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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Lux, Joseph August: Zu Joseph M. Olbrichs Gedächtnis: eine Charakteristik des Menschen und des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0110

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ZU JOSEPH M. OLBRICHS GEDÄCHTNIS

TÖ3]

artigen, architektonisch geleiteten Gedanken, die in Bezug auf das Theater auf der Mathildenhöhe entstanden,
sind in der bekannten Schrift Peter Behrens' niedergelegt. Der eigentliche führende Architekt auf der Kolonie
jedoch war Olbrich und blieb es, während der übrige Bestand in den folgenden Jahren die Namen wechselte.
Olbrich ist die bestimmende künstlerische Individualität, die der Darmstädter Gründung eine charakteristische
Physiognomie gibt und ihre Bedeutung lebendig hält. Der Künstler besitzt nicht nur die leichten Vorzüge
seiner Rasse, sondern er verbindet damit auch das positive Können des geborenen Architekten. Die Mehrzahl
der hier behandelten dekorativen Künstler, die von der Malerei zur angewandten Kunst und von hier in die
Architektur gerieten, sind interessant als Autoditakten, die schöpferisch sind, und revolutionär durch die
ungebrochene, von keinerlei fachmännischem Ballast beschwerte Kühnheit ihrer Versuche, an denen sie sich
vollendeten. Olbrich jedoch trat in ihren Kreis als fertiger Architekt, der nichtsdestoweniger die Leichtigkeit
und Frische einer dekorativ anschauenden Phantasie mit der soliden Grundlage eines bewußten Architektur-
könnens verband. Die Gabe der mitreißenden Begeisterung ist bei dem Künstler, der schon vorher in Wien
den Ton angab, als dort die Sezession begründet wurde, deren Ausstellungsgebäude bekanntlich Olbrich
gebaut hatte. Es ist für die Stimmung der Bewegung an ihrem Anbeginn charakteristisch, daß Olbrich in
Wien nicht als Architekt, sondern nur als Zeichner oder Maler in der jungen Gruppe, die als Träger
des modernen Gedankens auftrat, aufgenommen werden durfte! Trotzdem hat er gerade als Architekt
die entscheidendsten Anregungen zu geben vermocht. Das ist natürlich, und auf der ganzen Linie der
modernen Bewegung ist im Laufe der zehn Jahre die Architektur als Inbegriff der bildenden und gewerb-
lichen Künste bestimmend hervorgetreten, ja, die Entwickelung schien der Baukunst die entscheidende
Rolle zuzuweisen, an Stelle der selbstherrlichen Malerei. Es schien so zu kommen, wenn das künstle-
rische Schaffen überhaupt ins Lot gebracht werden sollte. □

Der künstlerischen Art nach war
Olbrich mit Klimt verwandt. Dieselbe
Rasse. Sie ist wienerisch, wenn man
mit diesem Wort einen leichten, feinen
Schwung bezeichnet, eine melodiöse
Rhythmik, bei der man an Schubert,
mehr aber noch an Lanner und Strauß
denken mag, und die sich ebensogut
auch sichtbar künstlerisch auszudrücken
vermag, in Farbe und Linien, in Archi-
tektur und Dekoration. Etwas von
dem Wesen Makarts ist in beiden, wie
früher schon angedeutet, wenn man
auch im Hinblick auf Makart nur den
künstlerischen Schwung in Betracht
ziehen darf, nicht aber den formellen
Tiefstand seiner Zeit; also etwa, Makart
in die moderne Welt transponiert.
Der Vergleich ist natürlich nicht allzu
buchstäblich zu nehmen, denn er will
nur eine geistige künstlerische Ver-
wandtschaft andeuten, die gar nicht
grobkörnig, gar nicht materiell ist.
Auch Olbrich war im besten Zuge,
der vergötterte Liebling der Wiener
zu werden, wie es seinerzeit Makart
war. Olbrich hatte das Zeug dazu. Die
Schwierigkeiten und Hemmnisse, die
andere sehen, existierten für ihn nicht.
Er erstieg alle Barrikaden, brach alle
Mauern, riegelte alle verstockten Herzen
auf, wenn er wollte. Wieso, womit?
Mit Heiterkeit, Frohsinn, Geist, Witz,
guter Laune, Kraft der künstlerischen
Überlegenheit und einer glücklichen
Seelendisposition, die Humor hat. Das
war einmal ein Mensch, der keine Ent-
täuschungen erleben konnte. Man mußte
oft mit Verwunderung fragen, warum

Seine Wiener Freunde, im Umkreis J, M. Olbrich Toreingang von einem Hause in Darmstadt

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