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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Maiheft
DOI Artikel:
Meyer, Hans: Die Entwicklung der deutschen Gebrauchsgraphik
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0333

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i. Mai Ucft

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oon

Hans pieket

Regierungsbaumeister a. D. Hans Meyer in Berlin,
der um die Hebung der Qebrauchsgraphik seine Ver-
dienste hat, sendet uns auf unsere Bitte den nach-
stehenden Artikel.

Andere Zweige der bildenden Kunst blicken auf eine
Geschichte von Jahrtausenden zurück, und gelehrte
Forscher suchen in vorweltlichen Höhlen ihren Ursprung
zu ergründen: die Gebrauchsgraphik ist ein Vierteljahr-
hundert alt, die Zeugnisse ihres Entstehens liegen klar
vor uns und sind von jeher planmäßig gesammelt worden.
Was die deutsche Gebrauchsgraphik anlangt, so können
wir sogar ihr erstes vollgültiges Werk bezeichnen: es ist
Stitterlins Hammerfaust-Plakat vom Jahre 1896.

Natürlich fehlt es dieser und den ihr verwandten
Arbeiten nicht an Vorläufern, sie sind — wie alles natür-
lich Gewordene — die Folge einer zwingenden Entwick-
lung. Aber erst mit dem Abschluß dieser Entwicklung
haben wir das vor uns, was wir hier untersuchen wollen:
einmal die Gebrauchsgraphik als selbständigen Zweig
der bildenden Kunst, zum andern als deutsche Ge-
brauchsgraphik. —

Graphische Arbeiten zu Gebrauchszwecken von
Künstlerhand gab es schon lange, hat es immer gegeben.
Aber hier scheint nicht der passende Ort, nicht der aus-
reichende Raum, auf die angeblichen Vorläufer des
Altertums und des Mittelalters einzugehen. Solche ge-
lehrten Abschweifungen führen doch immer nur zu dem
unbrauchbaren Ergebnis, daß die neuzeitliche Erscheinung
mit diesen Vorläufern durch keine Brücke natürlicher
Entwicklung verbunden ist. Eher kann den zeitlich näher
stehenden Meistern, einem Schadow, Hosemann, Menzel
und Andern das Verdienst zugesprochen werden, die
heutige Gebrauchsgraphik zum Mindesten angeregt
zu haben, denn unter ihren Gebrauchsarbeiten finden

sich in ziemlicher Zahl solche, die ihrer Zweckbestimmung
nach nicht unmittelbar auf Kunst angewiesen waren, so
Schadows Gastwirtsempfehlungen, Hosemanns Renn-
ankündigung, Menzels Ehrenurkunden und dergleichen.
Gerade dieses Fehlen des inhaltlichen Zusammenhanges
mit der Kunst scheint mir das unterscheidende Merkmal
für den heutigen Begriff Gebrauchsgraphik zu sein. Be-
durfte es doch keiner besonderen Entwicklung, dahin zu
gelangen, daß die Karte für ein Künstlerfest, die
Ankündigung einer Kunstausstellung der Hand eines
Künstlers anvertraut wurde! Und ein weiterer Unter-
schied gegen den heutigen Geist liegt darin, daß die
Künstler, die solche Aufgaben übernahmen, darin keine
ernste schöpferische Tat, sondern nur eine Spielerei nach
getanem Werk oder eine ihrer unwürdige Arbeit ums
liebe Brot sahen. Unter den letzten „Überleitern“ zur
modernen Gebrauchsgraphik finden wir die besten da-
maligen Künstler, Ludwig v. Hofmann, Röchling, Doepler,
Stuck und Andere, vor allem Otto Fischer mit seiner
„Alten Stadt“ für die Kunstgewerbe-Austellung 1896 in
Dresden, die ich noch zu den Überleitern rechne, weil
auch sie ja einer Kunstaufgabe gewidmet war.

* *

*

Die erste graphische Arbeit in Deutschland, die,
ohne auf die Kunst inhaltlich eingestellt zu sein, einem
Künstler anvertraut und von diesem in dem eigenen
Stil gelöst wurde, der dieser Aufgabe zukam, ist das
Plakat von Sütt erlin für die Berliner Gewerbe-Aus-
stellung vom Jahre 1896 — die erste in Deutsch-
land, denn dieser Stil war, etwa zehn Jahre früher,
in Frankreich geschaffen worden, wo Ch6ret auf
dem Boden seines Steindruckhandwerks, danach Tou-
louse-Lautrec auf den Schultern seiner japanischen Lehr-

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