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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Lesenberg, Wilhelm: Carl Schäfer und eine lebendige Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0083

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HERMANN MUTHESIUS, HAUS KOSMACK

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Schäfer (Aufs. S. 343) die eisernen Öfen »des Künstlers
und Reformators auf diesem Gebiet« Alexander Litinemanns
empfiehlt, diese Monstra mit Blumengirlanden, dem Ziegel-
dach des »Goldenen Dachls«, Nürnberger Zinnplaketten,
Nischen- und Napfkacheln — und das alles in Gußeisen!
Nur aus dem Mangel an kunsthistorischer Bildung kann sich
hier das Verleugnen jeder Materialgerechtigkeit erklären, o
□ Aber mußte man nicht auf dem Wege Schäfers in
Fragen der Verzierung und Ausstattung neuer stilechter
Bauten in eine Sackgasse geraten? Eins seiner frühesten
wie sein letztes Werk geben gleichermaßen den Beleg.
In der Stadtkirche zu Amöneburg (Innenausstattung durch
Schäfer 1868) finden wir Wandmalereien mit nach den
heutigen Begriffen kindlich traurigen Hintergründen und
gotisch flatternden Schriftbändern, die sich von den Händen
der Figuren über die ganze Bildfläche emporwinden. Und
am Südturm des Meißener Doms (1903—08) steht Schäfer
selbst als Prophet mit der Schriftrolle in der Rechten, mit
gotischer Schulterdrehung, im knittrigen Faltenrock, mit
gotisch gekräuseltem Bart. Das Wort Maskerade drängt

Hermann Muthesius, Haus Kosmack in Alt-Ruppin. Ovales Treppenhaus
Aus: Landhäuser von Hermann Muthesius. Verlag von F. Bruckmann A.-G., München

sich erneut auf die Lippen. Und alles doch nur der
Forderung der Stileinheit zuliebe. o
o Die ganze innere Haltlosigkeit des Schäferschen Restau-
rierungsprinzips wird grausam klar bei Aufrollung der
Heidelberger Ott-Heinrichsbaufrage. Die Sachlage: Schäfer
hatte den Doppelgiebel in vollster historischer Treue, mit
Berücksichtigung aller Konstruktions- und Stilbedingnisse
des Unterbaues entworfen. Also — da es doch galt, keine
Neuschöpfung zu geben, sondern den alten Zustand
wiederherzustellen — den Giebel, wie er nach allem allein
gewesen sein konnte, wie ihn der alte Baumeister nach
allem gewollt haben muße. Denn das ist ausgesprochen
der Zweck jeder dieser Arbeiten Schäfers. Und nun findet
man in Wetzlar die Zeichnung, die den wirklichen früheren
Zustand wiedergibt. Viel einfacher, schlanker, viel weniger
barock, mit ganz neuer Lösung der Pfeilergliederung und
der Fenstergestaltung. Der ganze Bau bekommt dadurch
einen andern Aufbau, eine andere Kräfteverteilung, als wie
Schäfer sie gewollt. Also! Man wende diesen Fall auf
andere Restaurierungen an, und man hat das Ergebnis:
Zeugen unseren Kunstempfindens sind
die zugefügten Teile nie. Jene frühere
Kunst aber hat einst oder hätte sie
durchaus anders entwickelt. Worauf
läuft also stets die ganze Arbeit hinaus?
Auf Erzeugen eines vagen Stilbildes,
auf Stilromantik, auf Theaterkulissen —
also gerade das, was Schäfer so mit
allen Mitteln umbringen wollte. Des-
halb Hände davon. Oder wenn ihr
zufügen müßt, so tut es so, daß jeder
Stein das unleugbare Gepräge des
Heute trägt. □
n Welchen Schluß aber ziehen die
Schäfer-Schüler aus dem Fall des Wetz-
larer Fundes? Ihnen ist er »ein unver-
gängliches Denkmal persönlicher Be-
scheidenheit Schäfers ... ein großartiges
Beispiel von Zurücksetzung der eigenen
Person hinter die Sache« (Steinmetz)
Damit zeigen sie in betrübender Weise,
daß sie die echten künstlerischen Ziele
ihres Meisters ganz und gar verkannt
haben. □
□ Schäfer stellte die Forderung auf,
die vom besten Einfluß auf die Bau-
gesinnung war, die Forderung der Echt-
heit des Materials, jedes Surrogat ver-
dammend. — Aus dem Material aber
auch die Form! Zeiten, deren Haupt-
streben Überwindung des Materials
waren, wie Barock und Rokoko, muß
man dann aus dem gesunden Kunst-
schaffen streichen. Und das tat auch
Schäfer folgerichtig. Die Tragik aber
will es, daß vielleicht seine Barock-
schöpfung: das Equitablegebäude zu
Berlin (1886) der einzige Bau ist, der
einst in die Geschichte der modernen
Architektur als Denkmal eingereiht wer-
den wird. Hier schuf er einem neuen
Bautypus ein entsprechendes Gewand,
o Die meisten seiner andern Bauten
versinken schon heute mehr und mehr.
Wenn C. Weber an dem Entwürfe des
Konvikts zu Paderborn (1865—67) »die
große Reife und die weise, durchaus
modern anmutende formale Zurück-
 
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