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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0023

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16

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Fürstengräber — Nossenis eigenes interessantes Grabmal
befindet sich in der Kirche — energisch vorgenommen
und namentlich versucht, die Kunst seines bedeutendsten
Schülers Sebastian Walthers fester zu bestimmen. Die Zeit
muß lehren, wie weit dies alles schon gelungen. Interessant
und wohl bisher einzig in ihrer Art ist dann die Übersicht
über die zahllosen Grabdenkmäler dieser und der folgenden
Zeit — die Kirche war schließlich in erster Linie eine Be-
gräbniskirche für vornehme Leute geworden — die zum
Teil erst jetzt durch die erwähnten Ausgrabungen wieder
zutage gefördert wurden und deren beste hier alle in recht
guten Abbildungen vorgeführt werden. Das Interessanteste
aber sind wohl ohne Zweifel die künstlerischen Beigaben,
die in so reicher Zahl in den Gräbern gefunden und dem
Dresdner Stadtmuseum einverleibt worden sind, vor allem
die vielen wertvollen Ketten, Ringe, Armbänder, Ordens-
gehänge, Anhänger und dergleichen, die man trotz ihres
großen materiellen Werkes damals sich nicht scheute, den
Toten mit ins Grab zu geben und die in so reicher Zahl
bisher wohl noch nirgends zutage gekommen sind. Es ist
ein ganz neues kunst- und kulturgeschichtliches Material,
was hier vorliegt, unter dem sich auch wirklich bedeutende
kunsthandwerkliche Leistungen befinden. So kann man
dem Stadtmuseum zu diesem Zuwachs seines bisherigen
Bestandes nur gratulieren. Dem Verfasser aber muß man
Dank wissen, daß er all dies reiche und bisher kaum be-
achtete Material so geschickt in seinem Werke vereinigt
und damit mit allem Nachdruck auf eine frühere Kunst-
stätte Dresdens hingewiesen hat, die man bisher gegen-
über den späteren, so viel mehr in die Augen fallenden
kaum mehr gekannt, und die doch der Beachtung durchaus
würdig ist. Durch das reiche Bildermaterial wird er hierbei
aufs kräftigste unterstützt. E. Zimmermann.
Gustav E. Pazaurek, Guter und schlechter Geschmack im
Kunstgewerbe. Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlags-
anstalt, 1912. Gr.-8°. 374 Seiten, 266 zum Teil farbige
Abbildungen. □
n Der tätige Leiter des Landesgewerbemuseums in Stuttgart
hat zu einem stattlichen Buche die Gedankenreihen aus-
gestaltet, die er seit mehreren Jahren in einer viel bemerkten
Abteilung seines Museums anschaulich zu machen sucht.
Als er die Sammlungen des Museums übernahm, bestanden
sie im wesentlichen aus Arbeiten des 19. Jahrhunderts,
die in guter Absicht, aber ohne sichere Kritik angekauft
worden waren. Er mußte die bunte Masse sichten und
hatte dabei Anlaß, unmittelbarer als andere Fachgenossen
auch die vielerlei Irrtümer der letzten Generationen zu
beobachten. Seinen pädagogischen Neigungen folgend,
hat er diese »Geschmacksverirrungen« ausgesondert, ergänzt,
systematisch zu gliedern versucht und in lehrhafter
Ordnung aufgestellt. Auf jenen Vorarbeiten fußt dieser
umfangreiche, sorgfältig ausgestattete, reich illustrierte Band.
□ Die Hauptabschnitte behandeln Materialfragen, Zweck-
form und Technik, Kunstform und Schmuck. Das Buch
will vor allem »Schutt wegräumen« und durch den Nach-
weis der möglichen Fehler »der guten Produktion die
Wege ebnen«. Verfasser hält sich vor Augen, daß letzten
Endes die Geschmacksurteile relativ und individuell seien.
Daran mahnen ganz besonders die mancherlei Beispiele,
die auch aus den älteren Zeiten herangezogen werden.
Von alters her traten neue Stoffe und Techniken unter der
Gestalt des bis dahin Bekannten und Gebräuchlichen auf.
Solche »Kinderkrankheiten« zu verhindern, möge man heute
einen tüchtigen Künstler schon »als Geburtshelfer« zu Rate
ziehen. Der Kulturhistoriker weiß von »wunderlichen
Materialien« zu berichten; der Theoretiker geißelt in z. T.
umständlichen Kapiteln die Vergewaltigung der Stoffe, die

Materialprotzerei, Surrogate und Attrappen. Der »Uhren-
halter in Form einer Stiefelsohle aus Baumschwamm« ist
nur einer der vielen, oft recht launigen Belege. Die Be-
griffe »Zweckform und Technik« hat Verfasser nicht trennen
zu dürfen geglaubt und behandelt sie unter Überschriften,
die den Inhalt und die Tendenz kräftig ausdrücken: Funk-
tioneile Lügen, Konstruktionsattrappen, Spielereien u. a. m.
Nachsichtiger darf man die beabsichtigten »Künstlerscherze«
beurteilen, so derb sie oft sein mögen. Der dritte Hauptteil
des Werkes handelt von »Kunstform und Schmuck« und
holt theoretisch weiter aus; er erörtert das Verhältnis
der Nutzform zum Zierat, die Maßstäbe, Verschwendung
des Ornaments, Stilisierung und Naturalismus u. a., stets
mit der Absicht, dem gesunden Neuen und Zeitgemäßen
zur Geltung zu verhelfen. Die Abbildungen zu wählen,
ist mühevoll gewesen, weil sie oft nur schwer die Fein-
heiten anschaulich machen, auf die es ankommt, z. B.
Materialwirkung und Farbe. o
o So bietet das Buch eine Fülle von Beispielen und
Erörterungen, die den Praktiker und Theoretiker zum Nach-
denken anregen. Allerdings muß auf Widerspruch rechnen,
wer seiner Zeit ihre Sünden vorzuhalten unternimmt. Die
einen fühlen sich durch Ernst oder Spott zu hart getroffen
und werden ihre Unschuld beteuern. Andere werden
meinen, daß der Bußprediger auf der Kanzel oft gar zu
schweres Geschütz gegen harmlose Entgleisungen anfahre,
und daß sie lieber die Wege der Tugend, auf denen sie
ans Ziel zu kommen hoffen, in rosigen Bildern geschildert
sähen, als durch alle verzwickten Irrpfade der Sünde
spazieren geführt zu werden. Aber der Verfasser hat mit
Absicht, gutem Humor und gelegentlicher Selbstironie die
negative Methode gewählt. Er wagt manch launiges Wort
und manchen kräftigen Scherz und schreckt vor Über-
schriften wie »Pimpeleien« und »Kitsch« nicht zurück. So
wird er letzten Endes auch für die Methode kunstgewerb-
licher Aufklärung die Freiheit gelten lassen, die er für viele
kunstgewerbliche Einzelfragen zuläßt; auch hier mag schließ-
lich der Einzelne nach seinem Geschmack wählen. □
Peter Jessen.
AUSSTELLUNGEN
n Baden-Baden. Auf den deutschen Kunstausstellungen
in der internationalen Bäderstadt Baden ist es zur Sitte
geworden, neben der großen Zahl von Gemälden,
Graphiken und Plastiken, welche die Künstler aus allen
deutschen Kunstzentren eingesandt haben, das Kunst-
gewerbe, soweit der Raum es noch zuläßt, zum Wort
kommen zu lassen. So müssen auf der diesjährigen Aus-
stellung an erster Stelle die feinen Metallarbeiten des
Lehrers an der Pforzheimer Goldschmiedeschule, Paul
Pfeiffer, genannt werden, der uns eine Reihe ausgeführter
Schmuckstücke (Ketten, Ringe usw.), sowie Rahmen,
Teller und Schalen vor Augen führt, wobei der Künstler
einen glücklichen Mittelweg zwischen Kunst- und Ge-
brauchsgegenstand einschlägt; Kunst soll ohne Prätention
immanenter Bestandteil des Lebens selber sein, das ist wieder
die Forderung unserer Zeit und zwar im Hinblick auf
manche vergangene Epoche, die diesem Ideal nahege-
kommen ist. Johanna Frentzen, Prof. A. Schmid und
R. Kowarzik zeigen weiter feine kunstgewerbliche Stücke,
meist getriebene Metallarbeiten, die eine geschmackvolle
Lösung der gestellten Aufgaben bedeuten. In der kunst-
gewerblichen Abteilung, die in den graphischen Sälen der
Ausstellung im Erdgeschoß untergebracht ist, betrachten
wir noch die glasierten und farbigen Terrakotten von
Beruh. Hoetger-Stuttgart, meist figürliche Darstellungen
und humorvolle Tierbilder mit vielen plastischen Fein-
heiten und technischem Geschick. Die Plakettenkunst ist
 
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