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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Wallerstein, Victor: Anfänge einer neuen Architektur und Raumkunst in Prag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0232

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NEUE ARCHITEKTUR UND RAUMKUNST IN PRAG

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P. Janäk

Schlafzimmer

Der Kampf der lastenden und tragenden Kräfte, die
Tektonik des Raumes ist erst hier unsichtbar
gemacht durch diesen Übergang von Wand zur
Decke, aber nicht allmählich und sanft »verklingend«
durch ein Ornament der Fläche wie bisher, sondern
ganz wie in der Gotik, durch Wandlung des Immate-
riellen des Raumes zu etwas plastisch Körperlichem.
In unseren modernen Räumen sind Wand und
Decke klar gegliedert und je weiter die Entwicklung
fortgeschritten war, desto klarer wurde die Trennung
dieser wichtigsten Bauglieder sichtbar gemacht. Die
Fläche der Decke konnte nicht groß genug sein, ja
man zog noch Stücke der Wände in ihren Bereich
und hielt das Ganze in gleicher Farbe. Man hat die
Masse absichtlich vergrößert. Man versteht nun, daß
eine Kunst, in der es sich immer darum handelt,
Massen aufzulösen und nach eigenem Rhythmus zu
gliedern, eine willkommenere Aufgabe, als sie hier
beschlossen lag, gar nicht finden konnte. So läßt
Gocär die Decke tief in Dreiecken in die Wand
eindringen und öffnet das sich ergebende System
von Rippen und Flächen, das nun einem gotischen
Kreuzgewölbe vergleichbar wäre, für den Lichteinfall
im Rhythmus der ganzen Konzeption. □
□ Vielleicht liegt in dieser Umgestaltung des Raumes
das wesentlichste Merkmal für den Wandel der Zeit-
stimmung, denn er weist auf das Vorhandensein
eines neuen metaphysischen Inhaltes hin, der sich
immer in einem veränderten Verhältnis von Mensch
zum Raum manifestiert hat. Klar zu fassen werden
diese neuen geistigen Komplexe erst sein, wenn wir
mehr von ihrem greifbaren Niederschlag erfahren.
Vorderhand muß es genügen, die Erscheinungen

auf ihr sinnlich Wahrnehmbares hin zu untersuchen.
□ Da es sich um künstlerische Tatsachen handelt,
die aus einem einheitlichen Zentrum entstanden sind,
wird sich die Wirkung in dem ganzen Kreis künstle-
rischer Betätigung nicht verleugnen. □
□ Es lag in den Verhältnissen, unter welchen sich
das moderne Kunstgewerbe vor etwa fünfzehn Jahren
entwickelte, daß man vom kleinsten Gebrauchsgegen-
stand zu größeren Dingen und erst allmählich zur
Architektur überging. Die neuen durch die Malerei
angeregten Gedanken haben dagegen zuerst auf die
Architektur Anwendung gefunden und umfassen heute
natürlich auch die Gebiete der Innenausstattung und
des kleinen Hausrates. So wie vor fünfzehn Jahren
hängt mit dieser Neuerung die Gründung von kunst-
gewerblichen Werkstätten zusammen, den Umelecke
Dilny (künstlerische Werkstätte), die von Janäk und
Gocär mit Dr. O. Gregr in sehr kleinem Maßstab ins
Leben gerufen wurden und heute schon über alle
Abteilungen verfügen, die zur Fertigstellung sämtlicher
Teile einer Raumausstattung nötig sind. Außer den
verschiedenen Abteilungen für Tischlerei sind Tapeten-
weberei, Gießerei, Dreherei usw. vorhanden. Die
beiden Architekten Janäk und Gocär beaufsichtigen
den Betrieb und geschulte Leute sorgen für akkurate
Arbeit. Neben den Zielen einer künstlerischen und
soliden Leistung streben die jungen Prager auch
noch an, die Preise so zu stellen, daß auch der
minder begüterte Teil des Publikums, wofern er nur
für die Bestrebungen Interesse hat, die Erzeugnisse
erwerben kann. □
□ Daß sich die kunstgewerbliche Tätigkeit dieser
Männer nach den gleichen Leitsätzen richtet wie in
 
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