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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Plehn, Anna L.: Die Ausstellung der Künstler-Kolonie Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0214
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DIE AUSSTELLUNG DER KÜNSTLER-KOLONIE DARMSTADT

207

verschiedenen Silhouetten zu beredten Fürsprechern
für solche simpel verlaufenden Konturen, in denen
Wirkung zugleich mit der Neuerung liegen kann,
nach der so viele mit Schmerzen suchen. Freilich
spricht diese Mahnung an die Adresse der Architektur
sich hier nicht nur positiv durch das Beispiel aus,
wie' es zu machen sei. Auch die Kehrseite ist bei
der Hand. Manchmal mochten bei der Eile der
Arbeit die Ideen versiegen. Darin liegt noch kein
Vorwurf. Diese ephemeren Bauten durften eine ein-
seitige Kulissenwirkung haben. Hier, wenn irgendwo,
war die Fassadenrepräsentation am Platz auf Kosten
der weniger ins Auge fallenden Ansichten. Die Seiten-
flächen durften ohne Schaden auf eine ausgesprochene
Bauidee verzichten, vorausgesetzt dass dieser Mangel
offen eingestanden werde. Um dieser Offenheit willen
hat auf mein Auge die ein wenig scheunenähnliche
Seitenwand des Theaters nicht verletzend gewirkt,
während die entsprechenden Ansichten des Aus-
stellungsgebäudes mich durch gewaltsam angebrachte
Schmuckzuthaten befremdeten. Sie gleichen aufge-
richteten Ruderstangen mit sehr breiten Schaufeln, die
in einem Gestell neben einander gereiht sind und
stechen seltsam von der ernsten Festlichkeit der Front
ab, welche dem Zweck des Gebäudes so viel an-
gemessener ist.

Auf das Höchste erhebt sich die aus Grundsatz
kargende Architektur im Innern
des Theaters. Der Besucher
schreitet durch die Giebelfront
unter dem hohen steilen Bretter-
dach hindurch. Die drei gleich-
breiten Flügelthüren, welche die
einzige Gliederung der Fassade
ausmachen, erlauben im Verein
mit den Seitenausgängen jeder-
zeit einen gesicherten Aus- und
Eingang auch des zahlreichsten
Publikums. Im Innern empfängt
eine einzige Wölbung in der
Mitte Halt von einem breiten
Gurtbogen, der das ganze Haus
von der Bodenfläche an in zwei
Hälften teilt. Dieses doppelte
Rund trägt die zweifache Kette
der elektrischen Lampen, welche,

an verschiedene Stromkreise angeschlossen, das Haus
nicht mit einemmale mit Licht überfluten, sondern
nacheinander erstrahlend die volle Helligkeit in lang-
samer Steigerung erreichen.

Neben diesem Hauptbogen macht sich in der
Raumkonstruktion noch der Eingangswand gegenüber
die rundbogig umgrenzte Bühnenöffnung bemerkbar,
während die ganze übrige Baugliederung: die Träger,
welche das Parterre von dem Aussengange sondern,
— bei diesem Sommertheater konnten die Füllwände
zwischen den Stützen fortfallen — und die obere Em-
pore, die den günstigsten Zuschauerstandpunkt gewährt,
nichts beanspruchen, als genau ihrem Zweck zu dienen.
Alle diese Raumteile sind ausserdem so fest durch
den gleichmässigen tiefvioletten Anstrich zusammen-
gehalten, dass das Auge ihr Detail nicht wahrnimmt,
sondern sich mit gelindem Zwang auf jene Bogen-
formen hingewiesen fühlt: Den grossen Bogen, welcher
Dach und Wände trägt, und den kleineren, welcher
das Bühnenbild einrahmt.

Also der Zug nach Ruhe im Eindruck wird
durch Zusammenfassen der Farbe wesentlich ver-
stärkt. Die individuellen Ansprüche in diesem Punkt
müssen natürlich verschiedene sein. Unbedingt ist
in Darmstadt von allen Künstlern Hans Christiansen
derjenige, der in der Farbe die neuesten Wirkungen
bringt. Er hat sie direkt aus den freudig farbigen
Auffassungen der Freilichtmalerei
abgeleitet. Das moderne, kolo-
ristische Ideal hat freilich auch
sonst schon überall Einfluss auf
die Dekoration gewonnen. Das
kann ja gar nicht anders sein,
denn noch immer ist die Farbe
der Wohnungsausstattung direkt
in die Fusstapfen der gleichzei-
tigen Malerei getreten. Aber doch
sind noch niemals so unmittelbar
Farbenstimmungen aus der Natur
in dieangewandte Kunst übertragen
worden, wie es Christiansen immer
kühner thut. Das kommt daher,
dass der Maler seine eigenen An-
schauungen direkt ins Dekorative
übersetzt. Darum findet er leicht
Widerspruch, denn er mutet den

LEUCHTER
ENTWURF VON

ERNST RIEGEL
MÜNCHEN
 
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