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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Niemeyer, Wilhelm: Hamburgische Wohnungskunst: Das Haus Otto Blohm: Raumbildungen von R. A. Schröder und Hans Heller
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0211

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204

DAS HAUS OTTO BLOHM IN HAMBURG
__

□ Anderseits hat die moderne Raumkunst Gestal-
tungen gebracht, die starr und steif, formlos und tot
wirken, weil sie nichts haben als formale Logik, weil
ihnen der Lebensatem fehlt. Ein Raum wie Billings
Musikzimmer auf der Brüsseler Weltausstellung war
dieser Art und rechtfertigte den Spott der Franzosen
vom Style de la Foret Teutobourgienne. Denn nur
aus gegebenem Lebensgehalt kann künstlerische Form
sich entfalten. Fülle und Wirklichkeit der Aufgabe
sind Bedingungen für Feinheit und Reichtum der
Gebilde. Die Kultur der Wohnenden allein schafft
eine Kultur der Wohnungsgestaltung. Ihr entnimmt
der Künstler den Anhalt zu lebensvollem Werk. Und
solche Zusammenarbeit formbewußter Künstler mit
Menschen, die in sich Erbgefühle für vornehme
Lebenshaltung hegen, die gesteigerte und begründete
Anforderungen an Komfort und Eleganz stellen, wird
allein auch dazu helfen, ein organisches Verhältnis
von Formtradition und künstlerischer Formproduktion
zu schaffen und lebendig zu halten. □
Das Haus Otto Blohm in Hamburg und die Künstler
Paul Schoß, Hans Heller, R. A. Schröder.
a Dieser Entwicklungsweg der neueren Raumkunst
hat es bedingt, daß eine Stadt wie Hamburg, ihrer
althanseatischen Wohnungs- und Lebenskultur bewußt,
sich den auf Raumlogik und Formkonstruktion aus-
gehenden Raumbildungen der modernen Künstler
gegenüber recht spröde verhalten hat. Aber das nun
erreichte Entwicklungsziel gibt dafür auch allen Anlaß
zu der Hoffnung, daß gerade hier der neue Formwille
und die ererbte Etnpfung, die lebendige Zeitlogik und
die Tradition ein fruchtbares Bündnis eingehen werden.
Den überzeugenden Beweis für diese nach der jüngsten
Entwicklung der modernen Kunst mögliche Vermäh-
lung von vornehmer Bürgerlichkeit und künstlerischer
Arbeit, von Tradition der Wohnungskultur und leben-
digem Formschaffen geben Bau und Ausstattung des
Hauses Otto Blohm am Harvestehuderweg. Der
für die echtesten Werte in der Geschichte unserer
Wohnungsbaukunst empfängliche Sinn des Besitzers
hat Anlage und Art des Hauses so bestimmt, daß der
Bau sich nach außen als ein Muster schlicht-vornehmer
Zurückhaltung gibt. Der ruhige, geschlossene Back-
steinbau ist ein Werk des Architekten Paul Schoß.
Klarheit der Form und geschmackvolle Verwendung
des Materials geben dem Bau absolute Lauterkeit der
Erscheinung. Die Wirkung des Außenbildes ist weniger
in reicher Ausbildung als in der reinen Harmonie
von Bau und Naturumgebung gesucht. Die Gesamt-
anlage ist mit dem Gelände dadurch feinfühlig zu-
sammengeschlossen, daß der Bau der Richtung des
Grundstückes folgt und den Abfall des Planes auf-
nimmt und ausgleicht. Der Hausblock auf seinem
Mauersockel erhebt sich straff über dem tiefen Garten-
eil und wendet der Alster eine glatte Seitenwand zu.
Dann formen die Firste des Hauptbaues, des niederen
Anbaues und die Brüstung des Säulenportikus eine
der ansteigenden Geländelmie entgegenfallende Archi-
tekturlinie, die von der Mauer eines Schmuckgartens
aufgenommen und in flachem Zug dem Garten-

pavillon am oberen Saum des Grundstückes als dem
Zielpunkt des Ganzen zugeleitet wird. Die feinbe-
rechnete Konvergenz dieser Hauptlinien bringt Bau-
form und Erdform in organische Beziehung und gibt
dem Ganzen echte architektonische Schönheit. Die
einfachen Backsteinflächen und sparsam verwandten
klassizistischen Einzelformen lassen das Spiel der Be-
ziehungen und Verhältnisse zu klarer Wirkung kommen.
Im Innern sind das Speisezimmer, das Arbeitszimmer
des Hausherrn, Damenzimmer und Salon künstlerische
Raumbildungen. Das Herrenzimmer wurde von Hans
Heller, Architekten an der Hamburger Kunstgewerbe-
schule, eingerichtet, die andern genannten Räume von
Rudolf Alexander Schröder in Bremen. Die beiden
Tendenzen unserer Wohnungskunst, einerseits der
Wille zur Neubildung aus den Elementen der Raum-
form und der Raumfunktion heraus, anderseits der
Sinn für die Werte der Tradition und die Schönheit
altpatrizischer Wohnungskultur treten sich mit den
Arbeiten dieser beiden Künstler in interessanter Weise
entgegen. Bei beiden ist der Sinn für Funktion mit
dem Gefühl für die Wirkung und den Reiz alter
Formen so sicher vereint, daß beide es verstanden
haben, aus dem vorhandenen Besitz alter Stücke und
ihren persönlichen Formen organische Raumbildungen
zu schaffen. Im einzelnen aber vertreten dann die
Künstler die Polarität der Schaffensgedanken derart,
daß das Arbeitszimmer von Heller stärker die eigent-
lich heutige Tendenz elementarer Raumrhythmik ver-
tritt, die Räume Schröders mehr auf dem Vergangen-
heitsgefühl beruhen. o
□ Das Herrenzimmer ist in einfacher Logik auf eine
Rhythmik der Flächen gestellt, die aus der Funktion
der wichtigsten Organe des Zimmers genommen ist.
Holzrahmen schaffen untere Wandfelder, die sich der
Grundgliederung des Raumes anschließen, wie sie die
Öffnungen, die Türen und Wandschränke, dazu der
eingelassene Kamin, ergaben. Jedem der Teile ist
ein Fortklang in einem umrahmten oberen Wand-
feld gegeben. So sind alle Organe des Raumes aufs
klarste in den Rhythmus der Flächenteilung einge-
ordnet. Dabei bilden die Glasfelder der Wandschränke
in feiner Wirkung ein Mittelglied in der Rhythmik
von Türen und festen Wandfeldern. □
□ Zu dieser Wandarchitektur führte den Künstler
die schwierige, aber reizvolle Aufgabe, Sammlungen
von Fayencegefäßen und ausgestopften Vögeln dem
Raumbild einzuordnen. Diese vielformigen und viel-
farbigen Dinge waren nur dadurch zu bezwingen,
daß sie hinter Glasscheiben in Wandschränke gestellt
wurden und damit Bildwirkungen ergaben, die in die
Flächenrhythmik eingingen. Die dunkle Holzfarbe
der Schränke schafft einen feintönigen Grund, der die
bunte Keramik und die Vogelgefieder koloristisch zu-
sammenhält. So haben die Schränke mit den Zier-
vögeln, wenn ein Grün-Rot oder Gelb-Schwarz der
Federn aus dem feinen Grau und Braun der Körper
aufleuchtet, den Effekt dunkler Barockbilder, bei denen
aus eingeschlagenem Grund nur noch einzelne Farb-
akzente hervortreten. Ebenso vorzüglich stehen die
glänzenden blassen Majolikafarben auf dem Holzton.
 
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