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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1./2. Märzheft
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Deutsche Gewerbeschau München 1922
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0282

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Deutfcbe Qeiüet’befebau München 1922.

Das Präsidium der Deutschen Gewerbeschau
München 1922 ersucht uns um Aufnahme des nach-
stehenden Aufrufes. Wir geben dem Programm dieser
eminent wichtigen Veranstaltung selbstverständlich Raum:

An die Deut (eben RüntHet?, Handtuerket?, Fabrikanten
und Kun(f('t>eunde.

Die brennende Not unseres Volkes verlangt es, daß alle
Mittel versucht werden, die regelmäßige Arbeit in Gang zu bringen.
Die Arbeitsruhe ist der Tod, nur in und durch Tätigkeit kann
eine Bewegung nach oben erzeugt werden.

Die Deutsche Gewerbeschau München 1922 will dem Inlande
den ungebrochenen Schaffensdrang und die Leistungsfähigkeit
aller an den formal hochwertigen Gewerben Beteiligten vor Augen
führen. Sie will zeigen, was an Material und Ausführung einwandfrei
und in der Formgebung von Interesse ist, alles, was Handwerk
und Industrie an guter, formenschöner Arbeit hervorbringen.

Den Strebenden zu Hause ein anregendes, aneiferndes Vorbild,
soll die Darbietung auch dem Auslande den Beweis erbringen,
daß die mit billiger und schlechter Ware schleudernden Kreise
im neuen Deutschland nicht die Wortführenden sind. Die
Darbietungen der Ausstellung sollen in stofflich und künstlerisch
wertvollen Mustern dem deutschen Erzeugnis die Freunde wieder
gewinnen, die es von altersher hatte und ihm neue
dazu gewinnen.

Die werbende Kraft der Formenschönheit, der reichen,
anziehenden, zum mindesten aber behaglichen, anheimelnden
Gestaltung und die Reize der Farbe sollen laut für uns sprechen,
aber sie sollen nicht inneren Unwert des Materials und der
Bearbeitung zu überlärmen, zu verdecken suchen. Nicht Auf-
machung, nicht äußerliches Blenden gilt es, sondern ernstliches
Gestalten, dessen Charakterprägung wir nach keinem Richtungs-
schema, nach keiner theoretischen Schablone beeinflussen und in
Fesseln schlagen wollen. Unsere Arbeit von Neuem beginnend,
vertrauend auf die geschmackliche Reife unserer Einsender,
brauchen wir vor trägem Beharren beim Gestrigen so wenig zu
warnen, wie vor rückschrittlichem Zufluchtssuchen bei längst
Verjährtem.

Der Anregungen — nicht der platt zu kopierenden Vorbilder —
aus älterer und neuerer Zeit sind unendlich viele, unendlich
vielgestaltig, wechselnd nach Stammesart und Landschaft ist auch
der Kunstwille der einzelnen Schaltenden, der über dieVergangenheit
das Werk der Gegenwart türmt und es hoch genug türmen möge,
daß der Blick von ihm aus auch ein Stück Zukunft erhasche.

München ist eine Stadt von künstlerischer Wesenheit,
voller künstlerischer Überlieferungen. Die Ausstellung 1922 will
also nicht mit den verschiedenen mehr händlerischen Veranstal-
tungen in Wettbewerb treten, denen das große und unersetzliche
Vorbild Leipzigs keine Ruhe läßt. Was die Messeveranstaltung
nicht bieten will, nicht bieten kann, ja darf, die Erlesenheit
des künstlerischen Gedankens und der künstlerischen Arbeit, der
schöpferische Zug in Handwerk und Industrie, das Einzig-
artige, Unnachahmliche, das Geistige, Beziehungenreiche des Ge-
staltungseinfalls — Kunst und nochmals Kunst ist unsere
Sache.

Dieser schimmernde, farbenspielende Reiz der artistischen
Erregung, innig vermählt mit der handwerklich-stofflichen Ge-
diegenheit des Gegenstands ist unser Ziel, nicht aber die platte,
billige, sich mit Hilfe scheinkünstlerischer lärmender Aufmachung
anpreisende Marktfähigkeit. Ausgewähltes soll den Wählerischen
aller Lande vor Augen geführt werden. Wir wollen und können
unsere Sonderart nicht verleugnen. Sie wird für uns sprechen,
auch wenn wir sie nicht besonders betonen.

Es ergibt sich aus diesen Grundsätzen, daß wir auf das
hochwertige Einzelstück besonderen Nachdruck legen. Der banale
Massenartikel, der die Ausstellung zum Magazin herabwürdigt,
verschwinde, willkommen sei dagegen der Massenartikel, der eine
künstlerische Reform bedeutet, der mit neuen ursprünglichen,

Schönen starken Gedanken Gebiete der Massenherstellung durch-
dringt, auf denen bisher die verzerrte, verschwulstete oder ver-
kümmerte Form vorwaltete.

Zum letzten Ziel aller unserer Bestrebungen, zur restlosen
Durchdringung und gegenseitigen Bindung von Kunst und Hand-
werk, zu jener großen Synthese, die noch im 19. Jahrhundert
Tatsache war und dann verloren ging, kann unsere Ausstellung
natürlich nur ein Schritt sein. So lieb ihr die freispielende reiche
Erfindsamkeit sein wird, sie regt an zu strenger handwerklicher
Bindung durch ihre Einteilung nach Materialgruppen.

Sie will, indem sie der Vorführung der Objekte die Eigen-
art der Rohstoffe zu Grunde legt, den Blick auf die Spannweite
und auf die Bedeutsamkeit der künstlerischen Differenzierung
hinlenken, deren Mittel, die technische Bearbeitung gelegentlich
lehrhaft hervorgehoben werden kann, obwohl weitläufige Muster-
werkstätten und Schaubetriebe dem Fertigprodukt nicht den Platz
versperren werden.

Es sollen ausgestellt werden: Textilien, Möbel — vor-
wiegend das wertvolle Einzelstück, da zu Raum-Vorführungen
nur in bescheidenem Ausmaß Platz vorhanden ist. Holz-
waren, Schnitzereien, Stein, edle und unedle
Metalle, Keramik, Glas, Korbwaren, Leder,
Graphik, Papier, Buchgewerbe, Reklame, Wachs,
Spielwaren, W a r e n p a c k u n g e n.

Neben dem Bedarf des Alltags an erlesener Ware, wie ihn
der Hauptteil der Ausstellung vor Augen führen wird, soll die
eigentliche Luxusproduktion in eigener Halle oder in besonderem
Gebäude harmonisch zusammengefaßt werden: Das Beste an
Büchern, Bronzen, Edelmetallen, Mosaiken, was immer als differen-
zierteste Werkkunst der besonders gesammelten Betrachtung, der
höchsten Ausgeglichenheit und Schönheit der Umgebung bedarf,
soll seinem Wert entsprechende Darbietung finden.

Ruhig und einfach, der Zeit entsprechend, die kostspielige
und lärmende Aufmachung verbietet, umgebe das Große und All-
gemeine der Ausstellung diesen künstlerischen Kern.

Auf die Vorführung von Kleinwohnungsbauten, so nahe eine
solche Veranstaltung dem Zeitbedürfnis liegen mag, muß wegen
Platzmangel verzichtet werden.

Willkommen sind uns wertvolle Darbietungen der Haus-
industrie und einzelne Lehrgänge ausgezeichneter Schulen, die
jedoch nicht in Sammelausstellungen, sondern innerhalb der
Fachgruppen zu Wort kommen sollen.

Unsere Einladung macht nicht Halt an den gegenwärtigen
politischen Grenzen des Reiches, es versteht sich von selbst,
daß sie an die österreichischen und böhmischen Deutschen nicht
anders ergeht, wie an die anderen vom Reichskörper gewaltsam
abgesprengten Volksteile.

Das Direktorium

der deutschen Gewerbeschau München 1922.

Ehrenpräsident: Eduard S c h m i d , I. Bürgermeister

der Landeshauptstadt München. Präsidenten: Professor

J J. Scharvogel, Keramiker und Dozent an der Technischen
Hochschule; Kommerzienrat Josef G a u t s c h , II. Präsident der
Handelskammer; Professor Dr. Philipp Maria Halm, Direktor
des Nationalmuseums; Dr. Julius Gröschel, Architekt und
Ministerialrat im Ministerium für Verkehrsangelegenheiten; Kom-
merzienrat Ignaz Schön, Stadtrat und Druckereibesitzer;
Schriftführer: Geh. Kommerzienrat Karl Proebst,

Direktor der Brauerei zum Franziskaner; Gottlob W i I h e 1 m ,
Bildhauer; Josef Würz, Stadtrat, Präsident der Handwerks-
kammer von Oberbayern. Generalschatzmeister: Hof-

rat Hans Remshard, Direktor der Bayer. Hypotheken- und
Wechselbank. Justitiar: Justizrat Robert Maurmeier,

Rechtsanwalt. Direktor: Dr. Hans G ö t z , Regierungsrat im

Ministerium für Handel, Industrie und Gewerbe. Beisitzer:
Fritz Beb Io, Stadt. Oberbaurat; Prof Benno Becker, Kunst-
maler; Karl Bert sch, Direktor der Deutschen Werkstätten;
Kdmmerzrenrat Moriz B ü h 1 e r; Dr. Theodor Fischer, Archi-

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