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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 1.1919/​20

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1. Septemberheft
DOI Artikel:
Schmidt, Robert: Verfälschte Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27815#0016

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die keinen ausgesprochenen Zeitcharakter tragen, deren
Formen sich vielmehr durch Jahrhunderte ziemlich gleich-
mäßig erhalten haben. So sah ich kürzlich in einer

ernsten Sammlung einen sogen. Rhön-Tisch, der das
eingelegte Datum 1504 trug. Die Form der Einlagen
machte mich sofort stutzig und bei näherem Zusehen

bestätigte sich mein Ver-
dacht: die 5 war aus einer 7-

7 umgeändert, der ganze
Tisch also im Jahre 1704 ent-
standen. Ein Renaissance-
tisch vom Jahre 1504 ist aber
natürlich ein bedeutend wert-
volleres Handelsobjekt als
ein Bauerntisch vom Anfang
des 18. Jahrhunderts, und
das Stück war denn auch
seinem imaginären Alter ent-
sprechend teuer bezahlt wor-
den. Die lustigste Täuschung
dieser Art aber erzählte mir
mein alter Lehrer Justus
Brinckmann: im Prunkraum
des Kensington - Museums,
in dem die Raffaelischen
Teppichkartons hängen, stand
— es ist allerdings schon
mehrere Jahrzehnte her —
unter anderen prachtvollen
italienischen Renaissance-
möbeln eine reicheingelegte
Truhe auf dem Ehrenplatz.

Man kann sich Brinckmanns
lustiges Augenblitzen denken,
als er darin eine der ihm
allzu wohlbekannten — Vier-
länderBauerntruhen erkannte,
die man durch Änderung der
Jahreszahl 1826 (etwa) in
eine Renaissancearbeit von
1526 umgewandelt hatte! Sie
ist dann allerdings rasch
in der Versenkung ver-
schwunden.

Leider sind Beispiele
von verfälschten Möbeln, wie
ich hier einige herausge-
griffen habe, zahlreich wie Sand am Meer, und daher
ist es für ernsthafte Sammler absolut notwendig, stets die
Augen offen zu halten und vor allem zu versuchen, in
den Stil und die Technik der alten Holzarbeiten ein-
zudringen. Beides aber ist nur möglich durch unermüd-

Abb. 2. Barock-Waschschrank.

Mit Hilfe alter Füllungen konstruiert.

liches, hingebendes und exaktes Studium sicherer alter
Stücke, wie sie vor allem in unseren Museen noch
in guter Anzahl vorhanden sind.

Museen kommen aber ebenso wie Sammler oft in
Verlegenheit, wenn sie ein Möbel besitzen oder erwerben,
das zwar große künstlerische Qualitäten aufweist, das aber

durch falsche Restauration
oder durch das Fehlen wich-
tiger Teile in einem Zustand
sich befindet, der die Aus-
stellung verbietet. Dann gibt
es nur einen Weg, der von
wissenschaftlich ernsthaft ge-
leiteten Sammlungen einge-
schlagen werden kann, und
der auch glücklicherweise
meist begangen worden ist:
Zuerst wird eine oder mehrere
Aufnahmen gemacht von dem
augenblicklichen Zustand
(diese Aufnahmen sollten am
besten im Innern des be-
treffenden Möbels ange-
bracht werden). Dann wird
das Stück unter sorgfältigster
Wahrung aller alten Teile
auf Grund eingehendsten
Studiums ähnlicher alter
Arbeiten einer Restauration
unterzogen. Die aber muß
so ausgeführt werden, daß
niemand darüber im Unklaren
bleiben kann, was alt und
was neu ist, indem bei der
Ergänzung ein Unterschied
in der Farbe des Holzes ge-
wahrt bleibt — natürlich
nicht so kraß, daß die harmo-
nische Wirkung des Ganzen
verloren geht; läßt sich aber
wegen fehlender Analogien
eine wissenschaftlich ein-
wandfreie Ergänzung der
Einzelheiten nicht erzielen,
so sollte man stets nur ver-
suchen, durch vereinfachte
Profilierung und diskret an-
deutende Flächenbehandlung den wahrscheinlichen Ge-
samteindruck zu rekonstruieren. Nur so bleibt der
wissenschaftlich-dokumentarische Wert, der eine Vor-
bedingung für die Ausstellungsmöglichkeit in einer
öffentlichen Sammlung ist, gewahrt.
 
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