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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Lux, Joseph August: Zu Joseph M. Olbrichs Gedächtnis: eine Charakteristik des Menschen und des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0115

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ZU JOSEPH M. OLBRICHS GEDÄCHTNIS







abendlich über das Gebäude strahlen soll, mit Hilfe des wirksamsten Erregers der Festlichkeit, des Lichtes.
Denn Olbrich war ein Sonnenmensch, ein Lichtanbeter, ein Symphoniker der Farbe, die aus dem Licht ge-
boren war. Ob es sich in den von ihm erschaffenen Farbengarten um ein Interieur, um einen Gegenstand
der Kleinkunst oder um ein Werk der Baukunst handelt, immer war es in Farbe und Linie die Offenbarung
eines rhythmisch und direkt musikalisch empfindenden Geistes. Leicht und flüssig bewegte sich dieser lineare
und koloristische Ausdruck auf den natürlichen Tonleitern, die ein sicheres Kriterium seiner schöpferischen
Ursprünglichkeit und der einzige verläßliche Maßstab seiner künstlerischen Ursprünglichkeit waren. n

Und nun . . . Weil dieses Leuchten so groß war, mußte das jähe und unerwartete Verlöschen das Gefühl
einer fürchterlichen Leere, einer grenzenlosen Öde, einer klaffenden Lücke hervorrufen. Ein Lügenwort will
wissen, daß kein Mensch unersetzlich sei. Ein Künstler wie Olbrich ist unersetzlich, ist es namentlich in
der Zeit, in der wir leben. Nur die Wirklichkeit zwingt uns, vorlieb zu nehmen zu einem elenden Sich-
abfindenmüssen, das immer das Los derer ist, die nur in dieser banalen Wirklichkeit leben. Die Alltags-
weisheit will das Unfaßbare logisch erklären, und in der Banalität unserer menschlichen Logik einen Trost
finden. Sie will wissen, daß dem Künstler alles gegeben worden sei, wonach sein Ehrgeiz verlangen konnte,
und daß er alles gegeben hätte, was er zu geben hatte. Daß also in der kurzen Lebensspanne, die ihm
beschieden war, Sinn und Zweck seines Daseins erfüllt war, und daß somit alles folgerichtig sei. Ich kann
mich mit einer solchen Auslegung niemals zufrieden geben. So groß auch das bisher Geleistete war, groß
genug, ihm den ewigen Ehrenplatz in der Geschichte des menschlichen Geistes zu sichern, so ist dennoch
nicht zu vergessen, daß er sich mit einem Schatz von Ideen, mit Gedanken und Hoffnungen trug, die noch
weitaus größeres versprachen. Denn Olbrichs Entwickelung bewegte sich noch immer und gerade in den
letzten Jahren in steil aufsteigender Linie. Unermeßliche Werte einer ungekannten Schönheit, von denen
seine Worte kündeten, wenn in dichterisch gesteigerten Augenblicken das Gespräch den hohen Flug seherischer Ge-

danken nahm. Ahnen,
aber nur ahnen kön-
nen wir die ganze
Größe des Verlustes.

Aber ich beuge mich
in Ehrfurcht erschau-
ernd vor dem mysti-
schen Glauben der
alten Völker, daß die
Götter eifersüchtigauf
ihre Lieblinge sind;
daß sie vom Neid er-
griffen, das Unge-
heuerliche tun, wenn
der Segen voll auf
ihren Auserwählten
ruht. Sie legen in die
Zaubergabe der ge-
nialen Kraft ein tra-
gisches Verhängnis,
das unlösbar mit dem
Schicksal des Genius
verknüpft ist. o

Der ahnungsvolle
dunkle Sinn des Ol-
brichschen Spruches,
der über dem Thron
seines Arbeitstempels
steht und der mir
nicht mehr aus dem
Sinn will, gewinnt
plötzlich die vielsa-
gende Bedeutsamkeit
eines Seherwortes:

»Der Künstler zeigt
seine Welt,die niemals
war, die niemals sein
wird".

J. M. Olbrich, Standuhr

Fr durfte Ideen ha-
ben, wo es andere
bestenfalls zu bloßen
Studien brachten. Mit
anderen Worten: er
besaß Ideen, die ein
Eigenes darstellen,
während Studien im-
mer e'w fremdes Eigen-
tum sind. Ein Trunk
aus dem frischspru-
delnden Quell seiner
Erfindungsgabe, so
mutet die bei Baum-
gärtners Buchhand-
lung in Leipzig er-
schienene Ausgabe
seiner »Ideen« an.
Hier ist noch ein
Überschäumen von
sorgloser Erfindung,
ein unbekümmertes
Sichverschenken, ein
Geben, das immer
größere Reichtümer
an den Tag brachte.
Und trotz dieses sorg-
losen Ausstreuens,
dieses Überwucherns
einer fruchtbaren, nein
ich will sagen uner-
schöpflichen Phanta-
sie, ist ein klarer, star-
ker Sinn für das Orga-
nische der Erschei-
nung unverkennbar,
der der ungezügelten
Formfreude Zügel an-
legt und die unge-
 
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