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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Januarheft
DOI Artikel:
Zahn, Leopold: Das moderne Kunstgewerbe in Deutschland und Frankreich: zum Plan einer internationalen Kunstgewerbe-Ausstellung in Paris 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0181

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Herausgeber: 7\dOlptl DOHüHl

l. Januarheft

Das moderne Kunßgemet’be

in Dcutfcbland und Frankreich

Eum plan einer internationalen KunltgetDerbe=Aus(iellung in Paris IQ22

oon

Leopold Eabn

Als die Pariser Presse zuerst den Plan einer inter-
nationalen Kunstgewerbeausstellung in Paris dis-
kutierte, wies sie den Gedanken an eine deutsche
Beteiligung schroff zurück. Diesen Standpunkt scheint
man nun in Paris aufgegeben zu haben. Man wird -
wenn auch schweren Herzens - die Deutschen einladen,
nicht den Werkbund in corpore, sondern die einzelnen
Künstler. Nicht Chauvinismus allein widerstrebte diesem
Entschluß, sondern auch die Angst des Schwächeren vor
dem Stärkeren. Das Wort von der deutschen Gefahr
kehrt zu oft wieder in den französischen Pressestimmen
zu dieser Ausstellung. Gabriel Mourey spricht es
aus und Max R e v i 11 e , der Generalkommissär der
Ausstellung, kann es auch nicht unterdrücken. Selbst-
verständlich bekennt sich das gallische Selbstbewußtsein
nur zur Furcht vor der deutschen Organisations- und
Geschäftstüchtigkeit. Daß der deutsche Geschmack
an den französischen nicht heranreicht, ist doch ein
Axiom — oder nicht? Gewiß — nur Fanatismus wird
Frankreichs Begabung für alle Dinge der Geschmacks-
kultur anzweifeln. Aber wenn Frankreich beweisen will,
daß es auf dem Gebiet des nationalen Kunstgewerbes
schöpferisch tätig war, muß es auf das Empire zurück-
greifen, während Deutschland auf eine nahe Vergangen-
heit, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt, hinzeigen
kann. In der französischen Exportstatistik nimmt zwar
das Kunstgewerbe heute so gut wie gestern eine hervor-
ragende Stelle ein; (wenn auch in den letzten Vorkriegs-

jahren der Atem Frankreichs beim Wettlauf mit dem
deutschen Kunstgewerbe schon sichtlich schwer geworden
war). Aber die Erzeugnisse dieser Kunstindustrie be-
gnügen sich, gangbare Modelle oder Schablonen einer
traditionellen (und konventionellen) Geschmackskultur
zu wiederholen oder zu variieren. Dieses Kunstgewerbe
ist weder schöpferisch noch modern.

Die moderne Kunstgewerbebewegung, die bekannt-
lich von England ausgegangen war und, auf das Fest-
land Ubergreifend, vor allem in Holland und Belgien
festen Fuß gefaßt hatte, gelangte in Frankreich nur zur
transitorischen Bedeutung einer Mode. Zwei Unter-
nehmungen hatten in den letzten Jahren des 19. Jahr-
hunderts versucht, das moderne Kunstgewerbe auch in
Frankreich einzubürgern: die „Maison moderne“
in der Rue de la Paix und die „Art nouveau“ in
der Rue de Provence. (Der Schöpfer der „Maison mo-
derne“ war übrigens ein deutscher Kunstschriftsteller -
nämlich niemand anderer als J. M e i e r - G r a e f e).
Die Künstler, die zu diesem Kreis gehörten, stammten
aus aller Herren Ländern; man kann nicht einmal sagen,
daß die Franzosen die Führung besaßen. Gewiß — es
gingen damals entzückende Dinge aus französischen
Künstlerhänden hervor. Wer erinnert sich nicht mit
Vergnügen der Gläser Galle und der Schmuckstücke
Laliques! Aber über ein kapriziöses bric ä brac
sind die Franzosen eigentlich nicht hinausgekommen;
ihre spielerische Phantasie wußte mit den ethischen und

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