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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

DOI Artikel:
Mahlberg, Paul: Das künstlerische Inserat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0033

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26
DAS KÜNSTLERISCHE INSERAT


die Jetztzeit kulturhistorisch anwendbare Stilbegriff,
wie es jener der Gotik, der Renaissance, des Barock
ist, kann nicht der der äußerlich mächtigsten Bewegung,
des Impressionismus sein. Derjenige, der den ganzen
Komplex unserer wirtschaftlich, künstlerisch und sozial
an der Großstadt orientierten Kultur zusammenfaßt,
kann nicht in Barbizon oder Fontainebleau, muß aus
der Großstadt und ihren konturharten Bedingungen
heraus entstanden sein. Unsere Epoche ist die plaka-
tistische. □
□ Aufgabe des Plakats und Inserats ist es, auf diesen
ästhetischen Meridian unserer Zeit hinzuweisen, auf
den Pol der Ästhetik ihrer Erscheinungen; und zu-
gleich ihren optischen Eindruck beispielshaft künstlerisch
zu polarisieren. An ihnen soll man lernen, so zu sehen
und nicht anders, denn man muß an einem Punkte
orientiert sein, um das Wirklichkeitsbild künstlerisch
bewältigen zu können. Nur durch die Konsequenz
der Stilisierung, die immer wieder, und auch in ihrer
ganzen Anlage den Städten Florenz und Venedig vor
Augen geführt wurde, haben sie es vermocht, einer-
seits eine räumlich -liniare, andererseits eine streng
malerische Kunst aufzubauen. Es ist Aufgabe jeder
Generation, die klare Gliederung, wie sie da im Quer-
schnitt erreicht wurde, auch im Bilde des Längsschnitts
durch die Kunstgeschichte erkennbar zu machen. Augen-
blicklich ist das Plakat und das Inserat der einzige Zweig
unserer Kunstübung, der einen festen Stilwillen erkennen
läßt. Es scheint, als ob sie die Vorschule sein sollten
zum Verständnis der großen Kunst in den Hochschulen
der Museen und modernen Sammlungen. Die bessere
Bildfibel scheint im Vergleich mit der Straße und ihren
Plakaten die Tageszeitung oder die Zeitschrift mit ihren
Bildinseraten zu sein. □
□ Die Ästhetik des Inserats ist die des Schlagers
gleich der des Plakats, in der Anwendung differenziert
durch einige Bedingungen der Ausführung in Schwarz -

Weiß-Druck und der Schaubarkeit, deren Dauer man
für sich mit der Zeitung in der Hand hat. Wenn
für das Plakat der vollständige Verzicht auf realistische
Bildabsichten vonnöten ist, das heißt, Verzicht auf An-
weisung auf die Tiefe durch Überschneidungen, Igno-
rierung des Valeurgesetzes, das Aufgabe der Kontur
verlangt, aber modelliert, so gilt für das Inserat (wo
die beim Plakat noch mögliche Klarlegung durch die
Farbe unmöglich ist), wenn anders es gut sein soll,
noch unerbittlicher: vollständige Abwickelung in der
Fläche, Innehaltung der Kontur innerhalb der streng
geschiedenen Regionen von Hell und Dunkel, das heißt
im Druck Schwarz und Weiß. Das Inserat muß als
solches konzipiert, gleich in alle technischen Bedingungen
hinein gedacht sein; die oft beliebte Umwandlung eines
als Plakat gedachten und ausgeführten Entwurfes in die
Form des Inserats mißglückt meist. Die Klischierung
des Plakats tale quäle ist natürlich überhaupt ein Un-
ding, und wenn der Künstler beim Vertrag etwas zu
sagen hat, verbietet er es von vornherein. □
□ Man darf nie vergessen, daß das Bildinserat nicht
zur freien Kunst gehört. Die Ästhetik ihrer Schöp-
fungen beruht frei in ihnen selbst, die seine ist so
sehr an die propagandistische Wirkung geknüpft, daß
man alle Betrachtungen über Kunst- und Anwendungs-
form auf sie beziehen muß. Es liegt im Sinne aller
Reklame, im Publikum den Begriff der angepriesenen
Ware an einen schlagenden Eindruck, sei er literarischer
oder bildhafter Art zu knüpfen. Die Häufung der
Fälle garantiert den größeren Erfolg. Die klassische
Form des Inserats ist also diejenige, die sich ohne
viel Kosten und Schwierigkeiten so oft und in so viel
Zeitungen wie möglich bringen läßt. Das beschränkt
die Größe des Klischees. Sie ist scheinbar aber auch
aus dem rein künstlerisch-formalen Wesen des Inserats
heraus begrenzt. Die Vornahme einer ganzen Seite
scheint schon eine unzulässige Verlängerung des Formats
 
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