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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Dezemberheft
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Schmitz, Hermann: Deutsche Lackmalereien der Biedermeierzeit, [1]: die Manufaktur von Stobwasser in Berlin
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Friedländer, Max J.: Erwerbungen der Londoner Museen während des Krieges
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0142

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Flügeln mit Phöbus auf dem Sonnenwagen; für das
Kasseler Stadtschloß im Aufträge des Kronprinzen eine
große Malerei mit Sokrates, Alexander und Marcus Aure-
lius. Als Maler werden im Dienste der Fabrik vor allem
Weitsch, der Sohn des Braunschweigers Pascha Weitsch
und Kretschmer genannt. Eine Sammlung von Original-
gemälden und Kopien alter und neuerer Meister im
Besitz des Fabrikherrn diente als Vorlagensammlung.

Unter den von Herrn Hans Stobwasser ererbten Er-
zeugnissen der berühmten Fabrik, die im Kunstgewerbe-
museum ausgestellt waren, verdienten einige Möbel
besondere Beachtung. Es handelt sich zunächst um einen
Rollsekretär — in der üblichen auch von Roentgen stetig
wiederholten Form, und eine Kommode. Beide ganz
schlicht in der Arbeit, aus weichem Holz, durchaus mit
Lackmalerei bedeckt; der Sekretär zeigte Landschafts-
malerei auf der Rollade und figürliche Friese auf den

Schubfächern in Grisaille und Braun (Abb. 1); die Kommode
dagegen — ein geradwandigerKasten mit drei Schubläden —
war mit feinlinigen Arabesken und mit Medaillons auf
braunrotem Grunde bemalt (Abb. 2). Diese ganz be-
malten Möbel sind offenbar den öl- und lackgemalten
englischen Möbeln des Adamstils nachgebildet, die ähn-
liche Arabesken- und Medaillonverzierungen aufweisen.
Der berühmteste Künstler der Art in London war ein
Italiener Pergolesi, den Robert Adam nach England mit-
gebracht hatte; Pergolesi, seine Landsleute Zucchi und
Cipriani, auch Angelika Kaufmann bemalten in den
70 er Jahren in England Möbel in ähnlicher Weise. Zu
zwei lackbemalten Stühlen im Besitz des Herrn Hans
Stobwasser im Stil der 20 er Jahre sind in dem ebendort
befindlichen Musterbuch der Fabrik die Entwürfe
(Abb. 3,4).

(Schluß folgt.)

ScLoecbungen der Londonee jYlufeen toäbeend des Krieges

oon

Max 7. fviedländev

[jie während der Kriegszeit erschienenen Jahresberichte
des „National Art-Collections Fund“ mit den Daten
1915 bis 1918 liegen vor mir und bieten einen lehrreichen
Überblick über einen guten Ted dessen, was in diesen
Jahren den öffentlichen Sammlungen Englands hinzu-
gefügt worden ist. Namentlich die Tendenz wird deutlich,
mit der beträchtliche Kräfte zur Ausgestaltung und Ver-
vollständigung der gewaltigen Londoner Museen einge-
setzt wurden.

Die seit 1903 tätige Organisation ist nach dem Vor-
bilde des Berliner Kaiser Friedrich-Museums-Vereins ein-
gerichtet, unterscheidet sich aber von der deutschen
Gesellschaft in mehreren Punkten. Der Mitgliedsbeitrag
ist in En land weit niedriger (Grenze nach unten 21 Mk.
gegen 500 in Berlin), deshalb konnte die Zahl der Mit-
glieder dort leicht auf 1400 steigen, während sie bei uns
über 100 nie wesentlich hinausgekommen ist. Ferner
entbehrt der britische Verein der straffen Konzentration,
die in Berlin durch die Persönlichkeit W. v. Bodes sowie
durch die Beschränkung auf ein Museum erreicht ist.
In London wird die Vielseitigkeit des Geschmacks und
der Interessiertheit srwie die Betreuung aller öffentlichen
Sammlungen, gelegentlich sogar der außerhalb Londons
befindlichen, mit einiger Zersplitterung der Mittel gebüßt.
Die Verfassung ist parlamentarisch nach britischer Art
und hat Teil an den Vorzügen und Nachteilen des
demokratischen Grundsatzes, insofern wie viele urteils-
fähige und tüchtige Köpfe aus dem Kreise der Museums-
beamten und der Privatsammler bei dem Vorschlag und
der Auswahl der zu erwerbenden Stücke mitwirken. Ein
überragender Museumsleiter würde in dem verwickelten
und langsamen Verfahren der Beratung und Entscheidung an
der Entfaltung seiner Sammelleidenschaft gehindert werden.

Die Liste der in den Kriegsjahren erworbenen Gegen-
stände ist ungemein mannigfaltig, sie enthält Zeichnungen,

Holzschnitte, illustrierte Bücher, Holzschnitzereien, chine-
sische Bilder, Medaillen, Spitzen, Werke antiker Klein-
kunst und Gemälde, lauter wertvolle und klug gewählte
Dinge, d e zumeist dem BritishMuseum und demKensington
Museum eingereiht worden sind.

Unter den Gemälden aus älterer Zeit ist nur eines
von hoher Bedeutung, die Madonna von Masaccio, das
Mittelstück des Pisaner Altares, von dem die Berliner
Galerie die Museen zu Pisa und Neapel, sowie die
Sammlung Lanckoronski in Wien Fragmente besitzen.
Diese Tafel wurde 1916 für 9000 £ von Rev. Canon A,
S. Sutton gekauft und der National Gallery übergeben.

Als ein charakteristischer Zug in den Erwerbungen
der letzten Jahre tritt gesteigertes und entschiedenes
Interesse an der Malkunst des 19. Jahrhunderts heivor.
Man beginnt Dinge historisch zu betrachten und syste-
matisch für die öffentlichen Galerien zu sammeln, die
früher zumeist der privaten Liebhaberei überlassen, in die
englischen Museen nur durch zufällige Schenkungen ge-
langt waren. Ein wenig als Folge des Bündnisses und
der Kampfgemeinschaft mit Frankreich findet die fran-
zösische Malerei mehr Beachtung als ehedem. Namentlich
Degas wird für würdig gehalten, der britischen Öffentlich-
keit gezeigt zu werden.

Ziemlich breit entfaltet sich die englische Kunst des
19. Jahrhunderts, die reich und vollständig in der von der
National Gallery abgezweigten British Art Gallery zu re-
präsentieren, sich mehr und mehr als eine Aufgabe der
Gesellschaft herausbildet. Nach modischer Überschätzung
und darauffolgender Vernachlässigung ist man in Bezug
auf D. G. Rosetti, W. Blake, G. F. Watts, Fred. Walker
zu einem sicheren Urteilsstandpunkt gelangt.

Deutsche Kunst ist, wenigstens im Kupferstichkabinett
des British Museums, dank der kenntnisreichen Bemühung
Campbell Dodgsons, ungestört und eifrig gepflegt worden.

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