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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Oktoberheft
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Widmer, Johannes: Der "Salon national" von Basel
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Hans Thoma in Paris: aus den Erinnerungen des Meisters
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0062

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namentlich A m i e t. Mit dem auf freskale, rundende
Vereinfachung gehenden Streben Amiet’s in der Malerei
verträgt es sich sehr gut, daß seine Bildnisbüsten so
augenfällige Gestalt haben. Amiet nimmt die Häupter
in seine Bildnerhand, als seien sie (und sie sind es!)
unmißverständliche, erquicklich formklare, dem Stiel und
Stamm entnommene reife Früchte, deren Teile er nun
aus diesem nämlichen Empfinden heraus so gestaltet,
wie der dem Ganzen zukommende symbolische Frucht-
charakter es fordert und zuläßt. Nicht daß man diese
Worte so verstehe, als ob Amiet irgend was oder irgend
wie travestiere. Das Bild der Frucht bietet sich mir dar,
weil diese Bildnisballen so saftig, so lebenstrahlend, so
gehaltvoll sind.

Angst ist der Mann des Steins, des felsigen, des
langsam nur, doch dann mit stillberedter Eindringlichkeit
wirkenden. Er hat Anklänge an die hellenische Antike,
an die Gotik, spurenweis auch an Rodin, doch sind sie
nachgerade in seine Natur, die aus Milde und Ausdauer,
aus Melancholie und Lebenswillen, und, im Handwerk,
aus unbetrüglicher Ruhe der Aufassung, Strenge der
Arbeit, Sicherheit des Aufbaus gemengt ist, aufgegangen.
Alles ist männlich edel, was er einmal aus der Werk-

statt entläßt. Aber sein Eigenstes sind wohl seine
Statuen reifender Jugendgestalten, die, durchaus sein Besitz,
sein Bild, der Empfindung nach mit den jugendlichen
Wesen Keller’s und Hodler’s, verwandtes Fühlen, ähn-
liche Bildung haben (vom Dichter denke ich da an den
„Taugenichts“ und beinah schon an „Romeo und Julia
auf dem Dorfe“, plastisch angeschaut und von der litera-
rischen Fessel losgelöst; vom Maler an das „Zwiegespräch
mit der Natur“, an den „Frühling“, an den „Auserwählten“).

Hubacher und V i b e r t muß ich einer anderen
Besprechung Vorbehalten. Hall er’s Werk ist in
Deutschland anerkannt: und dabei kennt man dort die
Büste ,G. M.‘ noch nicht, die mir Höhe und Inbegriff
seines bisherigen Schaffens scheint.

* *

*

Graphik und Kunstgewerbe sind so reichlich be-
schickt, daß ich mir Halt gebieten muß, so weh es tut
und so ungerecht ich scheine. Im Ganzen ist das Bild
unseres Kunstlebens ermutigend. Die Meister in hohen
Ehren, die vor der Generation von heute dachten, schufen:
die Gegenwart ist, fortschreitend und zur bedachten
Wirksamkeit entschlossen, ihrer wert, so anders sie sei.

jians Tboma in Paris

Aus den 6tmanerungen des Meifters

Am 2. Oktober begeht Hans Thoma, der Alt-
meister der modernen deutschen Malerei seinen 80. Ge-
burtstag. Er hatte schwer zu kämpfen, ehe er die
Beschaulichkeit einer der Not entrückten Existenz
genießen konnte. Als sein Ruhm einsetzte, war der
Meister fast schon fünfzig Jahre alt. Anfang der neun-
ziger Jahre aber wuchs sein Name, von München aus
gefördert, so stark, daß er sich bald einen ersten Platz
im Volke eroberte. Heute haben alle großen deutschen
Museen ihre Thoma-Reihe und es gibt auch keine
moderne Privatgalerie von Rang, die nicht ihren Thoma
zu ihren Kostbarkeiten zählte. Was der Altmeister, der
die Feder nicht minder sicher führt als den Pinsel, in
den acht Jahrzehnten seines Lebens erfahren hat, das
gibt er mit wundervoll-schlichter, seelenvoller Mensch-
lichkeit in einem Buche wieder, das „Im Winter des
Lebens“ heißt und in diesen Tagen bei Eugen Diede-
richs in Jena erscheinen wird, wo erst kürzlich die
kleine weltkluge Schrift des Meisters „Wege zum Frieden“
herauskam. Der Verlag Diederichs hat uns die Aushänge-
bogen der Thoma’schen Erinnerungen, die sich zweifellos
bald einen großen Leserkreis schaffen werden, in freund-
lichster Weise zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen
hier aus diesen Aushängebogen einen Abschnitt, in dem
Hans Thoma seine erste Reise von seiner Schwarzwälder
Heimat nach Paris und seine Begegnung mit C o u r b e t
schildert.

Am 21. April 1868 ging ich mit Scholderer nach Paris.

Es war eine gar schöne Fahrt durch Frankreichs
grüne blühende Landschaft. In einem riesengroßen
Atelier, das die Frankfurter Maler Steinhardt und Winter
bewohnten, wurden noch zwei Betten eingestellt und so
hausten wir zu viert darin. Es war ein fröhlich Leben.
Nun gab es täglich zu sehen. Wir besuchten Schreyer,
auch Peter Burnitz war dort, lauter Frankfurter.

Von den neuern Franzosen machte den größten
Eindruck die „Exposition Courbet“ auf mich. Es waren
etwa 200 Bilder vereinigt. Diese Freiheit des Schaffens
tat mir wohl nach der Ängstlichkeit des Karlsruher und
Düsseldorfer Professorentums. Das war etwas Ganzes,
war für mich die Malerei. Die Sachen wurden mir so
klar, als ob sie meine eignen Sachen wären. Nun
glaubte ich meine Bilder malen zu können. Es war eine
schöne Zeit aufblühender Hoffnung.

Wir besuchten Courbet in seinem Atelier; er war ja
früher einmal in Frankfurt, daher kannte ihn Scholderer.
Er war nicht im Atelier, aber bald erschien oben aus
einer Art Verschlag aus einem Guckloch ein großer
breiter Kopf, der gutmütig lachte als er Scholderer er-
kannte. Er war eben aufgestanden; ein ungekämmter
Kopf auf kurzem Halse und breiten Schultern, auch war
er wohlbeleibt, und als Scholderer hierüber scherzhaft
etwas bemerkte, so verstand ich aus allem Französisch
heraus nur das Wort Bier. Er trank, wie aus Frankfurt
und München bekannt war, sehr gern und viel Bier.

Im Tagebuch ist eine Art Aufzählung der Bilder aus
der Exposition Courbet. Das hier aufzuführen hat keinen
Zweck, ebensowenig die Äußerungen über die Bilder des
Louvre, von denen ich entzückt war. Über den Salon
spreche ich sehr abfällig. So eine Bilderanhäufung hat
halt etwas sehr Ermüdendes. Was ich geschrieben habe,

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