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ist kaum anzunehmen, daß und woher plötzlich dann so
starke Angebote auftauchen sollen, die die gesteigerte
Nachfrage befriedigen könnten, wobei, was heute aus nahe-
liegenden Gründen der Öffentlichkeit meist wenig bekannt
ist, auch die umfangreiche und systematische Erwerbungs-
v tätigkeit der deutschen Museen, die trotz des Krieges und
des Bombenterrors keineswegs dem weiteren Ausbau ihrer
Sammlungen entsagt haben, zu berücksichtigen ist.

Es gab eine Zeit, da das Lieblingsstreitthema jeder Dis-
kussion über den Kunstmarkt die Frage der Expertise war.
Noch heute glaubt jeder Anfänger und Außenseiter, daß
es nötig wäre, für jedes zu erwerbende Werk eine schrift-
liche Bestätigung von einem ihm mehr oder weniger als
sachverständig bekannten Gutachter zu besitzen. Der wirk-
liche Sammler ist heute solchem Standpunkt gegenüber,
gewitzigt durch vielfachen Mißbrauch, immun geworden.
Denn das ganze Problem der Expertise hat sich von selbst
erledigt, indem die Zahl wirklich gelehrter Gutachter immer
geringer geworden ist und die jüngere Generation der
Kunstgelehrten in Deutschland sich beinahe, ausnahmslos
diesem lange geübten Verfahren grundsätzlich verschlossen
hat. Geht man dem Ursprung der Expertise nach, so
weisen ihre Entstehung und Anwendung völlig andere
Absichten auf als sie sich im Laufe der Zeit entwickelt
haben. Sie war, wie Wilhelm von Bode sie handhabte, als
Instrument, in den Zeiten des Aufbaus der Berliner Museen
Händler und Kunstsammler in eine möglichst enge Abhän-
gigkeit von den staatlichen Sammlungen zu bringen, gleich-
zeitig Mittel einer schriftlichen Beratung. Für Bode, den
letzten großen Universalkenner der neueren Kunstge-
schichte, war die Expertise eine Echtheitsbestätigung, die
sich auch trotz des Fortgangs der Spezialwissenschaft ge-
halten hat: ein Gemälde mit seinem Gutachten besitzt die
Qualität, die ein Sammler erwarten darf, auch wenn die
neuere Forschung festgestellt hat, daß der zu seiner Zeit
als Sammelbegriff dienende Künstlername sich inzwischen
in mehrere fest greifbare Einzelpersönlichkeiten aufgelöst
hatte. So ist bei' seinen Gutachten heute nicht der genannte
Name entscheidend, sondern das Urteil als ganzes. Seiner
Entscheidung und Beratung verdankt Deutschland eine

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