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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Aprilheft
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Friedländer, Max J.: Der Kupferstichsammler Davidsohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0291

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Herausgeber: All Ol pt l DOJOG111

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Geheimrat Direktor Dr. Max J. Friedländer
gab uns die Genehmigung, das Vorwort zu veröffent-
lichen, das er für den in diesen Tagen erscheinenden
Katalog der berühmten Sammlung Davidsohn geschrieben
hat. C. G. Boerner in Leipzig, bei dem die Auktion
dieser Berliner Kupferstichsammlung am 3. Mai beginnen
wird, sandte uns die Korrekturbogen des Friedländer-
schen Vorworts.

L/upferstichsammler sind von Haus aus Leute beson-
* derer Art, und die ausdauernde Hingebung an diese
Passion Jahrzehnte hindurch prägt den Charakter vollends
aus, der zu dieser Liebhaberei geführt hat. Der rechte
Sammler, der sich mit dem Bilddrucke beschäftigt, ist
ein abgeklärter und besonnener Mann, der auf Vieles
verzichtend, ganz der Pflege seines sorglich geborgenen
Schatzes lebt. Er hat erfahren, daß die unscheinbaren
Dinge, an denen sein Herz hängt, auf die allermeisten
geringe Wirkung ausüben, nicht, wie etwa Gemälde,
Glanz ausstrahlen und der gesellschaftlichen Repräsentation
dienen, und findet selten Verständnis für seine esoterische
Bemühung. Einsiedlerisch, im Gefühl der Absonderung
und Überlegenheit, genießt er Feinheiten, die von wenigen
bemerkt werden.

Der Sammler von dieser Gattung ist im Aussterben
begriffen. Nicht nur, weil ihm bei verminderter Kauf-
gelegenheit die Betätigung eingeschränkt wird, nicht nur,
weil die gewaltigen Geldmittel, ohne die gegenwärtig
wenig zu erreichen ist, sich selten zusammenfinden mit
der beschaulichen Muße, die auch dazu gehört —: unser
Z ‘‘alter ist lauten Wirkungen zugewandt, persönlich
handschriftlicher Freiheit, malerischer und farbiger Deko-
ration und heftiger Äußerung, Eindrücken, die von den
Schöpfungen der Schwarz-Weiß-Kunst nicht zu gewinnen
sind. Mindestens wird Beschränkung und Spezialisierung

nötig, wo sich noch ein Rest von Genußfähigkeit für
stille und zarte Äußerung in dem Getöse des modernen
Kunstbetriebes erhalten hat.

Unzeitgemäß geworden ist jene vorurteilslose Sammel-
leidenschaft, die auf Vollständigkeit gerichtet, tausendmal
Befriedigung findet, ohne je zum Ziele zu gelangen, jene
bescheidene Liebe, die alles von den Meistern Hervor-
gebrachte als verehrungswürdige Monumente, mit Unter-
drückung dreist subjektiver Vorliebe, hinnimmt. Selten
geworden ist jene scharfsichtige und subtile Beobachtung,
jene unendliche Kenntnis von Daten, Zahlen und Merk-
malen und die gewissenhafte Geduld, also die Eigen-
schaften, die den rechten Kupferstichsammler machen.

Der Sammler modernen Typs geht auf rasche und
sensationelle Erfolge aus, will seinen persönlichen Ge-
schmack zur Geltung bringen und wird sich schwerlich
bescheiden, in einige grauen Mappen zu verbergen, was
die Anstrengung eines Menschenlebens zusammen-
gebracht hat.

Die großen Kupferstichsammler sind zumeist Eng-
länder und Deutsche gewesen. Zumal zu dem Charakter
des Engländers paßt diese zähe, emsige und etwas pe-
dantische Bestrebung, paßt die Andacht vor dem Doku-
ment, die Freude an lückenlosen Reihen, an zuverlässigen
Kriterien, paßt das Schreiten auf gebahnten Wegen und
die Scheu vor Dingen, die dem problematischen Ge-
schmacksurteil unterliegen. Der Engländer zieht organi-
sierten Besitz der reichsten Anhäufung vor.

Nicht selten scheint das Interesse des Kupferstich-
sammlers abzuirren auf Dinge, die mit Kunst nichts zu
tun haben. Die ernstliche Wichtigkeit, mit der die „Zu-
stände“ beobachtet werden, das Absuchen der Kupfer-

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