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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

DOI Heft:
1. Juniheft
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Glück, Gustav: Die Ausstellung der Wiener Gobelinsammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0377

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Direktor Dr. Gustav Glück von der Wiener Gemälde-
galerie stellt uns für seinen für den „Kunstwanderer“
geschriebenen Artikel eine Reihe von Abbildungen zur
Verfügung, denen Aufnahmen zugrundeliegen, die für
ein bei der Staatlichen Lichtbildstelle in Wien zur
Subskription gelangendes Prachtwerk über die Wiener
Gobelinsammlung von Dr. Ludwig Baldass hergestellt
worden sind.

Man wird sich noch an die Nachricht erinnern, daß
die österreichische Regierung die Absicht hatte,
einen Teil der berühmten Gobelinsammlung des früheren
Hofes, die jetzt Staatsbesitz geworden ist, zu veräußern.
Dieser Plan ist glücklicherweise gescheitert, und wir
können froh sein, daß nun auch das erreicht worden ist,
was die frühere Hofverwaltung den Kunstfreunden der
Welt Jahre lang vorenthalten hat: die öffentliche Aus-
stellung einer beträchtlichen Anzahl dieser Wandteppiche.
Wir sind davon überzeugt, daß die Ausstellung eine
ganz außerordentliche Anziehungskraft ausüben wird, daß
Fremde aus aller Herren Länder zusammenströmen
werden, um das Neue, Unschätzbare, Unvergleichliche,
das hier dargeboten wird, zu sehen, die staunenswerte
Pracht und den unermeßlichen Reichtum, die hier wieder
auferstanden sind und die hoffentlich für alle Zukunft
der wertvollste Besitz eines verarmten, aber an Kultur-
werten noch reichen Volkes bleiben werden.

Es war ein außerordentlich glücklicher Gedanke,
daß man als Ort der Ausstellung das Belvedere-
schloß gewählt hat, jenen herrlichen Barockbau, den
der große österreichische Architekt Hildebrand als
Sommerresidenz des Prinzen Eugen geschaffen hat.
Solche alte Paläste eignen sich, wenn einmal die prunk-
volle fürstliche Lebensführung aufgehört hat, zu nichts
anderem besser, als zur Aufbewahrung von Kunstsamm-
lungen, mit denen sie ja den höfischen Ursprung gemein-

sam haben. Jedem älteren Wiener wird noch die Auf-
stellung der Gemäldegalerie im oberen Belvedere in
dankbarer Erinnerung sein, aus der Zeit, da das allzu
protzige Hofmuseum, das in gewissem Sinne die un-
glücklichen zentralistischen Neigungen des alten Öster-
reich mit verkörpert, noch nicht vollendet war und da
die wundervollen Räume des Belvedere noch nicht zur
Residenz des Erzherzogs Franz Ferdinand bestimmt waren.

Eine Art von Glücksgefühl umfängt uns, wenn wir
heute die Säle des Schlosses betreten und sehen, daß
sie wieder, wie einst in unsrer Jugend, der Kunst ge-
weiht sind. Hier herrscht ein helles und dabei doch
weiches und warmes Licht, wie es die modernen Ober-
lichtsäle niemals zu bieten vermögen. Und das ist
gerade das Licht, das wir — vielleicht noch mehr als
für Gemälde für die köstlichen Kunstwerke brauchen,
die uns hier vorgeführt werden: für die Bildteppiche,
die eine ganz besondere Kunstgattung sind und deshalb
auch eine besondere Art der Aufmachung verlangen.
Sie gehören in Schlösser, denn sie sind als wechselnder
Schmuck fürstlicher Räume gedacht und erschaffen.

Wer gewöhnt ist, Gemäldegalerien zu besuchen und
zu genießen, wird seinen Blick für die Betrachtung der
gewebten Wandteppiche erst ein wenig einschulen
müssen. Diese haben ganz andere Gesetze, als Bilder.
Schon nach der Art ihrer Entstehung verlangen sie eine
andere Vorbereitung. Meist entwirft ein Künstler die
erste Skizze, entweder dieser selbst oder eigene Karton-
zeichner schaffen danach farbige Kartone, die schon in
der Größe des ausgeführten Teppichs gehalten sind, und
jetzt erst beginnt die unsäglich mühevolle, oft Jahre
währende Arbeit des Webers, der durch die schwierige
Durchkreuzung von Fäden aus den feinsten Farben-

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