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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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2. Septemberheft
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Hoefner, Friedrich: Der römische Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0035

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Der römifebe Kunltbandel

oon

frtedricb Hoefner

Der Wiener Kunsthistoriker Ur. Friedrich Hoefner, der
viele Jahre in Rom gelebt hat und demnächst wieder
nach der ewigen Stadt geht, wird von dort aus ständig
für den „Kunstwanderer“ über die römischen Kunst-
verhältnisse berichten.

jjie ewige Stadt am Tiber hatte von jeher nicht nur
als Kunststätte, sondern auch als Zentrum des
Kunsthandels einschneidende Bedeutung, lange ehe die
anderen europäischen Großstädte als Kunstzentren her-
vortraten. Der Grund hierfür liegt in der einzigartigen
Vergangenheit Roms. Selbst im Herzen der Stadt und
zwar an den ehrwürdigsten Stellen, dem römischen Forum
und dem Palatin, lagen die Überreste der Antike unter
der dünnen Erdschicht, auf der nur spärliches Gras
wuchs und die als Weideplatz für Schafe und Ziegen
diente. Jeder Spatenstich, jede Schürfung holte bedeut-
same Reste hervor, die begreiflicherweise sofort ihre
Liebhaber fanden. Leider bedeutete diese Liebhaberei
auch die Zerstörung oder den völligen Untergang zahl-
reicher Monumente.

Aber nicht nur der Boden der Siebenhiigelstadt
selbst, sondern auch die nähere Umgebung forderten zu
diesen unsystematischen Grabungen, dem Raubbau, her-
aus; erstreckte sich im Norden der Stadt, jenseits des
rechten Tiberufers, doch Etrurien mit seinen tausend und
abertausend Gräbern, deren oft reicher, ja fürstlicher
Inhalt (Gold-, Silberschmuck, Bronzegeräte wie Spiegel,
Waffen usw. und Keramik) die zahlreichen Museen
Europas füllte. Auf diese Weise hatte der durch seinen
Prozeß berühmt gewordene Marchese Campana in
den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine Sammlung
geschaffen, die zumindest an Stückzahl die größten
Museen seiner Zeit übertraf und auch die heutigen noch
übertreffen würde. Aber selbst das staatliche Gesetz, das
den Raubbau verbot, und jede Grabung unter staatliche
Aufsicht stellte, konnte diesem Treiben nicht Einhalt tun.
Als im Jahre 1836 z. B. in Cerveteri, eine ehemals
etruskischen Stadtanlage in der Nähe Roms, unter guter
Aufsicht die berühmte Tomba (Grab) Regolini-Galassi
aufgedeckt wurde, die wegen ihrer schier unermeßlichen
Fülle an Gold-, Silber- und Bronzegeräten auch heute
noch zu den hervorragendsten Gräberfunden zählt, fand
man darunter einen wuchtigen, in feinster Granulierarbeit
ausgeführten und mit hoch archaiisch figuralen Mustern
geschmückten goldenen Armring. Als in neuerer Zeit
der Bestand des Grabes wissenschaftlich aufgenommen
wurde, fand sich ein Gegenstück dazu, genau derselbe
goldene Armring, in den Sammlungen des britischen
Museums in London. Sicher hatte ihn ein bei der
Grabung beschäftigter Arbeiter an sich genommen und
an einen englischen kunstliebenden Reisenden veräußert,
bis der Ring schließlich auf Umwegen in den Besitz des
britischen Museums gelangte.

An diesem Beispiel soll gezeigt werden, aus welchen

Quellen der römische Kunsthandel, was die Antike be-
trifft, schöpfte und auch heute noch schöpft. Viele antike
Objekte unbestimter und unbestimmbarer Provenienz ent-
stammen solchen Grabungsumständen, die bei Weiter-
veräußerung natürlich verschwiegen werden. Und dies
charakterisiert die Stellung Roms unter den anderen
Zentren des Kunsthandels. Während Paris die Kosmo-
polis war und ist, wohin die ihren Besitzer wechselnden
Kunstschätze fließen und von wo aus sie abströmen,
während München durch seine groß angelegten und gut
geleiteten Auktionen hervorragt, hat Rom die Quelle
seines Kunsthandels in sich selbst.

Es ist daher erklärlich, daß den Hauptanteil am
Kunsthandel die Antike hat. Keramik, Gemmen, Gold-
schmuck, Bronzegerät und Münzen bilden das Überge-
wicht. Daneben spielen freilich auch Kunstgegenstände
des früheren und späteren Mittelalters eine große Rolle.
Und besonders in den letzten Jahrzehnten sind große
Partien von Antiken dieser Art, darunter Arbeiten von
unschätzbarem Werte, in den Handel gekommen. Schuld
daran trug der durch die modernen Strömungen verur-
sachte Kapitalswechsel. Viele von den zahlreichen

italienischen Adelsfamilien, von denen manche den Glanz
ihres Namens noch auf römische Zeitepochen zurück-
leiten, wurden, wenn sie nicht über sehr ausgedehnten
Grundbesitz verfügten, in die Großstadt abgedrängt oder
sie suchten freiwillig die Großstadt auf, oft fast als ihr
einziges Gut ihr Familienerbe, das zum weitaus größten
Teil sich aus Kunstgegenständen zusammensetzte, mit
sich nehmend, die sie aber nach und nach den Er-
fordernissen des Tages opfern mußten. Ähnliches
Schicksal hatten auch viele der erbeingesessenen
Bürgergeschlechter, deren Familiengut sich häufig mit
dem der größten Adelsgeschlechter messen konnte.
Manches endlich, sporadisch freilich, wagt sich auch aus
den Kunstschätzen italienischer Klöster und Stifte hervor,
wenn ihre Reservoirs an solchen Beständen eben zum
Überfließen voll sind. Doch scheint — so wie auch
anderenorts - die Zeit noch nicht gekommen, daß diese
Bestände in den Fluß des Kunsthandels sich einmischen.

Auch auf diesem Gebiete unterscheidet sich der
römische Kunsthandel von der Art, wie im allgemeinen
die Kunstgegenstände in den Handel kommen. Auch
hier ist es ein ursprünglicher Quell, aus dem sie fließen,
ln anderen Ländern zerstieben die Sammlungen oft mit
dem Tode ihres Besitzers oder die Sammler selbst stoßen
Gegenstände ab. ln Italien aber gibt es keine oder nur
wenige junge Sammlungen, denn der Römer liebt und
achtet seine Vergangenheit über alles, aber, von den
modernen Bewegungen hingerissen, wie Politik, Sport
usw. treibt er keinen Kult damit, indem er die Hinter-
lassenschaft seiner Vorfahren sammelt. Nur auf dem
Gebiete der Numismatik gibt es auch in Italien viele

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