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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Novemberheft
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Ostermann, Paul von: Ueber Porzellanbewertung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0098

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Paul ix Offet’tnann

Im Anschluß an die Besprechung der bei Lepke für die
* Meißener Porzellane der Sächsischen Staatssammlungen
erzielten Preise*) mögen einem seit fast 20 Jahren auf dem
Gebiete der Keramik und besonders des alten Porzellans
tätigen Sammler und Sucher einige Gedanken gestattet sein.

Es ist unbestreitbar, daß auf dieser Auktion die
Bewertung der frühmeißener Porzellane eine noch nicht
dagewesene Höhe erreicht hat. Brachten die vor Jahren
erfolgten öffentlichen Verkäufe bekannter Sammlungen in
München und Berlin für damalige Zeiten schon sehr
hohe Ziffern, so übertraf letztere die jetzt erlebte Berliner
Auktion ganz bedeutend; und zwar sowohl für die kaum
wieder vorkommenden Seltenheiten der großen Meißener
Tiere und die Qualitätsstucke kostbar bemalter Herold-
porzellane mit und ohne einfarbigen Grund, als auch für die
früher weniger begehrenswert erschienene Boettgerkeramik.

Wenn man die Hauptursachen der erzielten hohen
Preise in der alten hervorragenden Herkunft und Selten-
heit der ausgebotenen Stücke sowie in sogenannten
Valutakäufen sehen will, so sind dies doch nicht die
alleinigen Gründe der stark erhöhten derzeitigen Porzellan-
bewertung. Es hat sich vielmehr seit einer Reihe von
Jahren eine ganz besondere weitverbreitete Sammelliebe
für die europäischen Porzellane des 18. Jahrhunderts
herangebildet, die in Anbetracht der meist an Modellierung
und Bemalung ebenso anmutig vielseitigen wie reizvoll
seltenen Erzeugnissen dieser entzückendsten Gebilde jener
Zeit durchaus berechtigt erscheint.

Dazu kommt, daß wir natürlich bei der noch vor-
handenen Absperrung der Grenzen und der feindlichen
Länder, namentlich Englands und Frankreichs, in ab-
sehbarer Zeit auf neue Zufuhr dieses vielbegehrten alten
Artikels nicht, wie früher, werden rechnen können. Un-
sere eigenen Bestände sind durch die großen Auktions-
und sonstigen Verkäufe der vergangenen 20 Jahre stark
gelichtet. Zwar suchten die Museen und Privatsamm-
lungen, in lobenswertem Eifer das noch erreichbare Gute
an altem begehrenswertem Porzellan zu erfassen, so be-
sonders in Berlin, Hamburg, Dresden, München, Wien
und Budapest. Auch wurde vor nun 12 Jahren auf
Veranlassung des neuer wie alter Kunst lebhaftes und
verstehendes Interesse entgegenbringenden Großherzogs
von Hessen in den stimmungsvollen Rokokoräumen des
Prinz Georgs Palais zu Darmstadt ein erstes eigentliches
deutsches Porzellanmuseum durch den Verfasser dieses
begründet und dessen Bestände seitdem nach Möglichkeit
erweitert. Aber die andauernde starke Preissteigerung ließ
für öffentliche Sammlungen die erwünschte qualitätvolle
Vermehrung des bereits Vorhandenen meist nicht zu, zumal
die Konkurrenz der oft viel kaufkräftigeren Privatsammler
fast immer auf Versteigerungen und im freien Handel des
deutschen Kunstmarktes beim Ankauf den Sieg davontrug.

Dennoch ist es sehr freudig zu begrüßen, daß auch

*) Vergl : Donath, 2. Oktoberheft des „Kunstwanderers“.

hierdurch ein bedeutender Teil deutscher und speziell
süddeutscher Porzellane, wie z. B. Nymphenburg, Höchst
und das besonders hochbezahlte Fulda, auf deren Er-
werbung sich die Vorliebe zahlreicher Sammler richtete,
im Lande blieben. Und es wäre nur zu wünschen, daß
diese wertvollen alten Kunstgebilde durch Stiftung, dauernde
Leihgabe oder sonstwie einst ihren Weg in die kera-
mischen Spezialsammlungen der Museen finden möchten.

War in Deutschland und auch Österreich-Ungarn das
Kaufinteresse hauptsächlich auf die alten begehrenswerten
Porzellangegenstände ehemaliger Manufakturen des eige-
nen Landes gerichtet, so bestand ebendiese Vorliebe im
Auslande in gleicher Weise. Infolgedessen kam manch
gutes Stück „Old Dresden China“ oder „Vieux Saxe“
aus London bezw. Paris zu annehmbarem Preise in
unsern Besitz, während die wenigen bei uns vorhandenen
Spezialsammler von englischem (wie z. B. Chelsea) oder
französischem (Sevresporzellan) dieses trotz des früher
für uns günstigeren Valutastandes oft viel billiger im
eigenen als im fremden Lande erwerben konnten; von
dem selten vorkommenden wirklich alten China- und
Japanporzellan, das auf den Heimatsmärkten sowie in
London und Paris eine äußerst begehrte Sonderstellung
einnimmt, natürlich abgesehen.

Zieht man die jetzt zu Tage getretenen außergewöhn-
lichen Faktoren der hochbezahlten Provenienz und Valuta-
käufe ab, so bleibt zweifellos die Tatsache der fort-
dauernd erheblich höher zu bewertenden Qualität
der alten Porzellane, wie ja auch aller andern Erzeug-
nisse antiker Kunst, bestehen. Es ist nur zu hoffen,
daß die unnatürliche Inlands-Überzahlung, welche gegen-
wärtig durch die große Entwertung unserer Währung
stattfinden muß, sich mit deren langsam zunehmender
Besserung allmählich wieder ausgleichen wird.

Die Hauptgefahr für den deutschen Kunstmarkt bildet
jedoch die ganz unberechenbare Kaufkraft Amerikas,
das, in seiner unbegrenzten Aufnahmefähigkeit alten
Kunstbesitzes, weder vor Gemäldegalerien noch Samm-
lungen kostbaren Kunstgewerbes halt machen, sondern
diese, auf Grund des voraussichtlich immensen Anlage-
bedürfnisses, direkt oder indirekt wie eine entsprechend
zu bewertende Ware wohl einfach aufkaufen wird.

Gerade im Hinblick hierauf haben wir jetzt, entgegen
den vielfach (nicht nur in Deutsch-Österreich!) unter
Ausnutzung der hohen Valuta zu bemerkenden Verkaufs-
und Abwanderungsbestrebungen unserer Wertobjekte
alter Kunst, die auch für Sammler bestehende Verpflich-
tung, erstere als bleibende Kunstwerte unserm so schwer
geprüften Vaterlande zu erhalten und sie je nach vor-
handener Möglichkeit noch zu mehren, um durch das
Bewußtsein dieses auch kulturhistorisch bedeutungsvollen
alten Besitzes, an Erzeugnissen vergangener heimatlicher
Kunst und Industrie, den Wiederaufbau aller Werte
fördern zu helfen.

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