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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
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Schmidt, Robert: Verfälschte Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0015

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intarsierten Weichholzmöbel des südlichen Deutschlands.
Ich sehe ganz ab von der schwunghaften Fabrikation der
beliebten Gattung der sogen. Ulmer Schränke, zu denen
ja gleich ganze „Interieurs“ hinzukomponiert werden;
auch bei einfachen alten Stücken tritt hier die „Ver-
schönerung“ durch reiche Einlagen, durch Versetzen von
Säulen und Pilastern und anderen architektonischen
Schmuckmotiven in ihre usurpierten Rechte. Gerade die
Fälschung von Intarsien ist relativ leicht und deshalb
verlockend.

Die Abb. 3 gibt ein gutes Beispiel einer solchen
Bereicherung. Der Schrank selbst ist ein gutes, sauber
gearbeitetes Möbel, aus derZeit um 1740 mit bescheide-
nen Intarsien in Form von Blumen und Vögeln. Die
großen Füllungen der oberen Schranktüren sind mit
kräftig gemasertem Wurzelholz furniert. Ein Fälscher
aber hat den Wert des Stückes zu steigern versucht, in-
dem er diese beiden Türen mit den großen Intarsien
eines galanten Paares in Rokokotracht schmückte. Für
ein kundiges Auge ist zwar die aus Elfenbein und ver-
schiedenfarbigem Holz zusammengesetzte Fälschung nicht
allzu gefährlich, allein der Zweck ist sicherlich erreicht
worden; noch vor kurzer Zeit brachte das durch die
falschen Einlagen faktisch ruinierte Möbel einen Preis,
den es in seinem ursprünglich schlichten Zustand sicher-
lich bei weitem nicht erreicht hätte. Allerdings muß
man bei derartigen Verbesserungen oft in seinem Urteil
vorsichtig sein. Denn es gibt auch Fälle, in denen schon
eine Umarbeitung in früherer Zeit eingetreten ist. So
besitzt z. B. die vorzügliche, um 1615 angefertigte Ver-
täfelung des Fürsteneckzimmers im Frankfurter Kunst-
gewerbe-Museum einen Waschschrank, dessen Nische
etwa 60 Jahre später durch eine Holzfüllung geschlossen
wurde, deren Intarsien nun natürlich mit denen der ur-
sprünglichen Wandverkleidung nicht übereinstimmen,
denn damals wurden eben auch Ergänzungen stets im
Stil der eigenen Zeit hergestellt. Wenn man über die
Unberührtheit des Zimmers in der neuesten Zeit nicht
genau orientiert wäre, würde man hier leicht eine moderne,
wenn auch ungeschickte Zutat wittern. Ebenso sind
auch häufig andere Möbel in späterer Zeit aus praktischen
Rücksichten oder aus verändertem Geschmack in Einzel-
heiten umgestaltet worden. So ist bei vielen der sogen.
„Abendmahlsschränke“ der niederdeutschen Renaissance
die herabklappbare, durch Ketten gehaltene Mittelfüllung
in eine richtige, in Scharnieren hängende Tür umge-
wandelt worden, und zwar schon im 17. oder 18. Jahr-
hundert. Auch haben Schränke wie Truhen oft andere,
zum ursprünglichen Zustand nicht entsprechende Füße
erhalten. Meist aber sind die falschen Füße doch Zu-
taten moderner, unwissender Restauratoren, ebenso wie
die häufigen schlechten Ergänzungen der Unterteile süd-
deutscher und schweizerischer Renaissancetruhen.

Wie glänzend die Fälschung italienischer Renaissance-
Möbel floriert, ist ja zur Genüge bekannt; um so be-
dauerlicher ist es, daß auch da herrliche, wohlerhaltene
Werke, wie der berühmte Thron des Giuliano de’ Medici
im Besitz des Fürsten Deinidoff, durch Überarbeitung
und Anbringung moderner Intarsien, ihres einzigartigen
dokumentarischen Wertes beraubt worden sind.

So oft die Liebhaberei für einen alten Stil wechselt,
so oft verlegt natürlich auch der Fälscher, resp. der Ver-
schönerer seine Tätigkeit auf ein anderes Gebiet. Als
man begann, Empiremöbel zu sammeln und als diese
infolgedessen große Preise erzielten, wurde es beliebte
Methode, schlichte Mahagoni-Empireschränke, Betten,
Sofas usw. durch Anbringung von alten oder meist
neuen Bronzen zu bereichern. Und das Neueste ist

jetzt, da „Biedermeier“ Trumpf ist, das Einlegen neuer
Intarsien in alte biedere Mahagoni- und Birkenmöbel
dieser letzten historisch einheitlichen Epoche. Oft wird
da allerdings noch sehr plump verfahren, indem man
fabrikmäßig hergestellte, schwarzeingelegte Leisten mit
fortlaufendem Laub- oder Linienornament den Möbeln
vorlegt. Allein an diesem fortlaufenden, an irgend einer
Stelle roh unterbrochenen Intarsiaschmuck kann man
natürlich sofort die Fälschung erkennen, da auch die
erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch stets die un-
bedingte Achtung vor dem organisch geschlossenen
Ornament hatte, das jeder einzelnen zu füllenden Fläche
klar angepaßt wurde. Schwierig, oft ganz unmöglich ist
es zu erkennen, ob die einfachen hellen Faden- oder
Stabeinlagen ursprünglich sind, da eine derartige Berei-
cherung eines schlichten Furniers ohne Schwierigkeiten
vorgenommen werden kann.

Abgesehen von diesen unzähligen raffinierten Abarten
der Verfälschung, wie sie im Ändern des alten Zustandes,
im Zusammenbauen nicht ursprünglich zusammengehöriger
Teile, im Bereichern durch Zutaten, im Verschönern
durch Einlagen bestehen, gibt es aber noch eine Gattung
des Verfälschens, bei der das ursprünglich alte Möbel
bis auf ganz geringfügige Teile völlig unberührt bleibt,
bei der aber doch durch eine ganze Kleinigkeit ungeübten,
stilistisch nicht gebildeten Augen gegenüber eine starke
Steigerung des Wertes herbeigeführt werden kann: Das
ist die Fälschung des Datums. Sie geschieht entweder
durch Einschnitzen oder Einlegen einer Jahreszahl, die
das Möbel älter macht als es wirklich ist. Hier scheitert
die Fälscherkunst allerdings für den Kenner in den
meisten Fällen gleich durch die schlechte Form der
Zahlen; so einfach es scheint, so schwer ist es in
Wirklichkeit, den besonderen Charakter der Zahlen einer
bestimmten Stilepoche absolut treu nachzubilden. Oder
aber, und das ist oft viel gefährlicher, man verändert
ein Datum, indem man eine oder zwei Zahlen der alten
geschnitzten oder eingelegten Jahreszahl durch Entfer-
nung einzelner Striche oder Rundungen, resp. durch Zu-
fügung eines solchen Striches in andere umwandelt.
Ein ausgezeichnetes Beispiel für eine derartige Fälschung
ist der in Abb. 4 wiedergegebene Stuhl, bei dem die am
unteren Verbindungsbrett angebrachte Jahreszahl 1697
durch Entfernung des Schwanzes an der 9 in 1607 um-
geändert worden ist. Durch diesen einfachen Trick ist
der Stuhl um volle 90 Jahre älter gemacht worden, und
so ist er auch in einem bekannten Handbuch als Re-
naissancestuhl veröffentlicht; für den, der mit den
stilistischen Kennzeichen des 17. Jahrhunderts einiger-
maßen vertraut ist, ist allerdings dieser Fälschungsver-
such zu plump, um länger als einen Augenblick täuschen
zu können. Schwieriger ist es bei bäuerlichen Möbeln,

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