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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Hellwag, Fritz: Der deutsche Werkbund und seine Künstler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0034
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zw dürfen. Viele sind es, deren künstlerisches Können
mit solchem Wollen nicht gleichen Schritt zu halten
vermochte, und nirgends erstarrt das Unvermögen
so schnell zum Formelapparat, hinter dem der nackte
Zweckdienst hervorgrinst, als wie in der Baukunst.
Statt die Wirkung ihrer Werke zu vergrößern, wie sie
es beim Übergang zur Baukunst beabsichtigt hatten,
haben sie sie ganz erheblich verringert und stehen
nun offen ärmer da, wie die, wenigstens geschickten
Virtuosen der ersten Gruppe. Nur wenige sind es
also, die kühn und reich bleiben konnten. Dr. Adolf
Behne hat in dem vorigen Hefte den Unterschied dieser
beiden Begabungen sehr treffend so geschildert: »Der
mäßige Architekt degradiert die Formen zu Zwecken,
der wahre Architekt erhebt die Zwecke zu Formen!«

Die dritte Gruppe umfaßt die Sucher. Also solche
Künstler, die vorausleben und denen es deshalb doppelt
schwer fällt, sich mit den Aufgaben, die ihnen eine schnell
verbrauchende und deshalb schnell verflachende Gegen-
wart stellt, nur schwer abfinden können. Die Menge
weiß mit ihnen nichts anzufangen, läßt ihre Kräfte un-
genützt und verwechselt sie leicht mit solchen Mitläufern,
denen ihr absolutes Unvermögen vorschreibt, sich genia-
lisch zu gebärden; ihr sind eben diese in ihrer Beschränkt-
heit noch verständlicher als jene. Die echten Sucher,
denen die Aufgaben fehlen, gleichen den Pflanzen, die
zur Zeit der Blüte keine Nahrung mehr finden und so
im eigenen Saft ersticken müssen. Man pflegt sie kritisch
damit abzutun, daß sie es ja »zu nichts gebracht« hätten.

Jede Gelegenheit ist mit Freuden zu begrüßen,
wo den Künstlern die Möglichkeit gegeben oder gar
die Verpflichtung auferlegt wird, ihre Aufgaben sich
selbst zu stellen und zu entwickeln. Sie wirkt als
Gradmesser der künstlerischen Erfindungsgabe, die
unbedingt gepflegt werden muß, damit die Zufuhr
neuer Kraft gesichert bleibt.

Eine solche Gelegenheit sollte die »Deutsche Werk-
bund-Ausstellung Köln igi4«- bedeuten. In ihr sind
alle drei erwähnten Künstlergruppen ausgiebig zu
Worte gekommen. Die Unterschiede in den Leistungen
waren zum Teil erstaunlich groß, wenn wir diese
unter dem Gesichtspunkt betrachten: wie ist es den
Künstlern gelungen, ihre Aufgabe sich zu stellen und
deutlich zu machen; wie groß ist bei ihnen das Be-
dürfnis und die Kraft, ihre künstlerische Erfindungs-
gabe selbst immer wieder neu zu organisieren?

Außerhalb dieser Erwägungen müssen bleiben: in
der Höhe die Glanzleistung des von Josef Hoffmann
geleiteten österreichischen Kunstgewerbes, dessen fast
asiatische Schmuckfreudigkeit uns Deutschen nicht
liegt und von uns auch nicht versuchsweise nach-
geahmt werden sollte; in der Tiefe das lendenlahme
bayerische Gschnas und die undisziplinierte Auf-
führung einiger Möbelunternehmer, die sich auf un-
erklärliche Weise in Köln breit machen durften.

Wir wollen bei der Messung künstlerischer Wärme
die Skala beginnen lassen mit den Ausstellungsräumen
unserer wichtigen und wirtschaftlich sehr einzuschätzen-
den Möbelwerkstätten. Alle haben ihre »Zimmer« an
die mit ihnen arbeitenden Künstler verteilt, die im
einzelnen wohl freie Hand hatten. Über ein »Muster-

zimmer« ist kaum einer hinausgekommen. Es fehlt
die innere Notwendigkeit und man konnte wieder er-
kennen, daß in unserer Raumkunst die stimulierende
Anregung meist von den Bestellern genommen, ja
beinahe ausschließlich von ihnen erwartet wird, wäh-
rend es doch umgekehrt sein müßte! Es soll unsere
Aufgabe sein, unsere Werkstätten, um die uns die
ganze Welt beneiden soll und wird, so stark, so an-
gesehen auch im Inlande zu machen, daß sie immer
mehr wirklich großzügige Auftraggeber an unsere
besten, nicht nur an die »gemäßigten« Künstler
heranbringen können, und zwar so, daß der Auftrag
im Vertrauen nicht nur zur guten und geschickten
Lösung, sondern zur schöpferischen Kraft der Künstler
erteilt wird. Bei solchen Aufgaben erneuert sich die
Erfindungsgabe der Künstler, wie in einer »Kraft-
station«, während sie auf die andere Weise ermüdet
und abgestumpft wird. Man kann also sagen, daß die
Vorführung solcher »Zimmer« nur dem Durchschnitts-
besucher etwas gibt, dem Kunstfreund aber wenig und
den Künstlern gar nichts. Es muß für Ausstellungen
die Form gefunden werden, mit der sowohl ein beson-
derer Gedanke als auch der Künstler repräsentiert.
Solche doppelte Repräsentation wurde auf der
Kölner Ausstellung mehrfach versucht und im »Gelben
Hause«, das Bruno Paul in Verbindung mit der Firma
Herrmann Gerson erbaute und als »Landhaus in
grüner Umgebung« einrichtete, am glücklichsten ver-
wirklicht. Die gewählte Aufgabe deckt sich schon fast
mit dem Ziel, das sich der Künstler gesteckt hat und
das er seit Jahren zähe verfolgt: die Quellen des re-
präsentativen, alten Preußengeistes aufs neue sprudeln
zu machen. Er fand diese Quellen in der beschaulichen
und doch lebensfreudigen Umgebung des jungen Fried-
rich Wilhelm III., über die steife, künstliche Schinkel-
Periode hinweggreifend. Jenes Pretiöse und Sammelnde
in unserer hastigen Zeit neu auszusprechen, war nicht
leicht. Er hat sich (in gutem Sinne) dafür eine Art ba-
rocker Ausdrucksweise geschaffen, durch die das, was in
ihm liegt, in gesteigerter, feierlicher, profilierter Form
hingestellt wird und dabei, obwohl es nicht eigentlich
Neues, Zukünftiges ist, doch das Ganze der Wohnungs-
kunst um ein tüchtiges Stück vorwärts bringt. Es ist
aber noch etwas erreicht worden, nämlich die Dar-
stellung einer Repräsentation des gedachten Bewohners,
die sich ebenso fern von äußerlicher Leere hält, als
wie sie sich dem Ausdruck abgerundeter Lebenskunst
nähert. Dem feierlichen Empfangsraum ist ein äußerst
geschickt gestaltetes Vestibül vorgelagert und an ihn
schließen sich ein Speisezimmer, ein Herrenzimmer und
ein Damenzimmer an. Unvergeßlich bleibt der farbige
Eindruck des Speisezimmers, in dem, von einem
meisterhaften Wandgemälde Orliks aus, alle Töne und
Formen des Raumes »organisiert« worden waren.

(Fortsetzung folgt.)

Die Abbildungen dieses Heftes sind zum größten Teil
dem diesjährigen fahrbuch des Deutschen Werkbundes ent-
nommen, das der Kölner Ausstellung gewidmet ist und
Anfang November im Verlag von F. Bruckmann A. O. in
München erscheint.

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