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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0183

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NEUE MAJOLIKEN VON BERNHARD HOETGER

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sie für sich sehen, arbeiten, all diese jungen Talente ahnen,
daß die »Ästhetik« vorläufig sicher nicht für sie gilt. o
□ Aber die Subjektivität und die tendenziöse Leidenschaft
ihrer Empfindung verhindert sie, klar zu sehen, so sehr
sie sich auch, mündlich und schriftstellerisch debattierend,
manches Oute und sehr viel Lächerliches hervorbringend,
bemühen. n
□ Es muß ein klarer, objektiver und genialer Kopf, un-
bewußt aller direkten Tendenzen, wie zufällig und selbst-
verständlich, das aussprechen, logisch einwandfrei und
sachlich festlegen, was nur geahnt, gewünscht, erhofft wurde.
□ So erklärt sich Wilhelm Worringers Bedeutung! □
n Vielleicht zu seinem Erstaunen, vielleicht wider Willen
ist er plötzlich zu einer Art Prophet geworden in den
Kreisen junger Kunstbestrebungen. Seine Doktorarbeit:
Abstraktion und Einfühlung bietet dem philosophisch Ge-
schulten nicht einmal überraschend Neues. Seine »Form-
probleme der Gotik« sind in der Betrachtung und Lösung
der gestellten Aufgabe sehr tief und schön, aber nicht
außerordentlich originell. Ähnliches ist schon früher —
allerdings intuitiv und unbewußter gesagt worden. □
□ Und doch wirken gewisse Stellen seiner Bücher blitz-
artig erhellend in dem unbewußten ahnenden Dunkel, das
bisher herrschte. n
n Es sind eigentlich immer nur Nebenumstände, die so
neu und tief berühren [und so überraschend und will-
kommen sind vorübergehend Gesagtes, das, was Worringer
beinahe voraussetzt, und nur zum Ausgangspunkt seiner
Betrachtungen macht, die ihm viel wichtiger erscheinen, a
n Auf den ersten zwölf Seiten seiner Formprobleme der
Gotik (München 1912, R. Piper Verlag) sagt er fundamental
so Wichtiges und Bedeutendes, daß man wieder und wieder
diese wenigen Sätze durchliest, [um den Sinn und die
geniale Neuartigkeit der Probleme recht eigentlich zu fassen.
□ Worringer beginnt zunächst mit den Schwierigkeiten
der historischen Interpretation, des historischen Erkennens,
von der Einsicht geleitet, daß alle historische Forschung
beim Bemühen, das Tatsachenmaterial zu einem Gesamt-
bild zu verdichten, sich subjektiv färbt, färben muß. Die
Objektivität, deren gewisse ffistoriker sicher zu sein glauben,
ist keine; denn es gibt nicht Objektivität an sich. Sie ist
nur die gerade herrschende Übereinstimmung vieler An-
sichten, die so etwas scheinbar Selbstverständliches und
Unumstößliches bekommt. Die Objektivität ist also eine
Art Massensuggestion irgend einer Anschauung: eine Aller-
weltsmeinung. Wenn wir, unter dieser Erkenntnis, nun
bewußt subjektiv Vorgehen und »in den unendlichen Raum
der Geschichte hinein von dem festen Standpunkt unseres
positiven Ichs eine erweiterte Erkenntnisfläche bauen durch
ideelle Verdoppelung unseres Ichs um seinen Gegensatz« —
so ist: »die Inanspruchnahme einer derartigen ideellen Hilfs-
konstruktion als heuristischen Prinzips die nächstliegende
Überwindungsmöglichkeit des historischen Realismus und
seiner anspruchsvollen Kurzsichtigkeit.« ».. . Die bewußte
Unsicherheit der intuitiv geleiteten Spekulation wird dem
unsicheren Bewußtsein der angeblich objektiven Methode
vorgezogen.« □
□ Worringer wendet sich dann der kurzen Untersuchung
über das Verhältnis der Ästhetik und der Kunsttheorie zu.
Und hier nun sagt er etwas ganz Neues und Überraschendes.
□ Er stellt zunächst fest, daß »die Welt der klassischen
und der in ihr verankerten neueren Kunst längst eine Kodi-
fizierung der Gesetzlichkeit ihrer Bildung gefunden hat;
denn was wir wissenschaftliche Ästhetik nennen, ist im
Grunde nichts anderes als eine stilpsychologische Inter-
pretation des klassischen Stilphänomens.« o
□ Die Gotik dagegen hat eine solche Kodifizierung der
Gesetzlichkeit ihrer Bildung in gleichem Maße nicht emp-
 
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