Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Juniheft
DOI Artikel:
Sarre, Friedrich: Das Ischtar-Tor von Babylin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0384

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das KcbtävzXov oon Babylon

oon

ftuedtnd) Saüce

\\ Tie sich die Zukunft unserer wissenschaftlichen Tätig-
’ * keit im Orient gestalten wird, ist ungewiß. Von
allen anderen Hinderungen abgesehen, auf die hier
nicht eingegangen sei, wird man erst dann an eine
Wiederaufnahme der Arbeit denken können, wenn sich
die durch den Krieg erregten Wogen einigermaßen be-
ruhigt haben werden. Es scheint nicht, als wenn dieser
Zustand im vorderen Orient
alsbald eintreten wird.

Mittlerweile sind unsere Aus-
gräber damit beschäftigt,
die Ergebnisse ihrer früheren
Tätigkeit zu bearbeiten.

Über die mesopotamischen
Ausgrabungen von Assur,

Babylon, Samarra und Warka
sind Veröffentlichungen in
Vorbereitung. Über das
Ischtar-Tor in Ba-
bylon hat Prof. Robert
Koldewey schon vor
über Jahresfrist ein monu-
mentales Werk, als 32. wis-
senschaftliche Veröffentlich-
ung der Deutschen Orient-
Gesellschaft, herausgebracht,
die erste Frucht seiner durch
die Verhältnisse erzwunge-
nen Muße, die Anfang März
1917 einsetzte, als er kurz
vor dem Fall von Bagdad,
die Stätte achtzehnjähriger
erfolgreicher Wirksamkeit,
verlassen mußte.1)

Das Ischtar-Tor ist un-
streitig eine der größten und
wirkungsvollsten Ruinen von
Babylon, ja von ganz
Mesopotamien. Es bildete
das nördliche Haupttor der
inneren Stadt und zugleich
vom Palast, dem Kasr aus,
die bekannten Mauerzüge Imgur-bel und Nimitti-bel
durchschneidend, den imposanten Zugang zu der Pro-
zessionsstraße des Gottes Marduk, die an ihren Seiten-
wangen mit den bekannten emaillierten Löwenreliefs, den
Tieren der Göttin Ischtar, geschmückt war. Als Doppel-
tor gestaltet, zeigt das Torgebäude zwei hintereinander
liegende, durch weitvorragende Türme gedeckte Binnen-
höfe, eine Anlage, wie sie uns schon von anderen alt-

‘) Das Ischtar-Tor in Babylon. IV, 56 S. mit 53 Abbildungen
Im Text, 11 Steindrucktafeln, 16 Lichtdrucken und 7 farbigen
Tafeln sowie großem Stadtplan. Verlag von J. C. Hinrichs in
Leipzig. 1919.

orientalischen Städten, Assur, Khorsabad und Sendschirli
bekannt ist.

Das Ischtar-Tor in seiner jetzt aufgedeckten Gestalt
(Abb. 1) ist ein Werk Nebukadnezars (604—561 v. Chr.);
es hat dadurch mehrfache Umänderungen erfahren, daß
der König die durch das Tor führende Straße zweimal,
im ganzen über 15 m, erhöhte, wodurch sich die Not-
wendigkeit ergab, das Tor-
gebäude gleichfalls ent-
sprechend höherzugestalten.
Was nun diese Anlage zu
einer der höchsten künstle-
rischen Leistungen des Alter-
tums macht, ist ihr Schmuck,
sind die horizontalen Streifen
von Tierfiguren, von Stieren
und Drachen, die die
Flächen der Ziegelmauern
beleben. Der untere, noch
erhaltene und durch Kolde-
weys Ausgrabungen frei-
gelegte Teil des Tores zeigt
diese Tierfiguren in Relief,
die ursprünglich jedenfalls
bemalt werden sollten. Ehe
diese Bemalung zur Aus-
führung kam, trat eine Ände-
rung in der Technik ein;
man gab die Reliefierung
auf, stellte zwei flache
Tierreihen in farbigem Email
dar (Abb. 2) und überzog
die unteren Reihen mit Gips,
sodaß die emaillierte Wand
auf einem leuchtend weißen
Sockel zu stehen kam. Beim
weiteren Höherbau des
Tores, um 580 v. Chr.,
verschwanden auch diese
flachemaillierten Tierreihen
unter der Aufschüttung;
man kehrte zur Reliefierung
zurück, führte aber diese bei der Weiterentwickelung
der Technik in Email aus. Die gesamte Ober-

fläche des zinnengekrönten Tores zeigte nun einen
farbigen Schmuck mit Streifen von abwechselnd weißen
und gelben Stieren und Drachen auf blauem Grunde.
In dieser Gestalt hat Alexander der Große, hat die Nach-
welt bis Trajan (115 n. Chr.) das Ischtar-Tor gesehen.
Herodot nennt es fälschlich das Tor der Semiramis,
jener sagenumsponnenen Königin, der ja bekanntlich
auch die gleichfalls jetzt wiedergefundenen hängenden
Gärten von Babylon zugeschrieben wurden.

Abb. 1. Pfeiler mit Tierfiguren vom Ischtar-Tor
in Babylon

380
 
Annotationen