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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
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Schmidt, Robert: Verfälschte Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0014

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Abb. 4. Aller geschnitzter Stuhl von 1697.
Die Jahreszahl in 1607 verfälscht.

geworden ist. Derartige „Umbauten“ sind fast industrie-
mäßig hergestellt worden, und besonders in Köln be-
tätigte sich darin eine wohlbekannte Firma in den
1870er Jahren mit besonderem Geschick.

Wir wissen aus alten Abbildungen auf Gemälden
und graphischen Blättern, daß man die Stollenschränke
gleichsam als Prunkbuffets benutzte und auf ihnen den
Schatz des Hauses an Metallgeräten usw. zur Schau
stellte. Dazu bediente man sich kleiner hölzerner Stufen,
die auf das Möbel aufgesetzt wurden. Da diese — ganz
schlichten — Stufen erklärlicherweise fast nie die Jahr-
hunderte überdauert haben, stellt man natürlich auch
sie wieder aus altem Holz mit alten Profilen her und
gibt dadurch dem Schrank ein gewichtigeres Aussehen
und eine auch dem modernen Dekorationsgeschmack an-
gepaßte Form. Und man geht weiter, indem man da-
rüber wieder noch ganze Baldachine baut, mit geschnitzten
Rückwänden, Fialen und durchbrochenen Simsen, so wie
man es von einigen besonders reich ausgestatteten fran-
zösischen Exemplaren kennt. Wobei man vergißt oder
nicht weiß, daß auch die meisten dieser französischen

Prunkmöbel nicht im ursprünglichen Zustand sich be-
finden. Daß auch bei sehr vielen Stollenschränken die
schmiedeeisernen Schlösser, besonders aber die Eisen-
griffe und die durchbrochen gearbeiteten Bänder meist
neuere Zutat sind, sei nur nebenbei bemerkt. Die Abb. 1
gibt einen mit einer bekannten rheinischen Sammlung
im Jahre 1890 versteigerten Stollenschrank wieder, der
gleichsam als Schulbeispiel für fast alle die angeführten
Arten der Verfälschung dienen kann, da außer den
Mitteltüren und einigen Teilen des Gestelles alles Zu-
tat ist.

Wie dem Stollenschrank so ist es auch manchem
anderen Schnitzmöbel ergangen; am lukrativsten ist eben
die Veredelung eines schlichten Schrankes, einer ein-
fachen Truhe oder eines glatten Tisches durch reich
geschnitzte alte Füllungen oder durch ganz neue Schnitze-
rei. So sind — abgesehen von Arbeiten aus der Re-
naissancezeit — auch besonders gern die schönen und
begehrten Lütticher Möbel des 18. Jahrhunderts dadurch
vermehrt worden, daß man zu dem alten Unterteil einen
neuen Aufsatz, und zu dem alten Aufsatz ein neues
Unterteil anfertigte. Für das Altmachen des Holzes gibt
es gute Mittel; meist aber wird von vornherein gutes,
altes Holz verwendet. Es kommt aber auch vor, daß
durch Zusammenbauen verschiedenartiger Möbelteile, ganz
neue, phantastische Möbeltypen geschaffen werden. Da-
für mag die Abb. 2 ein Beispiel geben. Füllungen von
ganz verschiedenen Schränken sind da vereinigt worden
zu einer kuriosen Kombination von Waschschrank und
Kleiderschrank, die historisch völlig unmöglich ist, aber
doch lange Zeit als ein besonders gelungenes Spezimen
praktischer deutscher Schreinerkunst gegolten hat

Dasselbe, was für die geschnitzten Eichenholzmöbel
Niederdeutschlands gilt, gilt auch für die fournierten und

Abb. 3. Barockschrank mit gefälschten Intarsien.

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