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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Marcus, Otto: Die wirtschaftliche Lage der Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0138

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Berlin, im Anfang diese Betätigung nicht aus der Hand
geben wollten. Die Vorteile der einheitlichen Geschäfts-
gebarung erwiesen sich aber so deutlich, daß sich die
W. V. in allen Kunstzentren mit alleiniger Ausnahme
Düsseldorfs durchgesetzt haben. Es gibt 9 W. V. in
Deutschland, die sich bald nach der Gründung kartelliert
haben, ein gemeinsames Blatt besitzen und andere ge-
meinsame Einrichtungen, wie die Schutzstelle für Verlags-
recht mit dem Sitz in Berlin, geschaffen haben. Den
Vorsitz im Kartell hat der W. V. München, alle W. V.
zählen zusammen etwa 5000 Mitglieder.

Ein besonderes Problem bildet nun die Auftrags- und
Verkaufsvermittlung. Das Geldverdienen ist selbstver-
ständlich d i e wirtschaftliche Frage für den einzelnen
Künstler, sie ist aber mit dem Ausstellungswesen, mit
der ästhetischen Wertschätzung verbunden, den Haupt-
ursachen für die Zersplitterung und Spaltung in der
Künstlerschaft. Die W. V. haben gemeinsam den Grund-
satz aufgestellt: „Die Wirtschaftlichen Verbände haben
sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Angelegen-
heiten der bildenden Künstler zu befassen mit Ausschluß
aller Fragen, die innerhalb der Künstlerschaft zur Erörte-
rung künstlerischer Gegensätze führen können.“ Die
W. V. können infolgedessen keine Unternehmungen be-
treiben, die eine Jurierung notwendig machen und
mischen sich nicht in die Ausstellungsangelegenheiten.
Die Aufnahme in den Verband kann natürlich nicht Jedem,
der sich meldet, offen stehen. Irgendwie muß die berufs-
mäßige Künstlerschaft nachgewiesen werden, sei es durch
Zugehörigkeit zu einem anerkannten Künstlerverein, durch
Ausstellen in großen jurierten Ausstellungen oder du'ch Ein-
sendung von Arbeiten, die von einer eigenen Aufnahme-
komm ssion begutachietwerden. DieMitJiedermüssendann
aber gleiche Rechte genießen, um so jeden Anlaß zur Ab-
spaltung zu vermeiden Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze kann der W. V. sich der Aufirags- und Ver-
kaufsvermiitlung für seine Mitglieder annehmen. In einem
so großen Gemeinwesen, wie Berlin mit so zahlreicher
kaufkräftiger, kunstbedürftiger Bevölkerung ist das gerade-

zu geboten. Ein Blick in die „Kunstläden“ der Berliner
Straßen zeigt uns ein Massenangebot von so absolutem
Schund, (die Auslage ist „Falle“) daß die Künstlerschaft
mit allen Mitteln dagegen ankämpfen muß. Mit Polizei-
mitteln, Konzessionierung des Kunsthandels, wird man
nicht so viel ausrichten können, wie durch zweckmäßiges
Anbieten von besseren Dingen. Daß es ohne Jurierung
geht, hat die feldgraue Gruppe des Verbandes bewiesen,
deren erste Ausstellung im Palais des Prinzen Friedrich
Leopold großen Erfolg hatte und deren zweite, jetzt in der
Akademie der Künste eröffnete, zu gleicher Hoffnung be-
rechtigt. Die schönen Räumlichkeiten, das den Aus-
stellern entgegenbrachte Interesse ziehen das Publikum
an und helfen zum Erfolg. Hier liegt das Wirtschaftliche
auf der Hand, jahrelang hatten diese jüngeren Künstler
wenig oder keine Gelegenheit, Geld zu verdienen, und
beim Wiederaufbau ihrer Existenz finden sie alle Bedürf-
nisse ins Ungemessene verteuert. Staat und Gemeinden
halfen durch Hergabe von Räumlichkeiten. Mit verein-
zelten Ausstellungen allein ist aber nicht geholfen, und
so sind es besonders die ehemalig Feldgrauen, die inner-
halb des W V die Verkaufs- und Auftragsvermittlung
ausbauen wollen. Sie nützen dabei nicht nur sich selbst
in ihren materiellen Bedürfnissen; dadurch, daß sie dem
Handel mit fabrikmäßig hergestellten Schundbildern, mit
Massenproduktionen und kitschigem Nippes das Feld
abgraben, arbeiten sie an der vaterländischen Kultur.
Fritz Stahl hat im Berliner Tageblatt darauf hingewiesen,
daß der W. V. eine Macht bedeutet, die den Krieg gegen
den Schundkunsthandel aufnehmen sollte. Aber zum
Kriegfuhren gehört Geld, und leider ist der W. V. noch
ohne Vermögen. Wiederholter Apell an Mäzene blieb
ungehört, die Künstlervere;ne können nichts abgeben,
der Staat hat den W V. bisher überhaupt sehr
wenig liebevoll angesehen. Hoffen wir, daß auch

hierin Wandel geschaffen wird, und die vielen Kräfte,
die sich mit Eifer und Begeisterung der guten Sache
widmen, auch den notwendigen materiellen Rückhalt
finden.

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