Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

DOI Artikel:
Otto, Karl Heinrich: Grosse Kleinigkeiten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0175

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1 f\Q
1 Oo

WILMERSDORFER KUNSTGEWERBESCHULE



Ich glaube noch immer,
daß dieser Künstler oder
Urheber in Treu und Glau-
ben gehandelt: erbegehe
an sich keinen geistigen
Diebstahl, sondern mehr
eine Anlehnung, weil ihn
das Gesetz ohne weiteres
geschützt hätte; denn der
Fall, daß ein plastisches
Werk in ein graphisches
übersetzt werden darf und
umgekehrt, ist vom Ge-
setzgeber, weil dadurch
eine neueWirkunghervor-
gebracht wird, als zulässig
vorgesehen worden. Dem
Autor verblieb immer die
Idee in der Verwendung
dieses auch in der flächi-
gen Übertragung monu-
mental und mitreißend
wirkenden Bismarckkop-
fes. Es war das nichts
anderes, als wenn in
einem Musikfest-Plakat
die Totenmaske Beetho-
vens verwendet wurde,
was doch häufig gesche-
hen ist. Demnach handelt es sich schlecht-
hin um kein eigentliches Plagiat, son-
dern nur um die kluge und geschickte
Verwendung resp. Benutzung eines vor-
handenen Kunstwerkes. Nach alledem
ist anzunehmen, daß auch der Urheber
des Plakats keineswegs der Meinung
gewesen sein kann, man würde diesen
prägnanten Bismarckkopf etwa nicht in
Erinnerung haben. Hier wäre eine Täu-
schungsabsicht doch zu plump gewesen,
wenngleich ja dem Preisrichterkollegium
erst viel später der Ursprung des Kopfes
bekannt geworden ist. Schade, daß sich
die öffentliche Meinung dieser Sache
nicht mehr angenommen hat, um nach
neuerem Begriff überhaupt einmal fest-
zustellen, was unter einem Plagiat zu
verstehen ist, und welche Stellung dem-
gemäß ein Plagiarius dem jetzigen Ur-
hebergesetz der bildenden Kunst gegen-
über einnimmt. □
o Zu verwundern ist nur, daß bei dem
analogen Fall des Plakates für die Aus-
stellung der Entwürfe in dem Wett-
bewerb um ein Bismarckdenkmal für
die Elisenhöhe bei Bingen am Rhein,
dessen Urheber Prof. Adolf Münzer sich
doch auch mit dem Bismarckkopf im
Kreisrund stark an die Hildebrandsche
Medaille anlehnte, — sein Bismarckkopf
sieht nur nach links — ohne daß diese
»Anlehnung« und »Entlehnung« von
irgendeiner Seite gerügt worden wäre.
Meines Wissens hatte aber Prof. Münzer
einen festen Auftrag auf dieses Plakat.
Man sieht aber auch hier, daß »wenn
zwei dasselbe tun, es eben nicht das-
selbe ist.« □

Illustration. Lehrer Maler A. O. Hoffmann, Schülerin G. Rüdiger

Arbeiten aus dem Atelier für künstlerische Handarbeiten.
Lehrerin Frau Malwine Becker. Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule
 
Annotationen