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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 19.1908

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Pudor, Heinrich: J. M. Olbrich: (geb. 12. Dezember 1867 in Troppau, gest. 8. August 1908 in Düsseldorf)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4882#0244

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J. M. OLBRICH

235

Paul Schmohl-Stuttgart: Präsidentenstuhl der Verbindung »Wingolf«
in Tübingen

Auf Stimmung also legte Olbrich von Anfang an Wert
und deshalb nannte man ihn einen Raumpoet und be-
zeichnete seine Zimmer als Raumdichtungen1). Auch
W. Fred sagt von ihm, er sei oft mehr Dichter als
Architekt und hebt sein Gefallen am Symbolischen und
Allegorischen hervor. Das paßt freilich zu dem Bieder-
meiertone schlecht genug und kontrastierte auch zu den
modernen, gerade von Otto Wagner vertretenen Bestrebungen,
einen Nutzstil zu schaffen. So finden wir in der Tat in
Olbrich, namentlich im Anfang seiner Entwickelung Schwan-
kungen und Kontraste, Wellenlinien der Entwickelung. Im
Ornament verwarf er bald die Nüchternheit der Biedermeier-
linie und bevorzugte stark bewegte oder gar wilde Linien.
Oft aber zeigt er schon 1898 modernes Linienornament,
so auf den Friesen in der Villa Friedmann. Auf einem
Blatt derOlbrich-Ideen findet sich ein interessantes modernes
Flachornament in Linien — direkt daneben ein blumiges
Muster ä la Biedermeier. Außerdem finden wir auch bei
Olbrich die Babel-Bibel-Vorliebe, also Schachbrett- und
Keilbrett-Ornamente, die Pyramiden- und Spiralmuster.
Manche seiner Architekturen scheinen für ägyptische Sommer-
sitze wie geschaffen. Auch jener Farbensymbolismus ist ja
eher orientalisch, als okzidental. Das feine vornehme Schlaf-
zimmer im Darmstädter Hause Olbrichs ist ebenfalls orien-
talisch. Eben dahin zielen die flachen, weit vorspringenden

Dächer, die Söller, dann seine Vorliebe für Pracht und
Prunk (vergl. besonders den Musiksaal des Großherzogs
von Hessen), die zu den früheren Biedermeierneigungen
im schroffen Gegensatz steht.

Weiter charakteristisch für Olbrich ist die Vorliebe für
Kreisform, welche wohl auch als orientalisierend bezeichnet
werden muß. Er geht zwar nicht so weit wie Carlo Bugatti
in Mailand, welcher möglichst alle Möbel in Wagenradform
konstruiert, aber die Halbkreisform finden wir bei Olbrich
in der Außen- und in der Innenarchitektur. So die Eingangs-
türe zum Hause Gluckert in Darmstadt und zur Villa Fried-
mann1) in Wien, der Eingang zum Ernst-Ludwig-Haus,
das Portal zum Skulpturensaal der Wiener Secession 1898
und sogar das Pianino im Musikzimmer des Dr. Spitzner
in Wien. Auf der Studie zu einem Musiksalon hat er sogar
das Polster des Doppelfauteuils nach vorn im Halbkreis
heruntergehen lassen, während die Rückenlehne die Herz-
form zeigt.

Durchaus orientalisch waren die Pylonen am Hauptportal
der Abteilung Darmstadt, ferner das Ernst-Ludwig-Haus mit
den flachen Dächern und den großen Monumentalfiguren am
Eingang, weiter die Außenarchitektur des Hauses Habich.

Das seinerzeit so vielbesprochene Gebäude für
Flächenkunst ist interessant nur als Linie. Hier

kommen wir also bei Olbrich zum ersten Male zu

J) In der Villa Friedmann zeigen auch verschiedene
Möbel die Kreis- und Radform, so die Pfeilerruhbank mit
seitlichen Schmuckkästen.

1) Vergl. Olbrich, Ideen von Ludwig Hevesi. Wien,
Gerlach & Schenk, 1898.

Adrianyi & Semraelrofh: Laute, ausgeführt von August Schulz, Nürnberg
 
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