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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Kunstgwerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0204

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

1 CY1
ly/

□ Breslau. 23. Delegiertentag des Verbandes Deutscher
Kunstgewerbevereine. Vom 22. bis 24. Juni hielt der Ver-
band seinen 23. Delegiertentag in Breslau ab, dem Direktor
Prof. Karl Hoffacker an Stelle des erkrankten Vorortsvor-
sitzenden Geheimrats Dr.-lng. H. Muthesius präsidierte.
Als Vertreter der Regierung war Oberregierungsrat Scheuner,
als Vertreter der StadtOberbürgermeister Matting erschienen.
Der Kassenbericht und der Jahresbericht des Vorstandes
wurden genehmigt. Die Beitragseinheit bleibt bei 32 Mark
bestehen. Der Verband hat im abgelaufenen Vereinjahr
wieder eine sehr nützliche Arbeit, ganz besonders auf wirt-
schaftlichem Gebiete geleistet. Die Gebührenordnung für
das Kunstgewerbe, kurz Eisenacher Ordnung genannt, ist
nun nach jahrelangem Feilen und Verbessern in eine defini-
tive Form gebracht worden. Wir werden ihren Wortlaut
im nächsten Heft veröffentlichen. Die Festlegung dieser
Normen ist gar nicht hoch genug anzuschlagen, denn sie
sichert endlich einmal die rechtlichen Ansprüche der im
Gewerbe tätigen Künstler, ohne darum gegen die Fabri-
kanten und Ausführenden ungerecht geworden zu sein.
Wenn auch, wie der Vorsitzende, Prof. Hoffacker hervor-
hob, die Eisenacher Ordnung schon mehrfach von Richtern
in wichtigen Prozessen als Usance anerkannt worden ist,
so beschloß man doch einstimmig, die neue Fassung den
Behörden, Richtern und verwandten Vereinen zur Kenntnis
zu bringen. Zu diesem Zwecke wird der Verbandsvorstand
ein erläuterndes Referat ausarbeiten. Das Submissions-
wesen steht nun endlich vor seiner gesetzlichen Regelung,
nachdem eine Komission, an der unserVerband, der deutsche
Werkbund, der Hansabund und andere Gruppen von Inter-
essenten mitarbeiteten, in langen und sorgfältigen Be-
ratungen Grundzüge eines Gesetzentwurfes über das Verdin-
gungswesen für das Deutsche Reich festlegen konnten. Eine
Reichstagskommission hat diese Grundzüge bereits geprüft
und hat mit 17 gegen 11 Stimmen beschlossen, sie dem
Plenum zur Annahme zu empfehlen. Sobald die Annahme
erfolgt sein wird, wollen wir den Wortlaut auch an dieser
Stelle zum Abdruck bringen. Gemeinsam mit den maß-
gebenden Künstlerverbänden hat der Verband deutscher
Kunstgewerbevereine Grundsätze für das Verfahren bei
Wettbewerben auf dem Gebiete der bildenden Kunst und des
Bauingenieurwesens vereinbart, deren allgemeiner Teil für
die Wettbewerbe aller Fachgebiete gelten soll und durch
besondere Grundsätze der betreffenden Fachrichtung er-
gänzt werden wird. Dieser allgemeine Teil liegt bis jetzt
vor und wurde den Delegierten zunächst vertraulich mit-
geteilt. In seiner Einleitung stellt er die Notwendigkeit
der besten Lösung der Aufgaben und die Auswahl der
geeigneten Kräfte durch die Veranstaltung der Wettbewerbe
fest und empfiehlt dann, schon bei den Vorbereitungen zu
Wettbewerben sich der Hilfe einer zu schaffenden Haupt-
beratungsstelle zu bedienen. Die Verbände erklären es
in einer Vorbemerkung ferner als wünschenswert, bei allen
Aufgaben lediglich die Erlangung von Vorentwürfen oder
Skizzen zum Gegenstand des Wettbewerbes zu machen,
sofern nicht etwa die Eigenart des Wettbewerbes eine
weitergehende Durcharbeitung verlange. In 17 Para-
graphen sind nun die einzelnen Bestimmungen, die für
Wettbewerbe aller Fachrichtungen Gültigkeit haben können,
formuliert, und zwar unter folgenden zusammenfassenden
Gesichtspunkten: Art der Wettbewerbe und ihre Wahl;
Berechtigung zur Teilnahme; Aufstellung und Aufgaben
des Preisgerichts; Feststellung des Programms und die
Gesichtspunkte, die es notwendig berücksichtigen muß;
Preisbemessung; Bekanntmachung des Ausschreibens; Prü-
fung und Preisverteilung; Eigentumsrecht: Ausstellung der
Arbeiten. Ohne sich auf eine Diskussion im einzelnen
einzulassen, sprach der Delegiertentag den Wunsch aus,
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es möchte in den erst noch zu beratenden Spezialbestim-
mungen für die einzelnen Fachrichtungen die besodere
Eigenart kunstgewerblicher Wettbewerbe eine gebührende
Berücksichtigung finden. Damit war der Bericht über die
erfolgreiche Tätigkeit der Verbandsaüsschüsse beendet und
es folgten die Referate über neue Pläne. Zuerst sprach
Hermann Weiß, der Delegierte des Verbandes der Kunst-
gewerbezeichner, über »Das Privatschulwesen mit kunst-
gewerblichen Zielen«. Er schilderte die Tätigkeit der privaten
Tischlerfachschulen, deren es mindestens zehn in Deutsch-
land gibt und die, ganz außerhalb der Bewegung stehend,
die Schüler in erstaunlich kurzen Terminen dazu drillt,
scheinbar gute und mindestens verblüffende zeichnerische
Resultate zu produzieren. Der Vortragende ist der Sache
aber auf den Grund gegangen und wies an der Hand einer
größeren Zahl von ausgestellten Schülerarbeiten nach, daß
von irgendwelcher individuellen Ausbildung der Schüler
keine Rede sein könne, vielmehr die Zeichnungen deutlich
die Hand des Lehrers zeigten und miteinander so identisch
seien, daß man deutlich das Einfuchsen äußerlicher Tech-
nik feststellen könne. Gearbeitet werde quantitativ außer-
ordentlich, denn die Schüler fertigten in einem einzigen
Jahr 162 Blatt Zeichnungen, darunter sehr viele großen
Formats, auch Aquarelle und Ornamentales, alles in solcher
Form, daß ein Provinztischler sich recht daran begeistern
könne. Aber alle diese schönen Dinge seien nur — abge-
zeichnet, sogar die Schattenkonstruktionen und Perspektiven.
Die so ausgebildeten Zeichner seien natürlich für die Praxis
ganz unbrauchbar und es käme den Schulen auch nur dar-
auf an, möglichst viele Schüler, bis zu 160 jährlich z. B.
in Nürnberg, auszubilden und aus dem Unterricht ein gutes
Geschäft zu machen; die Schüler werden durch eine un-
geheure Reklameentfaltung herbeigelockt und die Schulen
bekämpfen sich gegenseitig in wenig erbaulichen Formen.
Herr Weiß streifte dann noch die Institute, die auf brief-
lichem Wege Kunstgewerbler ausbilden wollen und verwies
auf das aufgelegte, zum Teil sehr drastische Prospekt-
material. In der sehr lebhaften Diskussion, die sich an
diesen Vortrag knüpfte, und an der sich die Herren Hoff-
acker, Meyer-Hamburg, Riicklin, Wilhelm und Wollheinecke
beteiligten, kam zur Sprache, daß solchen Instituten öfters
versehentlich staatliche Empfehlung gegeben worden wäre,
daß es sich hauptsächlich um junge Leute mit besonderem
Bildungsbedürfnis handelt, denen, z. B. in Baden, zuweilen
staatliche Stipendien gewährt worden seien, um solche
Privatschulen zu besuchen, usw. Eine aus den Herren
Prof. Richard Meyer, Hermann Weiß, Prof. Dr. Lehnert,
Bildhauer Wilhelm und Fabrikant Wallheinecke gebildete
Kommission wird die Untersuchung dieser Frage energisch
in die Hand nehmen. — In engster Verbindung damit stand
das dritte Referat, das Professor Karl Groß-Dresden über-
nommen hatte, » Über die Frage weiblicher Lehrlinge in kunst-
gewerblichen Betrieben«; es endete mit folgender einstimmig
angenommener Entschließung: »Der 23. Delegiertentag
des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine hält es für
wichtig, daß die Frage, inwieweit weibliche Lehrlinge in
der kunstgewerblichen Praxis erwünscht, oder möglich sind
oder möglich sein könnten, geklärt werde, da die Frau
Schiffbruch leiden müßte ohne dieselbe gründliche praktische
Ausbildung, wie sie der Mann in diesen bisher ihm vor-
behaltenen Berufen genießen konnte.« Dem vorher er-
wähnten Schulausschuß wird auch diese Aufgabe überwiesen.
Zwischen diesen beiden Referaten berichtete Universitäts-
professor Dr. Rosen-Breslau über die Anlage historischer
Gärten, die der Referent auf der diesjährigen Breslauer
Jahrhundert-Ausstellung im Rahmen der Gartenbau-Aus-
stellung zum ersten Male praktisch durchgeführt hat. Seine
hochinteressanten Ausführungen fanden den lebhaftesten
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