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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Marcus, Otto: Die wirtschaftliche Lage der Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0137

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Adolph Donath

l. Dezemberheft

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Otto bareus

Der Vorsitzende des Wirtschaftlichen Verbandes
bildender Künstler zu Berlin, Maler Otto Marcus, gibt
hier auf die Bitte des „Kunstwanderers“ eine Darstellung
der Aufgaben des Wirtschaftlichen Verbandes, die
gleichzeitig eine Orientierung über die wirtschaftliche
Lage der Künstler bedeutet.

Im lebendigen Fluß aller sozialen Entwicklungen mußte
auch die Stellung der bildenden Kunst bezw. der
Künstler sich verändern. Die kapitalistische Entwick-
lung mit ihrer Umschichtung der Vermögen hob und
senkte ganze Klassen und Stände. Die hohe Stellung
des Handwerks im Mittelalter hatte aufgehört, eine höhere
Wertschätzung der individuellen künstlerischen Erzeug-
nisse sich andererseits herangebildet. Die Formen der
Künstlergemeinschaften mußten sich entsprechend ändern.
Die Ausübung der Kunst erfordert in neuster Zeit be-
deutende Mittel. Ohne teures Atelier und ohne standes-
gemäßes Auftreten geht es nicht mehr. Die Ausübung
der Kunst kann aber nicht der kleinen begüterten Be-
völkerungsschicht Vorbehalten bleiben, dazu ist die künst-
lerische Begabung zu selten; der künstlerische Nachwuchs
muß sich aus allen Schichten der Bevölkerung rekrutieren.
Die Talente aus den unbemittelten Schichten sind auf
regelmäßige ausreichende Einnahmen angewiesen. Das
Wirtschaftliche ist ein notwendiger Faktor im Kunstleben
rieben dem Hauptfaktor, dem angeborenen Kunsttrieb.
Alte überlieferte Vereinsformen genügten unter den neuen
Verhältnissen trotz aller Reformversuche nicht mehr. So
entstanden die wirtschaftlichen Verbände bildender Künstler.

Eine glatte Entwicklung war ihnen nicht gegönnt.
Bald nach ihrer Gründung brach der Krieg aus. Er
schuf unvorhergesehene Aufgaben und ungeahnte
Schwierigkeiten. Das Schlimmste war, daß die jüngeren
tatkräftigen Künstler, die am wenigsten im Bann über-

lieferter Vereinsambitionen befangen waren, der Bewegung
entzogen wurden. Sobald diese den feldgrauen Rock
ausgezogen hatten und sich ihrem künstlerischen Beruf
wieder widmen konnten, nahmen sie sich mit frischen
Kräften der wirtschaftlichen Bewegung an, ihrem Ein-
greifen ist es hauptsächlich zuzuschreiben, daß der W. V.
Berlin im letzten Jahr von 900 Mitgliedern auf 1400 an-
wuchs.

Verkaufs- und Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, war
nicht die Hauptaufgabe des Verbandes bei seiner Grün-
dung. Diese Aufgaben waren mit den Ausstellungsfragen
verknüpft, die das eigentliche Feld für die verschiedenen
sehr zahlreichen Künstlervereine bilden, diese aber konnte
und wollte der Wirtschaftliche Verband durchaus nicht
überfüssig machen. Alle diese Vereine hatten nebenbei
auch für allgemeine Berufsinteressen ihrer Mitglieder zu
sorgen, als da sind soziale Fürsorge, Hilfe in Not und
Krankheit, dann Rechtsschutz, besonders gegenüber den
Kunstverlegern, Wettbewerbswesen, Materialfragen, Spe-
ditionswesen, Steuergesetze; kurzum eine Menge von
nüchternen rein wirtschaftlichen Dingen waren zu er-
ledigen, die mit dem eigentlichen Lebensnerv der Vereine,
der Vertretung der besonderen Kunst der Mitglieder,
nichts zu tun hatten und infolge der Verzettelung über-
haupt nicht richtig wahrgenommen werden konnten. Die
Zusammenfassung aller solcher Interessen durch einen
besonderen allgemeinen Verband bedeutete also eine
große sachliche Verbesserung und eine Entlastung der
einzelnen Künstlervereine. Ganz ohne Reibungen ging
es allerdings auch hierbei nicht ab, da einige Vereine
durch die wenn auch unvollkommene Pflege der oben
angeführten mehr sozialen Bestrebungen eine besondere
Anziehungskraft zu haben glaubten und, wenigstens in

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