf unerklär-
liche Weise in der Anbringung der Glühlampen ein
Irrtum sich jetzt schon einzuwurzeln scheint, der
technisch keineswegs begründet ist. Neun Zehntel
aller deutschen Glühlichtlüster ordnet diese so an,
dass sie sich dem Beschauer unter einem Winkel
von 30—45 Grad geneigt entgegenstrecken. Diese
Lage führt die schnellste Abnutzung des zarten
Kohlenfadens herbei, dessen Glühen im luftleeren
Raum das Licht erzeugt. Derselbe hat nämlich die
natürliche Neigung, sich mit seinem spiralig ge-
wundenen, also schwereren Oberteil zu senken; so-
bald er aber hierbei die Glashülse berührt, wird
diese durch die Hitze gesprengt, die Luft dringt ein

und die Birne wird unbrauchbar. Die natürlichste
Lage der letzteren ist die senkrecht herabhängende;
selbst die aufrechtstehende ist der schrägen vor-
zuziehen, wenn sie auch den Nachteil mit sich führt,
dass der metallene Fuss der Birne nach unten einen
Schatten wirft.

Die zweite Schwierigkeit, die sich einer völlig
freien Ausnutzung der Vorteile, welche die Elek-
tricität bietet, entgegenstellt, liegt bei den Fabrikanten.
Man möchte ja gerne mit der Zeit fortschreiten und
seinen Kunden IS'eues bieten; aber die Modellkammer
steckt bis an die Decke voll alter Formen, die
Tausende und aber Tausende gekostet haben. Könnte
man da nicht diesen oder jenen Arm, diese Agraffe,
dies Mittelstück verwenden! Und der gefällige Mo-
delleur, besonders der. welcher in festem Gehalt der
Fabrik steht und es mit seinem Brotherrn nicht
verderben will, findet, dass man ja nur den Arm,
der früher von unten nach oben gewachsen war,
umzudrehen braucht, dass man die einzelnen Teile
des Körpers in anderer Folge aufeinander bauen
kann: und im Umsehn ist eine von diesen Miss-
geburten fertig, aus denen jeder Fachmann die alten
Gaskronen-Rudimente herausfindet, aus welchen sie
zusammengestoppelt sind. Aber verkauft wird dieses
„neue elektrische Lüstermodell" doch — denn es ist
ja billig! —

Entschuldigung verdient dieses — wie mir jeder
Fachmann bestätigen wird — nur zu häufige Ver-
fahren da, wo eine Krone auf gleichzeitigen Betrieb
mit Gas und Elektricität eingerichtet werden muss;
ein trauriger Zwischenzustand, der so lange recht
häufig eintreten wird, wie in unseren Städten die
Lichtabgabe von Centralstationen noch nicht ge-
regelt ist.

Übrigens trägt, wie in allen kunstgewerblichen
Fragen, auch das konsumirende Publikum einen
großen Teil der Schuld, wenn die elektrische Be-
leuchtung nicht so bald zu selbständigen Formen
gelangt. Wir sind einmal an den massigen Lüster
als ein Hauptstück unserer Salondekoration gewöhnt.
Ja selbst die Höhe, bezw. die Entfernung von der
Decke, eine ausschließlich durch die Feuersicherheit
bei der Gaskrone gegebene Beziehung hat die Macht
einer ästhetischen Regel gewonnen. Versuchen wir
es einmal, unserem Auftraggeber einen kleinen, fast
körperlosen Glasballon, von welchem eine das ganze
Zimmer erhellende mächtige Lichtquelle ausstrahlt,
vorzuschlagen, oder in den Holzplafond selbst kleine
leuchtende Halbkugeln hineinzukomponiren. Ja,
wagen wir uns einmal an die hübsche Aufgabe, in
 
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