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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Juniheft
DOI Artikel:
Rohde, Alfred: Ein Kanonenaufsatz von Ulrich Klieber
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0383

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des Visiers war folgender: Die verschiebbare Visierplatte
wurde auf Kugelgewicht und Entfernung, die durch die
Schnittpunkte der vertikalen und schrägen Linien markiert
sind, mit dem unteren Rande eingestellt, daraufhin visierte
man durch das Visierloch über das Korn des Geschützes
bzw. aufgesetztes Wachskorn auf das Ziel hin; dadurch,
daß diese drei (Visierloch oder Auge, Korn und Ziel) in
einer Linie lagen, erhielt das Geschülz durch Verstellen
des Laufes die nötige Elevation, um das Ziel zu treffen.

Die Möglichkeit, in dieser Art unter direkter Be-
obachtung zu zielen, bestand für den Mörser nicht, denn
der Mörser war ein Steilfeuergeschütz. Deshalb ist
seitlich an dem Klieberschen Aufsatz ein Wurfleiter für
Mörser angebracht. Von der Schwanzspitze eines auf
den Kopf stehenden Delphins spielt ein Perpendikel auf
einen Sektor, der mit einer Gradeinteilung auf einer
Seite bis 800, auf der anderen Seite bis 1000 Grad ver-
sehen ist. Zur Benutzung wurde der Apparat auf die
Mündung des Mörsers gesetzt und dieser so geneigt,
bis das Perpendikel auf dem Sektor die gewünschte
Entfernung anzeigte, wobei jeder Grad 100 Schritt in
der Entfernung bedeutete.

Auf dem eigentlichen Aufsatz befindet sich noch ein
weiteres Perpendickel zwischen zwei Delphinen, dessen

Erklärung besondere Schwierigkeiten macht, da es nicht
in der Ebene der Aufsatzplatten steht und einspielt.
Bei einer bestimmten Neigung des ganzen Apparates erst
spielt der Senkel ein und, wird diese Neigung über-
schritten, so klappt er mechanisch zusammen. Dafür
gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten: Entweder zeigt diese
Vorrichtung die höchste oder die niedrigste Neigung des
Geschützes an. Besonders die niedrigste Neigung
(Beschießung eines tiefgelegenen Zieles von einem
höheren Standort aus) mußte von besonderer Bedeutung
sein, da für das Artilleriewesen jener Zeit ein Punkt bei
zu starker Neigung des Geschützes eintrat, wo ein Schuß
nicht mehr möglich war, d. h. die Kugel aus dem Rohr glitt.

Der ganze Apparat ist reich graviert und geschnitten
sowie vergoldet. Besonders die Delphine mit ihrer leb-
haften Innenzeichnung geben dem Ganzen einen
besonderen Reiz. Auf dem Boden der Fußplattte steht
die Inschrift:

UDALRICUS - KLIEBER - AUGUST - FACIEBAT
ANNO - MDLXX1V

Der Leutnant oder Büchsenmeister, der der glückliche
Besitzer des Apparates war, hat seine Initialen C. D. auf
die Visierplatte eingravieren lassen.

Aus Felix Meseck
15 Kaltnadelradierungen
zu Kleists Penthesilea

(Verlag Ferdinand Möller,
Potsdam)

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