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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Augustheft
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Welti, Jakob Rudolf: Dürer als Miniaturist?
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Zobeltitz, Fedor von: Das Stammbuch des Heinrich von Offenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0452

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auf seine „kleine Passion“ aus dem Jahre 1911 zurück-
gegriffen haben würde, um sie im mühsamen „Kläubeln“
in die Miniatur überzutragen, habe ich bereits im
Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung näher erörtert.

Eine am selben Ort aufgeworfene, auf den ersten
Blick sehr laienhafte Frage, nämlich die, warum Dürer
nicht die verlockenden Flächen der Säulenbasen der
Umrahmungen dieser Miniaturen als Signierungsort
gewählt habe, bot Professor Leitschuh (Freiburg in
der Schweiz), der für die Echtheit der Miniaturen eintritt,
eine scheinbar günstige Angriffsfläche. In seiner auch
sonst keineswegs überzeugenden Erwiderung (Neue
Zürcher Zeitung) erklärte er, daß diese 24 Umrahmungen
der Miniaturen selbstverständlich nicht von Dürer
selbst, sondern von der Hand eines Nürnberger Jllumi-
nisten stammten. Da nun aber auf zwei der in den
Pages d’Art reproduzierten Miniaturen, auf der „Kreuz-
tragung“ und der farbig wiedergegebenen „Kreuzigung“,
das Monogramm A D klar und deutlich auf dem zur
Umrahmung gehörenden Bogen über der
Komposition angebracht ist und man kaum annehmen
darf, daß der Meister jemals seine Schutzmarke auf der
handwerksmäßigen Arbeit eines Fremden angebracht hat,
erhält der Echtheitsnachweis Professor Leitschuhs einen
bedenklichen Stoß.

Aber auch stilistisch kann ich — immer noch auf
Grund der Reproduktionen — in diesen Miniaturen
nicht „das Ergebnis einer neuen Einsicht Dürers in die
Geheimnisse der künstlerischen Anordnung“ erblicken.
Man vergleiche — ich nehme an, daß das Heft der
Pages d’Art auch nach Deutschland gelangt ist — z. B.
nur die Miniatur der „Kreuzigung“ mit dem gleichen
Motiv in der „kleinen Passion“. Auf dem Holzschnitt
fällt der Kopf Christi, dessen linke Hand eben auf das
Kreuz genagelt wird, zurück. Das schmerzverzerrte, in
seiner Qual ergreifende Gesicht ist himmelwärts gerichtet.
Auf der Miniatur sitzt der leicht nach vorne gehobene
Kopf steif und hölzern auf dem Hals. Dieser Christus
liegt da, wie wenn ihn die Nagelung seiner Linken gar
nicht berührte. Mit dem Geiste Dürers und mit des
Meisters Handschrift hat er nichts gemein.

Alle diese nur kurz angedeuteten Erwägungen
sprechen meines Erachtens so sehr gegen die Echtheit
dieser Miniaturen, daß ich nicht einmal der Behauptung
Professor Leitschuhs zustimmen kann, diese einzige der
Kunstgeschichte bekannte Dürer-Passion sei unter
den Augen des Meisters ausgeführt worden. Ob
eine angekündigte, eingehende Arbeit des Freiburger Kunst-
historikers überzeugendere Beweise für Dürers Autorschaft
an den Genfer Miniaturen erbringen kann, bezweifle ich.

Das Stammbuch des jdeintncb von Offenberg

oort

fedot? oon Hobeltit)

Xh s kommt im allgemeinen nicht häufig vor, daß
■4 Stammbücher in Faksimilereproduktion erscheinen,
und das ist merkwürdig genug in unserer neudrucks-
wütenden Zeit. Allerdings muß man berücksichtigen,
daß die wertvolleren Stammbücher älterer Tage sich
meist in festen Händen befinden und die zuweilen in
den Handel kommenden inhaltlich gewöhnlich zu un-
bedeutend sind, als daß die kostspielige Reproduktion
sich lohnte. Man kann drei Klassen von Stammbüchern
unterscheiden. In den ältesten herrscht das genealogische
Element vor, ausgemalte Wappenbilder zieren die Seiten,
hie und da mit Unterschriften, den Wahlsprüchen der
Familien oder fürstlichen Widmungen. Dann folgt jene
Klasse von Stammbüchern, die ich die „akademische“
nennen möchte, weil sie meist in studentischen Kreisen
angelegt wurden, mit Inschriften von Gelehrten in Vers
und Prosa (die Autographenjagd stand vor 100 und
150 Jahren noch mehr in Blüte als heute), und ihnen
schließen die Erinnerungs-Stammbücher sich an, die man
oft auch auf Reisen mitnahm, um sie einer Berühmtheit
in literis oder in der Malerei mit Bittwort und freund-
lichem Augenblinken vorzulegen (also eine Fortsetzung
der Autographenjägerei). Zu dieser dritten Klasse gehört
das Stammbuch des Barons Heinrich von Offenberg, das
der Leipziger Insel-Verlag jüngst (in seinen interessantesten

Teilen) nach dem in der Bibliothek des Mitauer Pro-
vinzial-Museums lagerndem Original faksimilieren ließ.
Otto Clemen hat dazu ein orientierendes Nachwort ge-
schrieben.

Clemens Mitteilungen über das Geschlecht Offenberg
fußen auf der Niederschrift eines Heinrich Offenberg auf
Strocken aus dem Jahre 1861. Sie sind indessen nicht
ganz zuverlässig. Die Offenberg, ehemals Offenburg,
stammen zweifellos aus der Schweiz; schon 1165 wird
ein Martin von Offenberg auf dem Turnier zu Zürich er-
wähnt, und noch 1490 lebte Emmerich v. O. als „Kaiser-
licher Land-Oberster“ in der Schweiz. Sein Sohn Jonas,
Geheimer Rat und Statthalter der Steiermark, war 1571
kaiserlicher Gesandter am Zarenhofe, und wiederum
dessen Sohn Lorenz ging mit dem Markgrafen Wilhelm
von Brandenburg, Erzbischof von Riga, nach Livland,
heiratete eine Barbara von Rosen und hinterließ eine
zahlreiche Nachkommenschaft, die in den Ostseeprovinzen
verblieb. Von nun an unterschied man bei den Offen-
bergs zwei Linien. Die ältere hatte in Karl Gustav,
russischem Geheimen Rat, geboren 1755, ihren Stamm-
vater, die jüngere entstand durch Heinrich Christian, der
von seiner Gattin Friderike Dorothea von Dönhoff die
lllienschen Güter erbte. Von seinen drei Söhnen war
unser Stammbuchbesitzer der mittlere, geboren 1752,

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