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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 4.1907

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IV. Jahrgang (1906 / 1907)
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Nr. 8 (23. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.49245#0066
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DER KUNSTMARKT

Luca Signorelli aus der Sammlung Egon Ritter von Oppolzer-Innsbruck
Auktion in der Galerie Helbing-München am 3. Dezember 1906


noch eine Verkündigung (zwei Altarflügel des Hans Stieß
von Kulmbach) erwähnt, die eine innige Beziehung zu den
Dürerschen Adam- und Eva-Flügeln vom Jahre 1507 in
Madrid zeigen und wohl um dieselbe Zeit entstanden sein
dürften. — Unter den Werken der niederländischen Schule
verdient eine Felsenlandschaft des Stammvaters Gilles der
bekannten Künstlerfamilie der Hondecoeter Erwähnung, die
an ähnliche Darstellungen des Savery erinnert, eine typische
Probe der vlämischen Landschaft aus der Übergangszeit.
Das Gemälde ist monogrammiert und trägt die Jahreszahl
1625. Nächst diesem nennen wir eine Darstellung des
hl. Christophorus des Jan Mostaert, welche einst einen
Flügelaltar gebildet hat. Von dem Landschafter Johannes
Mijtens befindet sich in der Sammlung eine farbig starke
Familiengruppe, von Willem van Nieulandt eine römische
Vedute mit der Ansicht der Engelsburg und endlich von
Johannes Victors eine Darstellung mit dem blutigen Rock,
die ein interessantes Gegenstück zu dem Rembrandtschen
Bild der Sammlung des Earl of Derby und beinahe um
dieselbe Zeit wie dieses entstanden ist. Die vlämische
Schule ist durch eine prächtige Landschaft des Jan Brueghel
vertreten, zudersich eineähnliche aberbedeutend schwächere
Darstellung in der Dresdener Galerie befindet, und einem
ausgezeichneten männlichen Porträt, welches Hofstede de
Groot van Dyck zugewiesen hat. Hervorragend inter-
essante Stücke dieser Sammlung sind dann noch ein Christus-
kopf, den der Herausgeber mit ziemlicher Sicherheit dem
Jan van Eyck zuschreibt und dabei zur Vergleichung die
Werke des Meisters aus den Museen in Berlin, München

und Brügge heranzieht, — und endlich ein prächtiges,
dem Luca Signorelli mit Recht zugeschriebenes Bildnis
des jugendlichen Johannes, das ein besonderes Lieb-
lingswerk des verstorbenen Bayersdorfer gewesen ist
und von diesem für die Sammlung Oppolzer erworben
wurde. Außer den genannten Werken der christlichen
Kunst befindet sich dann als ein Kuriosum in dieser
Sammlung noch eine griechische Knabenstatue aus pen-
telischem Marmor, die fast in allen Details mit einer
Knabenfigur aus Lilaia in der Athener Nationalbiblio-
thek übereinstimmt und etwa um das Jahr 300 ent-
standen sein muß. Man kann nach dem Ausgeführten
sagen, daß jede dieser 18 Nummern, welche die Samm-
lung ausmachen, für sich ein Meisterwerk bedeutet.
Der jetzige Besitzer hat sich, was nicht unerwähnt blei-
ben soll, zur Veräußerung seiner Sammlung entschlossen,
um sich seiner Wissenschaft so widmen zu können,
wie er es für nötig erachtete und um auf eigene Kosten
eine Sternwarte zu errichten, die bisher an der Inns-
brucker Universität nicht vorhanden war. Zu wünschen
wäre sehr, daß durch die Auktion die Werke die
Grenzen Deutschlands möglichst nicht überschreiten.
Die Firma Helbing hat aus Anlaß der Versteigerung
außer jenem bereits erwähnten Prachtwerk einen Auk-
tionskatalog in zwei Ausgaben veröffentlicht, von denen
die erstere, reich illustriert durch Lichtdrucktafeln, zum
Preise von 3 M., die letztere unillustriert gratis von der
betreffenden Firma bezogen werden kann.
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Frankfurt a. M. Bei Rudolf Bangel findet am
27. November eine Versteigerung von Gemälden
älterer Meister statt, welche zwei Privatgalerien auf
den Markt bringt: a) die Galerie des Grafen Ubal-
dino Ubaldini Catalani della Carda, der im Juli dieses
Jahres in Urbino verstorben ist. Wie das Vorwort
des Katalogs bemerkt, entstammt diese Sammlung
altem Familienbesitz. Ihren wichtigsten Bestand bil-
den Gemälde des Barocks, darunter Werke von
Guercino, Bourguignone, Caravaggio, Cerquozzi, Cignani,
Franceschini, Guido Reni und anderen, deren Bestimmung
nach Angaben des Katalogs auf Kenner wie Bode und
Friedländer zurückgeht. Dagegen wird man gut daran
tun, bei Zuschreibungen wie Rubens und Tizian einige
Vorsicht walten zu lassen. Die Galerie umfaßt 45 Nummern,
b) Die Sammlung des Herrn Benjamin Reges. In der-
selben überwiegen holländische Werke des 17. Jahr-
hunderts, doch enthält sie auch Werke der italienischen
Schule, darunter einen Jacopo Bassano, der die Art
des Meisters verrät. Von kunsthistorischem Interesse sind
einige Bilder von Konrad Seekatz und ein Porträt von
Anton Graff. Diese Sammlung umfaßt 62 Nummern. Die
Firma Bangel hat zu dieser Versteigerung einen Katalog
herausgegeben, der reich illustriert ist.
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Bei C. J. Wawra in Wien kommt in der Zeit vom
26. November ff. die 3 Abteilung der Sammlung Dr. Alois
Spitzer unter den Hammer. Wir hatten seinerzeit über
die Versteigerungen der beiden ersten Abteilungen be-
richtet. Bemerkenswert waren vor allem die Ergebnisse
der Kupferstiche und Radierungen von Dürer und Rem-
brandt, die verhältnismäßig sehr schöne Resultate zeitigten.
Der Katalog zur 3. Abteilung bringt wiederum eine Reihe
von Blättern älterer Meister, in der Hauptsache jedoch
Austriaca, Viennensia, Blätter der französischen und eng-
lischen Schulen, dann Porträts, Blätter zur Illustration der
Kostüm- und Sittengeschichte, darunter eine ganze Anzahl
 
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