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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Novemberheft
DOI Artikel:
Münsterberg, Oskar: Chinesische Marmorfiguren: ein Briefwechsel (in deutscher Uebersetzung)
DOI Artikel:
Bogeng, Gustav A. E.: Betrachtungen zur Buchkunstbewegung der Gegenwart, [1]: Buchkunst und Liebhaberausgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0102

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Es dürfte sich nur selten ereignen, daß so schnell
und so ehrlich — sogar von dem Besitzer selbst — die
Wahrheit festgestellt wird. Der Ausdruck „Fälscher“ ist
eigentlich nicht ganz richtig. Allerdings dürften die
Stücke in der Absicht hergestellt sein, um unter der
Flagge von „Antiken“ leichter verkauft zu werden. Tat-
sächlich sind keine Originale gefälscht, da es derartige
Skulpturen, welche die Größe und Tiefe religiöser
Empfindung mit der Zierlichkeit von späten Por-
zellanfiguren verbinden, niemals gegeben hat und

aus psychologischen Gründen wohl niemals geben
konnte. Jedenfalls handelt es sich um technisch sehr vor-
treffliche und sehr dekorative Arbeiten. Wir können
Herrn E. P. A. in Nord China nur dankbar sein, daß er
uns mit dieser auflebenden chinesischen Marmorindustrie
bekannt gemacht hat. Die auf dem Kunstmarkt immer
zahlreicher auftauchenden Steinarbeiten, mit und ohne
Inschrift, in guter oder schlechter Erhaltung, ja selbst
die Torsos dürften einet sorgfältigen Prüfung zu unter-
ziehen sein. Dr. 0. M ü n s t e r b e r g.

Betrachtungen zuv BucblUmßbetDegung der Gegenmart

I. Buchkunst und Liebhaberausgabe

uon

G. A» 6. Bogeng

Auf dem Büchermärkte Deutschlands ist die Entwick-
lung der Luxusbücherindustrie zu einer Erscheinung
geworden, die gerade in den letztverflossenen Jahren
buchgewerblicher Schwierigkeiten und damit verbundener
Buchpreissteigerungen Formen angenommen hat, deren
Betrachtung die Buchkunstfreunde und Büchersammler
recht nachdenklich stimmen sollte. Man wird den Arten
des von ihr erzeugten und von ihr so genannten Biblio-
philenbuches am ehesten gerecht, wenn man sie in ihren
geschichtlichen Voraussetzungen prüft, um damit dann
besser verstehen zu können, inwieweit das besondere
und das schöne Buch den Aufwand der Ausstattung
braucht, inwieweit es kostbar sein muß, um die Aufgaben
lösen zu können die es sich stellt und inwieweit es nur
zu einer Kostspieligkeit gemacht wird, um Gegenstand
einträglicher Geschäfte zu sein.

Die Buchhandschrift im abendländlichen Mittelalter,
die repräsentativen Zwecken diente, insbesondere solchen
des Kirchendienstes, war ein Prunkstück, bei dessen
Herstellung auch die Buchmalerei nicht zu sparen
brauchte. Denn ein derartig erlesenes Stück sollte ja in
seiner Vereinzelung wirken, sdhon äußerlich in allen
seinen Teilen die Ausnahmestellung des heiligen Buches
kennzeichnen, das der Priester vor dem Altar handhabte,
das die Fürsten in ihren Schatz aufnahmen. Als dann im
ausgehenden Mittelalter die Buchhandschriftenverviel-
fältigung zu einem Gewerbe geworden war, das auch die
Verbilligung des Buches erstrebte und das deshalb auf
seine Vereinfachung bedacht sein mußte, kamen die
Arbeiten der Buchausschmückung auf einen bewußten
kunstgewerblichen Betrieb hinaus, der sich in den Dienst
von Buchfreunden und Büchersammlern stellte. Diese
wollten nicht ein schlecht und recht heruntergeschriebenes
Buch haben sondern ein Werk, daß in allen Einzelheiten
seiner Herstellung so vollkommen als möglich war und
das deshalb aus der Büchermasse, die sich stetig

vermehrte, als ein Wertstück hervortrat, ebenso die Be-
deutung einer persönlichen Arbeit gewann, wie es auch
dem Besitzer persönlich zuwuchs. Kunstfertige Schreib-
meister schrieben auf kunstvoll geglätteten Pergamenten
mit langsamer Sorgfalt, der Auftrag an den berühmten
Buchmaler war ebenso ein Kennzeichen des Kunstmäze-
natentums wie die Bestellung einer Bildtafel oder eines
Wandgemäldes, berühmte Meister der Buchminiatur
konnten vor Aufträgen kaum noch zu ausreifenden
Werken gelangen und die Mode des Prachtbuches gehörte
zu jenen Moden, die von großen Herren gepflegt wurde,
um einen vornehmen literarischen Geschmack zu be-
weisen. Die Blütezeit der Buchmalerei in der Renaissance
war daher ein Ergebnis botonter Bücherliebhaberei, die
sich, wenigstens noch in den Anfängen der Wiegendruck-
zeit, sehr selbstbewußt gegen das Druckwerk richtete,
das die Buchgleichheit einführte. Bereits die Genossen
Gutenbergs hatten aus geschäftlichen Gründen für ihre
glänzendsten Leistungen das Ansehen der Buchhand-
schriften erstrebt, die ja ohnehin die unmittelbaren Druck-
vorlagen gewesen waren. Indem sie die Miniatoren und
Rubrikatoren zum Fertigmachen der Druckbogen heran-
zogen, beschwichtigten sie nicht allein deren Gewerbe-
neid. Sie konnten dank dieser Mitarbeit auch für ihre
Drucke, die aussahen wie Handschritten, die Preise er-
zielen, die für Handschriften ähnlicher Art üblich waren.
Aber der Widerwillen der Bücherfreunde des fünfzehnten
Jahrhunderts gegen die neue Erfindung beruhte nicht auf
der Abwehr von dergleichen merkantilen Operationen.
Als die Abgesandten des Kardinals Bessarion, die bei
Johannes Lascaris das erste gedruckte Buch sahen, über
diese von den Barbaren in einer deutschen Stadt ein-
geführte Neuerung spotteten, leitete sie nicht lediglich
ihr römischer Stolz. Es war ein Gefühl, das ganz und
gar darauf eingestellt war, beim Anblick eines Buches
schon im Genuß der Schönheit verweilen zu dürfen, das

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