Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Zu Joseph M. Olbrichs Gedächtnis: eine Charakteristik des Menschen und des Künstlers
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ZU JOSEPH M. OLBRICHS GEDÄCHTNIS



109





|. M. Olbrich, Zinnservice

wohnliche Erscheinung faßlich, logisch und unvergänglich macht. So kommt es, daß diesen »Ideen« das
Schicksal der Lächerlichkeit, dem später so viele Schöpfungen aus der Sturm- und Drangperiode des modernen
Kunstgewerbes anheimfielen, erspart geblieben ist. Wie viele haben aus diesem Born geschöpft und aus
den geistreichen Fragmenten ihr Tagewerk bestritten! Wenn ich diese Tatsache bedenke, berührt es mich
eigentümlich, Leute zu sehen, die dem Verewigten einen Stein in die Gruft nachwerfen wollen. Sie geben
zu, daß er anregend gewirkt habe, aber schon verwandelt sich das Scheinlob in bösen Tadel, schon wollen
sie wissen, daß er der deutschen Kunst nichts genützt habe. Du lieber Himmel! Wenn ich die ohn-
mächtigen Versuche der Geringen sehe, die sich mit einem Raub aus seinen Schatzkammern drapieren, dann
will ich ihren Worten gern glauben, daß er dieser deutschen Kunst nichts genützt hat. Er war diesen
Vielen gefährlich, weil sie seine Überlegenheit fürchteten und weil seine Tüchtigkeit über ihnen stand.
Die Tüchtigen, die Überlegenen, das sind die Gefährlichen, wie immer und überall. Ein anderer frohlockte,
daß mit ihm das Jugendliche der Bewegung endlich gegangen sei. Und hätte es auch mit diesem Jugend-
lichen seine Richtigkeit, wie armselig und grämlich muß doch diese Welt sein, die über das Jugendliche
geärgert ist! Was bedeutet das Jugendliche, wenn von Olbrich die Rede ist? Originalität bedeutet es, Farbe,
Abwechselung, Schönheit, Harmonie. Jugend wie diese ist immer in Übereinstimmung mit sich. Aber man
will ihm Unrecht tun, indem man die Jugend als Vorwurf gebraucht. Man will eigentlich damit sagen, daß
»Unreife« seine Marke sei. Es kann nicht meine Aufgabe sein, jede Albernheit zu widerlegen, aber um nur
eine Belastungsprobe zu wagen, schlage ich die »Ideen« auf, die in einer Zeit entstanden, als noch die
Mehrzahl der kunstgewerblichen Erneuerer in Deutschland — von einer winzigen Minderzahl abgesehen —
sich sozusagen noch in den künstlerischen Flegeljahren befand. Eine Anzahl von Bildern aus diesen »Ideen«,
die dieses Werk schmücken, können als Beweis gelten, daß der Künstler schon damals mit seiner Jugend-
lichkeit die Erfahrung und die Umsicht des reifen Architekten verband, daß seine erfinderische Phantasie
durch die Erkenntnis von der organischen Gesetzmäßigkeit der Dinge geleitet und solcher Art vor den
Kopfstürzen bewahrt wurde, die anderen zum nachmaligen Gaudium des Philistertums nicht erspart geblieben
sind Was es nun immer war, Hausarchitektur, Wohnräume, Tapetenmuster, Kleingerät, immer war das
Aparte logisch begründet und immer war neben geringfügigen Anzeichen ihrer Entstehungszeit eine geistige
Anweisung auf die Zukunft diesen Dingen abzulesen. Deutlicher gesagt, was er damals schon aus den
Ärmeln schüttelte, hat die Menge der Nachtreter später zu ihrer Religion gemacht, was nicht hinderte, daß
sie ihren Vorläufer, Anreger, Ideenspender verleugneten. Da wir aber nicht zu den Moralisten und Straf-
rednern gehören, so wollen wir darüber keine Klage führen, und uns lieber an den Schöpfungen freuen,

Kunstgewerbeblatt. N. F. XX. H. 6 17
 
Annotationen