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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Lux, Joseph August: Zu Joseph M. Olbrichs Gedächtnis: eine Charakteristik des Menschen und des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0111

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104



ZU JOSEPH M. OLBRICHS GEDÄCHTNIS







I

J. M. Olbrich

Ausstellungsgebäude für bildende Kunst in Darmstadt 1908

der Wiener Werkstätte, in der Stadt so isoliert dastehen und nicht die Begeisterung des für alles Neue und
Originelle leicht entzündlichen Wiener Lebenskreises entfachen können. Vielleicht liegt es daran, daß jenen
Künstlern in Wien der bekannte Humor fehlt, daß sie zu ernst, bei aller Vornehmheit zu wenig leutselig
sind. Vielleicht ist ihre Tugend schuld. Anders bei Olbrich. Er traf bei dem Rheinländer auf verwandte
Stimmungen. Das Volk an der Donau und am Rhein, ja, die haben etwas gemeinsam. Von Köln aus führen
allerlei Gedankenbrücken nach Wien, und mehr als einmal ist man von frappanten Ähnlichkeiten betroffen.
Olbrich, der die Künstlerhäuser auf der Dannstädter Kolonie herstellte, davon einzelne von fein abgestimmten,
rhythmischen, auf Schlichtheit bedachten Verhältnissen beherrscht, hat seither den Rhein entlang köstliche
Architekturen geschaffen. Es ist nur zu bekannt, daß Olbrich als Meister der feinen Farbenstimmung raum-
künstlerisch die vorzüglichsten koloristischen Wirkungen erzielte, ganz abgesehen von dem formalen Ideen-
reichtum, der immer neue Überraschungen zu gewähren hat. Der Farbengarten, der eine entscheidende Er-
neuerung in der Kunst des Gartenbaus bedeutet, ist seine Schöpfung. Sie gibt der Blume und der Blumen-
farbe ihr natürliches Recht als Herrscherin des Gartenbezirkes, wobei Grundsatz ist, daß eine Farbe mächtig
vorherrscht, um künstlerisch zu wirken, und eine Schönheit zu erdichten, die von der glühenden Pracht der
Sonnen-Auf- und -Untergänge träumt, von dem tiefen Blau des klaren Himmels, davon die Blumen mit ihren
reinen Farben ein Gleichnis sind. Die dichterische Bewältigung stattet seine Schöpfungen mit einer sinnlich-
übersinnlichen Schönheit aus, die zu der klaren, sachlichen Beherrschung als kostbarer Mehrwert hinzutritt.
Er hatte »Ideen«, wo andere bloß Versuche und Studien wagen können. Ideen sind das kostbare, seltene
Geschenk der Götter, ewig gefürchtet und zuweilen gehaßt, zugleich aber auch ewig begehrt, als unentbehr-
liches, notwendiges, verjüngendes und beglückendes Labsal. °

Hier, wie in allen anderen Fällen, von denen die Rede ist, gilt der Grundsatz, daß wir nur die Kunst
verstehen können, die wir mit Liebe betrachten" a

Und seit etwas mehr als einem halben Jahre gehört der Mann, auf dem so große Hoffnungen ruhten, nicht
mehr zu den Lebendigen. Er schied an einem Hochsommertag im 41. Lebensjahre, und seine Gedanken gehörten
bis zum letzten Atemzuge seiner Kunst. Er dachte nicht ans Sterben, denn er hatte noch so viel zu schaffen.
Er war glücklich bis in den Tod. o
 
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