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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Augustheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [5]: die französische Liebhaberausgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0470

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Betrachtungen zuv Bucbkunftbeinegung der Qegenwavt

III. Die füansö(ifd)c Uebbabeüausgabe *)

üon

G* A. 6. Bogeng

[jas Jahr 1789 bezeichnet keinen schroffen Wechsel
der alten zu den neuen Kupferstichwerken, der Betrieb
der librairie illustree geht weiter, wenn auch die Zeitum-
stände den Bildinhalt vor allem dadurch verändern, daß
sie den Esprit verlieren, der im ancien rdgiine die Be-
seelung war. Damit aber verschwinden, gewissermaßen
ihres inneren Haltes be-
raubt, auch die tetes de
page und die culs-de-lampe
und die fleurons, kurz, die
buchschmiickende Text-
vignette, was zurückbleibt
ist die Kupfertafel, das
sich vom Satzspiegel tren-
nende Vollbild. Die Bei-
gabe von Buchbildern ist
jetzt wieder die Regel und
der Band eines Buches
empfängt von ihnen, die
ihn begleiten, seinen Wert.

Die Loslösung der Vignette
vom Text macht von neuem
aus den kostbaren Pracht-
werken oder kostspieligen
Luxusproduktionen einen
Ersatz der Graphikmappe.

Je mehr die Jllustration
ihrem Umfange nach ein
Werk bereichert, desto
weniger wird der Text für
die Buchform wichtig. Er
erscheint hier als Bilder-
vorwand und Zugabe.

Das wird in der, etwa
von 1800 bis 1830 reichen-
den, Übergangszeit recht
deutlich, in der nicht
allein, rückwirkend von
Bodoni und Didot, die
Kunstregel der „hellen“ Seite und ein gewisser Purismus der
Typographie für das regelmäßige Buch Geltung gewinnt,
sondern auch in der Kaiserzeit von dem Bücherkenner und
Verleger A. A. Renouard geschaffene Buchtypen entstehen,
die in den schönen Klassikerausgaben der Restaurations-
epoche weitergebildet werden. Die Scheidung zwischen
dem Buchbilde und dem Buchtexte ist, abgesehen von
den Ausnahmen der künstlerischen und wissenschaft-
lichen Tafelwerke, deren Folioformat einen weiten Bilder-
rahmen zuläßt, zur äußeren Trennung geworden. Die
Verleger veröffentlichen für die eigenen und auch für
fremde Veröffentlichungen einzusetzende, besonders zu
*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1./2. Juliheft 1920.

beziehende Bilderbogen, Suites. Beliebig und willkürlich
sind die Bücher zu illustrieren. (Wer den Gang dieser
Entwicklung genauer verfolgen will, findet dazu eine
vollständige Beispielsammlung in Renouards Verzeichnis
seiner großen Privatbibliothek). On a ajoute heißt jetzt
das Zauberwort der französischen Bibliophilen.

Um 1820, als der Stil
„pompier“ aufgehört hat,
beginnt der Holzschnitt
auch der Buchverzierung
durch Jllustrationen zu
dienen, während gleich-
zeitig für die eigentlichen
Bilderwerke die Gravüre
durch die billige Litho-

graphie ersetzt wird und
mit dem Ende dieses Jahr-
zehnts hört das Buch des
Empire und der Restau-
ration auf. Das „feine“

Grand papier velin der
Didot und Crapelet Edi-
tionen, die vielbändigen
Gesamtausgaben, die man
am besten Bibliothekswerke
nennt und die die Mitte
zwischen Lesebuch und
Liebhaberausgabe halten,
werden seltener. Ihr Ver-
dienst liegt weniger in
einer Bereicherung der
Buchkunst als in der Er-
neuerung des buchgewerb-
lichen Gefühls, soweit es
der Geschmack an tech-
nischer Solidität ist. Die
Buchbildmeister, äußerlich
die Tradition des acht-
zehnten Jahrhunderts fort-
setzend, sind künstlerisch verflacht. Aber auch handwerklich
haben sie keine Sicherheit mehr. Die Abzüge ihrer

Stiche sind reizlos, wozu der Gebrauch des glatten
Velinpapiers an Stelle der alten Büttenpapiere und
die Anwendung der aufgezogenen Chinapapiere das ihre
beiträgt. Da erscheinen in den Jahren 1828 und 1830
zwei Bücher, die einen Umschwung vollziehen. Das
kupferne Zeitalter ist für das französische Buch vor-
über (wie einmal Octave Uzanne witzig sagte), es tritt
in das hölzerne und steinerne (und allerdings auch in
das stählerne). Diese beiden Bücher sind gleichzeitig
Herolde der Romantik, das eine von ihnen, Goethe’s

Faust mit den Steinzeichnungen von E. Delacroix (Paris

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