Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
2. Novemberheft
DOI Artikel:
Donath, Adolph: Kunst und Politik: zu dem Projekt einer englischen Ausstellung in Berlin
DOI Artikel:
Wahl, Hans: Neuerwerbungen des Goethe-Nationalmuseums im Jahre 1919
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
London ausstellen könnten! Eine solche Lösung zustande
zu bringen, wäre ein Verdienst, das man nicht hoch
genug einschätzen könnte!

Lujo Brentano, der jetzt in London an den
Beratungen des „Fight the famine Council“ teilnimmt,
sagte einem Vertreter der Genfer „Agence Centrale“:
„Was am meisten not tut, ist eine „W iederkehr des
gegenseitigenVerstehens zwischen den Völkern
und Wiederherstellung der internatio-
nalen Bestrebungen.“ Und fast um die gleiche
Stunde, da der große deutsche Volkswirtschaftler diese
Meinung ausspricht, veranstaltet die Walker-Stiftung der
Universität St. Andrews in Schottland ein
Preisausschreiben zu dem Thema „W ieder-
aufbau der menschlichen Gesellschaft
auf dem Grund einer geistig-sittlichen
Wiedergeburt.“ Aber die Preise dieser Stiftung
sind sowohl für die Studierenden und für die Arbeiter
von Groß-Britannien und Irland bestimmt, als für die
Studierenden und Arbeiter aller Länder. Darunter sind
selbstverständlich auch die deutschen Länder gemeint.
Wäre dies nicht der Fall, dann hätte die Walker-Stiftung
nicht auch einen deutschen Prospekt heraus-
gegeben.

„Die Wiederkehr des gegenseitigen Verstehens“: Das

ist das richtige Wort! Doch in Kunstdingen nationa-
listische Politik zu treiben, ist widersinnig. An dieser
Tatsache wird auch die Berliner Akademie der Künste
nicht rütteln können, deren Präsident uns schreibt, er
wäre „dankbar“, „wenn wir berichtigend feststellen
würden, daß in den Kreisen der Akademie der Künste
über einen solchen Plan“ — gemeint ist jene englische
Ausstellung — „nichts bekannt ist und daß die Räume
der Akademie der Künste für eine solche Veranstaltung
nicht zur Verfügung gestellt werden.“

Daß die Akademie der Künste zu Berlin eine „solche
Veranstaltung“ plant, hierüber stand keine Silbe in der
nackten Mitteilung des „Kunstwanderers“. Aber daß von
der Akademie der Künste für eine solche Veranstaltung
die Räume nicht zur Verfügung gestellt werden, scheint
uns eine zumindestens sehr unkluge Äußerung. Denn
mit einer derartigen „Politik“ wird der Kunst an sich
nicht genützt. Die Welt muß heute zur Ruhe kommen.
Und trägt die Kunst hierzu bei, dann werden ihr Mil-
lionen von Menschen aufrichtigen Dank wissen. Aber
gerade in Momenten, da Verständigungspläne reifen, große
Töne zu reden und hemmungslos niederzuschreiben, daß
„ein solches Unternehmen schon im voraus verurteilt ist“,
das widerspricht nicht nur jedem menschlichen, sondern
auch jedem künstlerischen Empfinden.

IHeuet’tüet’butagen des Qoetbe-JHationatmufeums

tm 7abt?e 1919

oon

Hans IDabt

Der Direktor des Goethe-Nationalmuseums in
Weimar Dr. Hans Wahl schrieb auf die Bitte des
„Kunstwanderers“ den nachstehenden Artikel über
die neuesten allgemein interessierenden Erwerbungen
des Museums.

jjas Goethe-Nationalmuseum trägt besondere Gesetze
für seine Erweiterung durch Neuerwerbungen in
sich, die sich aus seinem einzigartigen Charakter, dem
des größten Persönlichkeitsmuseums der Kulturwelt, natur-
notwendig ergeben. Es birgt die Wohnung des Dichters,
Naturforschers und Kunstsammlers, die sich in dessen
letzten Lebensjahrzehnten von selbst in ein Privatmuseum,
wenigstens in seinen stattlichsten Räumen, verwandelt
hatte, und umfaßt außerdem einen Erweiterungsbau. Dieser
dient der gesicherten Auf- und Ausstellung der reichen
Kunst- und naturwissenschaftlichen Sammlungen, die, zu
Goethes Lebzeiten in Schränken und Kasten verwahrt,
je nach Bedarf hervorgeholt wurden. Der allumfassenden
Persönlichkeit des Sammlers zufolge bilden die Kunst-
gegenstände nur einen, wenn auch wichtigen Teil der
Sammlungen des Neubaus neben dem großen Physikraum
zur Veranschaulichung der Farbenlehre, der Witterungs-
und Elektrizitätskunde, einen kleinen Raum mit Goethes
anatomischen, zoologischen und botanischen und einen

zweiten mit Goethes geologisch-mineralogischer Sammlung
Die Kunstsammlung: Kleinplastiken, geschnittene Steine,
Abdrücke, antike Keramik nach Hunderten, Plaketten,
Medaillen und Münzen nach Tausenden, Majoliken über
100, Kupferstiche und Holzschnitte gegen 3000, und
Handzeichnungen gegen 2000, neben fast 2000 von Goethes
eigener Hand, bildet ein in sich abgeschlossenes
Ganzes, das als Erbe Goethes nicht ergänzt werden kann,
es sei denn durch Rückkauf entfremdeten Bestandes.

Das 2. Stockwerk dagegen trägt Museumscharakter.
Die besondere, mehr aufs Literarische und Persönliche
gestellte Art des Museums gibt hier von selbst die Richt-
linien der Erweiterung: möglichst vollständige Sammlung
von zeitgenössischen Goethebildnissen, Porträts von ihm
wichtig gewordenen Mitlebenden aus den verschiedenen
Lebensepochen, künstlerisch belangvolle ebenfalls zeit-
genössische Darstellungen von Örtlichkeiten seines Lebens-
weges, Illustrationen zu seinen Werken, seinem Leben
und Ähnliches. Nur die beiden ersten Gruppen können
Berücksichtigung durch öffentliche Ausstellung in den
beschränkten biographisch eingeteilten Räumen finden
und auch meist nur insoweit, als sie Gemälde und
Plastiken umfassen.

112
 
Annotationen